Bürgerbeteiligung in Leipzig - wie weiter?
Über die Bürgerbeteiligung in Leipzig wurde von September 2015 bis zum Frühjahr 2016 Bilanz gezogen: Wo läuft Beteiligung beispielhaft? Wo bestehen Hürden und Herausforderungen? Wie können sich erfolgreiche Beteiligungsformen in Leipzig dauerhaft etablieren? Anlass waren Anträge des Stadtrates zur Vertiefung und Formalisierung informeller Bürgerbeteiligungsprozesse (siehe Links unter "Zum Thema"). Die Stadtverwaltung entwickelt auf dieser Basis Möglichkeiten zur Verbesserung der Beteiligungskultur in Leipzig und setzt diese schrittweise um.
Bilanzierung der (informellen) Beteiligungsprozesse (September bis Dezember 2015)
Was wurde ausgewertet?
Um die informellen (nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Bürgerbeteiligungsprozesse der letzten Jahre zu erfassen, wurde zunächst eine Befragung in der Verwaltung durchgeführt. Insgesamt wurden dabei 156 Beteiligungsverfahren erfasst, die von einzelnen Veranstaltungen bis zu mehrjährigen und mehrstufigen Verfahren reichen. Eine weitere Online-Befragung der Bürgerschaft folgte im November. Ziel war es herauszufinden, welche Veranstaltungen der Stadtverwaltung besucht wurden, wie hoch die Zufriedenheit war sich einbringen zu können und was verbessert werden kann.
Auf Basis der Ergebnisse wurden vertiefende Gespräche und Interviews mit Schlüsselakteuren und Bürgern aus den verschiedenen Bereichen geführt um die Stärken und Schwächen der Beteiligung in Leipzig herauszuarbeiten.
Wo steht Leipzig zur Zeit?
Die Bilanzierung nimmt lediglich einen Ausschnitt der bereits existierenden Beteiligungspraxis in den Blick. Es ergibt sich deshalb auch kein vollständig repräsentatives Bild der Situation in Leipzig. Dennoch lassen sich aus den Rückmeldungen von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft eindeutige Stärken ableiten, auf denen wir aufbauen können, sowie dringende Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssen.
- In vielen Ämtern und Bereichen gibt es bereits gute Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung und starke Beteiligungsstrukturen. Insbesondere Beteiligungsverfahren zu bereits vom Rat beschlossenen Maßnahmen (wie zum Beispiel Stadt- und Stadtteilentwicklung mit Quartiers- und Magistralenmanagement, Straßenbau etc. ) verlaufen oft positiv.
- Es ist jedoch zunehmend auch gelungen gute Beteiligungsverfahren auch zu strategischen, abstrakteren Themen durchzuführen (zum Beispiel Wohnungspolitisches Konzept, Leipzig 2030 etc.).
- Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass gute Beteiligung zu höherer Akzeptanz und / oder besseren, zielgruppenorientierten Ergebnissen führen kann.
- Die Koordinierungsstelle "Leipzig weiter denken" wird positiv wahrgenommen: Experimentierfreudigkeit bei neuen Verfahren, Unterstützung bei Beteiligungen mit eigenen Dienstleistungen wie Raumdatenbank und Moderatorenpool, sowie Qualität der unter dem Dach durchgeführten Verfahren.
Aus den Schwächen und Herausforderungen ergaben sich folgende Hauptfragen für das weitere Arbeiten der Stadtverwaltung:
- Kommunikation: Wie kann sichergestellt werden, dass sich Interessierte rechtzeitig vor Beginn, während und nach den durchgeführten Beteiligungsverfahren gut informieren können? Wo finden die Leipzigerinnen und Leipziger einen Gesamtüberblick zu laufenden und geplanten Projekten?
- Reichweite: Mit welchen Methoden und Ansätzen können breitere Zielgruppen erreichen? Wie erreichen wir eine Repräsentativität bei Beteiligungsverfahren? Wie kann eine bessere Rückkopplung von Ergebnissen mit breiter Bürgerschaft gelingen?
- Transparenter Umgang mit den Ergebnissen: Wie können Ergebnisse besser im Prozess verarbeitet werden? Welche Beteiligungsergebnisse können umgesetzt werden, welche nicht und warum?
Was können wir von anderen Städten lernen?
Es gibt in Deutschland eine Reihe von Kommunen, die Schritte hin zu einer Institutionalisierung von Bürgerbeteiligung unternommen haben um eine stärkere Transparenz zu erreichen und mehr Verlässlichkeit zu garantieren. Gemeinsam ist fast allen Modellen, dass verlässliche Strukturen geschaffen wurden und Formalisierungen bestehen, die für alle Akteure transparent darstellen, was mit Beteiligung gemeint ist und wie Beteiligungsprozesse umgesetzt werden sollen. Immer mehr Kommunen formulieren dazu Grundsätze und Verfahrensweisen für Bürgerbeteiligung in Leitlinien oder ähnlichen Papieren und verankern die Beteiligungsstrategie auch personell im Verwaltungsaufbau.
Städte wie zum Beispiel Essen oder Potsdam setzen auf grundsätzliches Engagement zur transparenten Beteiligung. So kann auf Augenhöhe mit hoher Qualität über gelebte Leitlinien beteiligt werden. Gute Beispiele und Wissenstransfer befördern dies.
Städte wie zum Beispiel Heidelberg oder Bonn setzen darauf informelle Beteiligungsverfahren über eine Satzung und eine Vorhabenliste zu regeln. In einem entsprechenden Gremium (Beirat, Ausschuss etc.) werden vor allem umfangreichere, konfliktäre Verfahren besprochen und Grundsätze der Beteiligungspraxis geregelt.
Mannheim zum Beispiel setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz: Hier wird bürgerschaftliches Engagement mit bürgerschaftlicher Beteiligung verknüpft. Der Prozess lebt von der starken Selbstverpflichtung der Verwaltungsspitze.
Welche Schlüsse ziehen wir daraus?
Der Ausbau der Kommunikation ist ein zentrales und wichtiges Thema: dazu sollten unter anderem alle Informationen über aktuelle und geplante Beteiligungsverfahren auf einer zentrale Plattform auf www.leipzig.de gebündelt werden inklusive einer Verlinkung zu den jeweiligen Projekten. Eine ständige Aktualisierung ist notwendig.
Um eine bessere Prozessplanung bei mehrstufigen Verfahren zu erreichen sollte bereits in Vorbereitung der jeweiligen Projekte ein Beteiligungskonzept (inclusive Ressourcen und Zielgruppen) vorgelegt werden.
Der Fokus muss künftig verstärkt auf die Qualitätssicherung gelegt werden: sowohl im Hinblick auf die Verfahren selbst als auch die Kommunikation über erzielte Ergebnisse in Beteiligungsprozessen und deren mögliche Umsetzung. Dazu ist ein stetiges Monitoring der einzelnen Verfahren nötig.
Über die Koordinierungsstelle kann eine Qualitätssteigerung erreicht werden: über verstärkte Beratung zu anstehenden Beteiligungsverfahren, die konkrete Unterstützung bei einzelnen Verfahren als auch eine weitere Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Dokumentation vergangener Veranstaltungen
9. Mai 2016: Stadtwerkstatt
Am 9. Mai diskutierten circa 70 Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung, Politik und Zivilgesellschaft darüber, welche Schlüsse aus den Ergebnissen des Bilanzierungsprozesses der Bürgerbeteiligung gezogen werden können (siehe "Was schließen wir daraus?"). Kernpunkte der Diskussion waren verbindlichere Regeln für informelle – also gesetzlich nicht vorgeschriebene – Beteiligungen. Diskutiert wurden Vorschläge wie Leitlinien, eine Satzung oder auch ein begleitendes Gremium. Anklang fand die Vorstellung, eine sogenannte Vorhabenliste einzurichten, die frühzeitig über alle laufenden und geplanten Projekte informiert. Referenten aus den Städten Bonn, Potsdam und Heidelberg berichteten über die Erfahrungen aus ihren Städten.
Die Ergebnisse der Bilanzierung und der Diskussion wurden in einer Vorlage (Nr. VI-DS-03335) aufbereitet und vom Stadtrat beschlossen.
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Mit Leitlinien verpflichtet sich eine Stadt zu bestimmten Vorgehensweisen in der Bürgerbeteiligung. Je nach Kommune werden dabei Qualitätskriterien für Bürgerbeteiligung festgeschrieben, Regelungen zur verlässlichen Organisation von Beteiligungsprozessen getroffen, eine Vorhabenliste eingeführt und Evaluationen festgeschrieben.
Leitlinien werden durch den Oberbürgermeister oder den Stadtrat festgelegt.
Eine Satzung ist eine Rechtsnorm, die für die Verwaltung bindend ist und durch die Beteiligung durch Bürger eingefordert werden kann. Umfang, Ablauf und Inhalt der Beteiligung sind hier verbindlich geregelt.
Eine sogenannte Vorhabenliste informiert frühzeitig über alle beabsichtigten städtischen Projekte bei denen Beteiligung bereits geplant ist oder ein Interesse vieler Einwohner angenommen wird. Dazu gehört auch eine standardisierte Kurzbeschreibung der jeweiligen Projekte.
Ein Gremium setzt sich aus Politik, Bürgerschaft und Verwaltung zusammen, berät die Verwaltung bei Beteiligungsfragen, bespricht Maßnahmen der Qualitätssicherung und gibt Empfehlungen bei mehrstufigen langfristigen und gegebenenfalls konfliktären Verfahren.
<link file:26462 dokumentation der stadtwerkstatt in leipzig wie>Eine ausführliche Dokumentation steht Ihnen hier zum Download bereit (1,8 PDF MB).
15. Dezember 2015: Gruppengespräch mit Bürgerinnen und Bürgern
Als Ergänzung zur Online-Befragung der Öffentlichkeit wurde ein Gruppengespräch mit rund 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Ziel war es, die Erfahrungen und Einschätzungen der Bürgerinnen und Bürger zu Beteiligung in Leipzig zu diskutieren. Als Stärken nannten die Teilnehmenden z.B. die zahlreichen Möglichkeiten sich einzubringen und beispielhafte, neue Prozesse wie das Wohnungspolitische Konzept und die Werkstatt Stadtfinanzen. Als negativ empfanden einige die unzureichende Umsetzung und mangelnde Informationen über Beteiligungsprozesse. Eine Fotodokumentation (PDF 1,2 MB) können Sie hier herunterladen.
23. November 2015: Arbeitsgruppe des Forum Bürgerstadt diskutiert Zwischenstand
Im November diskutierte die Arbeitsgruppe vom Forum Bürgerstadt Leipzig in der Volkshochschule über die geplanten Gruppengespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, über die Auswertung der Umfragen sowie über die nächsten Schritte.
29.-30. Oktober 2015: Expertenwerkstatt „Wie können Beteiligungsmodelle für Kommunen wetterfest gemacht werden?"
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Immer mehr Kommunen in Deutschland wagen den Schritt zur Institutionalisierung von Beteiligung, in dem sie sich zum Beispiel Beteiligungsleitlinien geben, Koordinierungsbüros einrichten und Vorhabenlisten veröffentlichen. Experten aus ganz Deutschland diskutierten an eineinhalb Tagen, worauf besonders geachtet werden muss, damit am Ende eine nachhaltig wirkende, robuste Praxis steht.
6. Oktober 2015: Die Arbeitsgruppe "Bilanzierung der Bürgerbeteiligung" diskutiert geplante Befragungen
Am 6. Oktober traf sich die Arbeitsgruppe aus Bürgerschaft und Politik, die den Bilanzierungsprozess begleitet, ein zweites Mal. Das Begleitgremium hatte sich im September aus dem Forum Bürgerstadt heraus gebildet. Schwerpunkt der Diskussion war eine bereits laufende Online-Befragung der Stadtverwaltung durch den externen Auftragnehmer sowie eine geplante Erhebung zur Bewertung der Beteiligungsmöglichkeiten in Leipzig durch die Einwohnerinnen und Einwohner. Daneben besprach die Gruppe auch die Struktur des Prozesses sowie geplante Workshops zu den Stärken und Schwächen der Beteiligung.
9. September 2015: Bildung eines Begleitgremiums aus Bürgerschaft und Politik
Am 9. September trafen sich sieben Vertreterinnen und Vertreter aus Bürgerschaft und Politik mit der beauftragten ReformAgentur und der Koordinierungsstelle für Beteiligung "Leipzig weiter denken", um die geplante Bilanzierung zu diskutieren und ein Begleitgremium zu bilden, dass den Prozess im nächsten halben Jahr beratend unterstützen wird.
6. Juli 2015: Diskussion der Bilanzierung im Forum Bürgerstadt
Gemeinsam mit Interessierten wurde die geplante Bilanzierung am 6. Juli im Rahmen des "Forums Bürgerstadt Leipzig" angeregt diskutiert. Das Resultat war unter anderem: der Bilanzierungsprozess soll nicht nur von einem externen Büro durchgeführt werden, auch eine Vertretung der Leipziger Bürgerinnen und Bürger, sowie der Politik soll miteinbezogen werden. Die Präsentation zum geplanten Prozess können Sie auf dieser Seite herunterladen.