Arthur-Bretschneider-Park
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich Leipzig so rasant, dass die Bevölkerungszahl sprunghaft anstieg. Deshalb war man bemüht, viele grüne Stadtplätze und Volksparks zur Erholung der Bürger, insbesondere der Kinder, einzurichten.
Die Aue der nördlichen Rietzschke, einem kleinen Bach, befindet sich zwischen den ehemaligen Dörfern Gohlis und Eutritzsch, die 1890 nach Leipzig eingemeindet wurden, und bot sich als Erholungsgebiet an. In den Jahren 1899 bis 1904 entstand zwischen Coppi- und Gottschallstraße der erste Teil des Arthur-Bretschneider-Parks nach Plänen von Gartendirektor C. O. Wittenberg. 1900 waren die wichtigsten Arbeiten beendet.
Der Volkspark zur aktiven Körperertüchtigung und Erholung im Freien war in Mode gekommen. Deshalb wurde 1911 eine Erweiterung des Parks im Sinne der neuen Ideen beschlossen. 1913/14 entstand der nördliche Parkteil und entsprach mit seinen Sport- und Spielgelegenheiten den neuen Auffassungen. Die angelegten Wegeführungen in beiden Parkteilen sind heute noch fast vollständig erhalten und auch die Gehölzvegetation vermittelt noch die gewünschten Raumeindrücke. Zur Zeit der DDR entstanden, um das Sport- und Spielangebot zu erweitern, eine Freilichtbühne und das Hallenbad Nord.
Bei der Gesamtplanung stand nach wie vor eine zunehmend aktiv nutzbare Freizeit und Erholung im Vordergrund. Aus diesem Grund werden bei beiden Parkteilen auch heute noch besonders die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen hinsichtlich Spiel und Bewegung berücksichtigt. Eine besondere Attraktion ist das große Klettergerüst am Rondell.
Heute befindet sich der 8,2 Hektar große Park im Landschaftsschutzgebiet und zeichnet sich durch einen wertvollen Gehölzbestand aus. Der Teich mit seinen Seeroseninseln und Wasservögeln bietet den zahlreichen Spaziergängern zu jeder Jahreszeit ein abwechslungsreiches Bild.
Weitere Informationen
Im Leipziger Stadt- und Dorfanzeiger vom 3.11.1900 wird berichtet: "Die Arbeiten an der zwischen Eutritzsch und dem so genannten Franzosenviertel im Erlengrunde anzulegenden Parkanlage sind jetzt soweit gediehen, dass man, da die Erdarbeiten ziemlich beendet sind, jetzt schon erkennen kann, dass damit wieder etwas Gutes in dieser Beziehung geschaffen wurde. Der in der Mitte der Anlage ausgehobene Teich ist durch nachdringendes Grundwasser schon zum Teil gefüllt. Die durch das Areal fließende Wiederitzscher Rietzschke muss auf eine große Strecke verlegt und überdeckt werden, da die ihr zu mancher Zeit entströmenden Düfte die Freude an dem zukünftigen Parke sehr trüben und den Aufenthalt in demselben nicht gerade zu einem angenehmen machen würden."
Heute werden Regen- und Grundwässer vornehmlich aus dem Gelände der Neuen Messe und dem Gewerbegebiet auf dem ehemaligen Flugplatz Mockau - ohne durch Abwässer verschmutzt zu sein - in den Bach geleitet, der jahrzehntelang völlig trocken lag. Er schlängelt sich am Rande des Parks hin, ehe er an der Coppistraße Richtung Geibelstraße unterirdisch weitergeführt wird.
Wie schon im April 1911, als mit dem Haushaltsplan für 1912 die Erweiterung der Parkanlage um den Parkteil B beschlossen wurde, stehen auch heute wieder die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen hinsichtlich Spiel und Bewegung im Vordergrund. Damals wurde auch bei den Anpflanzungen Rücksicht auf die Heranwachsenden genommen. Dieses Anliegen ist auch jetzt ein wichtiger Gesichtspunkt bei den notwendigen Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen. Die Beschattung durch den großen, erhaltenswerten Baumbestand wird allerdings weiterhin intensiv sein, so dass an den Stellen, die ehemals durch artenreiche Sträucher einen besonderen Reiz ausüben, nun schattenverträglichere Arten gepflanzt werden sollen. Weiterhin sind großflächige Krautzonen mit für Bachauen typischen Wildstauden wie z. B. Lerchensporn, Buschwindröschen, Lungenkraut, Waldgoldstern und Scharbockskraut vorgesehen.
Die Verbindung der beiden großen Leipziger Stadtteile in diesem Bereich soll mit einem "grünen Weg" zwischen Delitzscher Straße, Gräfestraße, Hegelstraße und Virchowstraße erfolgen. Der im Frühjahr 1997 zerstörte historische Steg über die Rietzschke muss dazu wieder instandgesetzt werden. In die Planung ist das Areal des ehemaligen Gräfe Gutes mit einbezogen. Dort sollen mit dem eventuellen Ausbau des Hauses Gräfestraße 9 ein Jugendobjekt und mit der Freiflächengestaltung bis zur Rietzschke Sport- und Spielobjekte für Jugendliche geplant und gebaut werden.
Problemzone Parkteich
In der Niederung der Nördlichen Rietzschke schienen allzeit günstige Wasserverhältnisse zu herrschen. Was lag näher, als im südlichen Teil des Parks eine Wasserfläche zur Belebung der Anlage vorzusehen? Eine mittig angelegte Fontäne sollte der Verschönerung dienen. Ein Hauptgrund für die Planung eines Teiches war 1896 der Wunsch der Bürger nach einer Eisbahn in Eutritzsch/Gohlis. 1899/1900 konnte die Eisbahn erstmals genutzt werden.
Im Dezember 1899 war der 9300 Quadratmeter große Teich mit Wasser gefüllt und im Sommer 1900 wieder leer! Ursache war nach Meinung der Experten der Schleusenbau der Rietzschke. Grundwasser, das früher zur Speisung des Teiches zur Verfügung stand, wurde jetzt im Abwassernetz abgeführt. Zudem war offenbar auch die Teichsohle zu tief ausgehoben. Der Vorschlag, mit Wasser aus dem städtischen Netz nachzuhelfen, wurde aus finanziellen Gründen verworfen. In der Folgezeit versuchte man mit Ton- und Lehmeinschlämmungen den Parkteich abzudichten. In einer öffentlichen Bekanntmachung vom 4.6.1920, in der das Wasserholen aus dem Teich mit Kannen und Eimern zwecks Vermeidung der Dichtungsbeschädigung untersagt ist, wird die erfolgreiche Abdichtung des Teiches unterstrichen.
1937 wurde der Teich nochmals um 1,5 Meter vertieft, aber in den 1970er Jahren bewirkten der nördliche Kohleabbau und die Trockenlegung der Rietzschke erneut einen tiefen Wasserspiegel.
Ungeachtet dessen bietet der Teich den zahlreichen Spaziergängern mit seinen Seeroseninseln und mit den Wasservögeln, wie Blessrallen und Enten, ein zu jeder Jahreszeit abwechslungsreiches Bild. Teich- und Seefrosch, Teichmolch und Erdkröte besiedeln das Gewässer. Stellvertretend für die 12 hier festgestellten Fischarten soll der in Sachsen vom Aussterben bedrohte Bitterling genannt werden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollzog sich ein tiefgreifender Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die beispiellose Industrialisierung der Gründerzeit hatte mit all ihren Nebenerscheinungen, wie rasante Verstädterung, problematische Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen für die proletarische Bevölkerung, ihren Höhepunkt erreicht. Von England ausgehend kündigten sich Reformbewegungen an. Der Begriff Volkspark wurde zum neuen Leitbild erhoben und löste damit den typischen, inzwischen als schablonenhaft und in der beschränkten Nutzung kritisierten Stadtpark des 19. Jahrhunderts durch neue Funktions- und Formvorstellungen ab.
Die Volksparkidee
Die Volksparkidee dokumentierte gleichzeitig auch ein neues Programm und eine neue soziale Politik. Man wollte nicht nur gesunde, sondern auch zufriedene Arbeiter und Bürger, die stolz auf ihre Stadt waren. Das war neu. Die Bevölkerung sollte den Park nicht auf dem Wege des "landschaftlichen Genießens" in Besitz nehmen, sondern über die "Beteiligung im Freien: Spiel, Sport, Lagern, Planschen, Reiten, Tanzen - dann ferner Musikgenuss, Kunstgenuss, Blumengenuss; leibliche Genüsse", so der Hamburger Stadtbaurat Fritz Schumacher 1928.
Nach dem Ersten Weltkrieg schärfte die Wirtschaftskrise erneut den Blick für die sozialen Belange. Neben der Landesplanung bekam auch die kommunale Freiflächenpolitik einen Auftrieb in bisher nicht gekannte Dimensionen. So kam es zwischen 1919 und 1933 zu einem regelrechten Volksparkboom. Auch als die Bewegung durch die Weltwirtschaftskrise 1929 allmählich ins Stocken geriet, wirkte sich die materielle Beschränkung noch einige Jahre entgegengesetzt aus, indem durch die hohe Arbeitslosigkeit wie in Leipzig allerorts Notstandsarbeiter für die Anlage oder Erweiterung der Volksparke eingesetzt werden konnten.