Stadt PARTHE Land
"stadt PARTHE land" ist ein Forschungsvorhaben, das auf Kulturlandschaftsmanagement zielt. Die Untersuchungsregion, das Partheland bei Leipzig, steht dabei exemplarisch für die besonderen Herausforderungen von Stadt-Umland-Regionen. Wir gehen davon aus, dass die Wertschätzung einer Landschaft dazu beiträgt, neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zwischen Stadt und Land zu entwickeln. Der hierfür zu initiierende Prozess muss möglichst viele Akteure ins Gespräch bringen und ergebnisoffen sein, denn um die öffentlichen Parks, das artenreiche Grünland, die Heckensysteme und viele andere wertvolle Landschaftsstrukturen des Raumes zu erhalten, gibt es keine Patentrezepte. Über die Sektoren hinweg wollen wir daher Landwirte, Vereine, Schulen und Verwaltungen bei der Aneignung, Pflege und Gestaltung ihrer Kulturlandschaft unterstützen.
Projektbeschreibung
Das Partheland östlich von Leipzig (Kommunen Leipzig, Taucha, Borsdorf, Brandis) ist eine in der Öffentlichkeit bislang nur wenig wahrgenommene Kulturlandschaft. Es erstreckt sich entlang des namensgebenden Flusses - der Parthe - vom dicht bebauten Zentrum der Stadt Leipzig über ein Mosaik aus Wohnsiedlungen, Einkaufszentren, Gewerbegebieten und Verkehrsinfrastrukturen im Stadt-Umland bis hinein in ländliche Räume.
Dieser vielfältige Landschaftsraum ist Lebensraum für Mensch und Natur:
Hier wohnen mehr als 260.000 Menschen, die Autobahn A 14 ist eine wichtige und stark frequentierte Verkehrsader und durch die Gewerbe- und Industrieansiedlungen am Stadtrand (z.B. BMW-Werk) entstanden in den letzten Jahren tausende neue Arbeitsplätze. Aufgrund seiner ertragreichen Böden wird das Partheland zudem intensiv landwirtschaftlich genutzt.
Gleichzeitig stellt die Flussaue der Parthe mit ihren Wiesen, kleinen Waldstücken und öffentlichen Grünanlagen einen wichtigen Erholungsraum für die Bevölkerung und einen Rückzugsraum für viele Tier- und Pflanzenarten dar. Zu entdecken gibt es hier viel: Die die Parthenaue umgebende weitläufige Agrarlandschaft wird strukturiert und belebt von zahlreichen Windschutzpflanzungen. Die Kuppen der Taucha-Eilenburger-Endmoräne sind in der Bevölkerung als markante Aussichtspunkte bekannt. Ehemalige Steinbrüche und Tongruben (z.B. an der Bergkirche Beucha) belegen die ursprüngliche Bedeutung des ländlichen Raumes als Baustofflieferant für die benachbarte Stadt und die gut erhaltenen historischen Dorfstrukturen (z.B. Gottscheina, Zweenfurth) zeugen von einer langen und bewegten Siedlungsgeschichte.
Aber das Partheland ändert sich rasant - wie die meisten anderen Landschaften in Deutschland. Diese Dynamik ist nicht allein auf die hohe Bautätigkeit im Raum zurückzuführen, sie ist ebenso von Veränderungen der Standortverhältnisse beeinflusst. Insbesondere in der Partheaue ist eine zunehmende Vernässung festzustellen, die einerseits eine Anpassung der Grünlandbewirtschaftung, andererseits von Naturschutzzielen erfordert. Die überwiegend in den 50er und 60er Jahren gepflanzten Windschutzpflanzungen sind mittlerweile so alt, dass ihr Fortbestand nur durch gezielte Pflege und Nachpflanzungen zu sichern ist. Da sich jedoch auch die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und die Landschaftspflege stark verändert haben, sind naturschutzorientierte Bewirtschaftungsformen und die Pflege wertvoller Landschaftselemente nicht mehr rentabel.
Die Folge: Wiesen verlieren an Reiz und Artenreichtum, Heckensysteme werden nicht mehr erneuert und öffentlichen Grünanlagen mangelt es an Ausstattung und Pflege.
Auch das Verhältnis zwischen Stadt und Land hat sich verändert: Nur wenige Städter beziehen heute noch Nahrungsmittel oder andere Güter aus den ländlichen Räumen ihrer Region. Der Verlust an direkten Wertschöpfungsbeziehungen führte in der Bevölkerung zu einem Bedeutungs- und Wahrnehmungsverlust ländlicher Strukturen. Das Land wird zum Umland, dem höchstens noch in der Naherholung eine Bedeutung zugesprochen wird.
Gegenläufig zu diesem dominierenden Trend entfaltet sich in der Region Leipzig aber auch eine kleine wachsende Nische von Unternehmen und alternativen Lebensentwürfen, in der ressourcenschonende, kreislauforientierte und regionale Wirtschaftsweisen erprobt werden. So vielfältig dieses Bild auch ist - bislang agieren diese Akteure meist allein und es mangelt an Vernetzungen zwischen den Akteuren aus Stadt und Land.
Wie lassen sich Eigenart, Vielfalt und Schönheit in einer derart stark beanspruchten Kulturlandschaft wie dem Partheland vor dem Hintergrund sich ständig verändernder Rahmenbedingungen und steigendem Nutzungsdruck schützen und behutsam weiterentwickeln?
Die ersten Erfahrungen zeigen, dass durch die Verstärkung der Wechselwirkungen zwischen den Akteuren von Stadt und Land ein Mehrwert für das Partheland erzeugt werden kann. Darauf aufbauend verfolgt das Forschungsvorhaben den Ansatz, die treibenden Kräfte zwischen den Polen der
Wertschöpfung (Welchen wirtschaftlichen Profit ziehe ich aus der Kulturlandschaft?)
und der
Wertschätzung (Was ist mir die Kulturlandschaft wert und was bin ich bereit dafür zu leisten?)
miteinander in Beziehung zu setzen. Denn neben den technologischen Innovationen (z.B. zur Verwertung von Landschaftspflegematerial) bedarf es ebenso kulturlandschaftlicher Diskurse, um so stark beanspruchte Räume wie das Partheland gestaltbar zu machen.
Dieser komplexe Arbeits- und Kommunikationsprozess zum Schutz, zur Entwicklung und Inwertsetzung von Kulturlandschaften wird als Kulturlandschaftsmanagement bezeichnet und ist zentraler Gegenstand des Forschungsvorhabens "stadtPARTHEland".
W1) Neue Wertschöpfungsketten in der Kulturlandschaftspflege
Durch den Aufbau neuer Verwertungs- und Vermarktungswege sollen die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Landschaftspflege im Partheland verbessert werden. Davon sollen insbesondere folgende Landschaftstrukturen profitieren:
Artenreiches Grünland in der Parthenaue
Windschutzpflanzungen und Hecken in der Agrarlandschaft
seltene und schützenswerte Biotope
öffentliche Grünanlagen
Erste Lösungsansätze reichen von einer optimierten Verwertung von Grünschnitt bis hin zu extensiven, ganzjährigen Beweidungskonzepten mit robusten Rinderrassen.
2) Landschaftliche Teilhabe und Landschaftskommunikation
Landschaftskommunikation ist die öffentliche Verständigung über den Raum, den wir bewohnen und nutzen. Sie setzt voraus, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Landschaft gelenkt wird und sich die Zivilgesellschaft mit den spannenden Fragen ihrer Entwicklung auseinandersetzt. Dies wird mit einem Exkursionsführer, mit Bildungsmaterialien für Grundschulen sowie mit kontinuierlichen publizistischen Beiträgen angestrebt. Um die öffentliche Debatte über die Perspektiven des Parthelandes und die Inhalte des Forschungsvorhabens anzuregen, wird eine besondere Veranstaltungsreihe installiert- die Parthelandküche(n). Gesucht werden neue Rezepte für das Partheland (zum Kochen und zum Handeln) sowie neue Wege für eine höhere landschaftliche Teilhabe der Bevölkerung und Spielräume für die Entwicklung von Kulturlandschaftsprodukten. Ein weiterer Schwerpunkt ist daher die Förderung einer erlebbaren, regionalen und / oder sozialen Produktion von Lebensmitteln.
3) Produktionsintegrierte Kompensation (PIK): Ein neuer methodischer Ansatz zur Flexibilisierung der Eingriffsregelung
Ziel ist die Umsetzung von naturschutzfachlichen Maßnahmen (z.B. Blühstreifen) auf landwirtschaftlichen Flächen gemeinsam mit der Landwirtschaft. Diese Maßnahmen könnten zudem als gesetzlich geforderter Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft dienen (z.B. für den Bau eines Wohngebietes auf landwirtschaftlichen Flächen) und über diesen Weg auch entsprechend finanziert werden. Im Handlungsfeld soll die Flexibilisierung dieses naturschutzrechtlichen Instruments ausgelotet werden.
Für die Bearbeitung dieser vielschichtigen Fragestellungen haben sich
das Lehr- und Forschungsgebiet Landschaftsplanung der Technischen Universität Dresden (Projektkoordination),
der Grüne Ring Leipzig (vertreten durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig)
der Zweckverband Parthenaue,
das Leipziger Gartenprogramm (vertreten durch die culturtraeger GmbH),
das Professor Hellriegel Institut e.V.
das Deutsche Biomasseforschungszentrum gGmbH und
- das Büro für Landschaftskommunikation
zu einem Projektverbund zusammengeschlossen.
Weiterführende Informationen finden Sie auf der offziellen Webseite des Projektes www.stadtpartheland.de und unter www.leipziggruen.de/partheland
Nach einer einjährigen Definitionsphase erhielt der Projektverbund zur Umsetzung des Forschungsvorhabens vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förderung für weitere fünf Jahre (ab September 2014).