Leipzig und die Reformation
Im 15. und 16. Jahrhundert war Leipzig für das geistige und wirtschaftliche Leben in Kursachsen von zentraler Bedeutung. Auch für den Fortgang der Reformation nahm es eine wichtige Rolle ein. So fand nicht nur Martin Luthers wichtigste Disputation mit der Katholischen Kirche in Leipzig statt, auch als Stadt des Buchdrucks, durch den Luthers Lehren Verbreitung fanden, leistete Leipzig einen entscheidenden Beitrag für die Reformationsbewegung. Auch umgekehrt profitierte die Stadt von den Umbrüchen und Entwicklungen, die die Reformation mit sich brachte. In ihrer Folge bescherten sie Leipzig einen ungeahnten Aufschwung.
Martin Luther in Leipzig
1483 in Eisleben geboren, wirkte Martin Luther nach seinem Studium der Theologie als Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Wittenberg. Von dort aus reiste er mehrere Male in das 100 Kilometer entfernte Leipzig - manchmal auch zu Fuß. Luthers wichtigster Besuch in der Handelsstadt ereignete sich im Jahr 1519: Bei der Leipziger Disputation duellierte er sich rhetorisch mit dem katholischen Theologen Johannes Eck. Das Streitgespräch wurde zu einem Wendepunkt für Luther selbst und für die reformatorische Bewegung.
20 Jahre später setzte sich der Protestantismus schließlich endgültig in Sachsen durch. Heinrich der Fromme führte zu Pfingsten 1539 den protestantischen Glauben als Staatsreligion im Herzogtum Sachsen ein. Anlässlich des offiziellen Festakts war auch Luther in Leipzig zu Gast. Er predigte in der Kapelle in der Pleißenburg und hielt eine Festrede in der Thomaskirche, begleitet vom Gesang des Thomanerchors. Letztmalig weilte der Reformator zur Weihe der Universitätskirche als evangelische Kirche im August 1545 in Leipzig. Am 18. Februar 1546 verstarb er in Eisleben.
Leipziger Disputation 1519
Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche und machte damit seine Kritik an der Katholischen Kirche öffentlich. Luther geißelte den geschäftsmäßigen Ablasshandel, mit dem Gläubige, statt zur Beichte zu gehen, sich selbst und ihre verstorbenen Angehörigen von Sünden freikaufen konnten. Dabei richtete Luther sich insbesondere gegen die Geschäfte des Ablasspredigers Johann Tetzel, auf den der Ausspruch "Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!" zurückgeht.
Der schwelende Konflikt zwischen Luther und der Amtskirche sollte im Sommer 1519 in Leipzig bei der "Leipziger Disputation" ausgetragen werden. Das Klärungsgespräch wurde von der Universität Leipzig organisiert und begann am 27. Juni 1519 mit einer Messe in der Thomaskirche, bei der auch der Thomanerchor zu hören war. Begleitet von zwei weiteren Größen der Reformationsbewegung, dem Gelehrten Philipp Melanchthon und dem Theologen Andreas Karlstadt, stellte sich Luther anschließend dem bis zum 16. Juli 1519 andauernden Rededuell mit seinem Kontrahenten, dem papsttreuen Theologieprofessor Johannes Eck.
In der Pleißenburg, wo sich heute das Neue Rathaus befindet, ging es nicht nur um den Ablass, sondern auch um die Stellung des Papstes, die kirchliche Lehrautorität und den freien Willen im Verhältnis zur göttlichen Gnade. Für Martin Luther bedeutete die "Leipziger Kirchenschlacht", wie die Disputation auch genannt wird, den endgültigen Bruch mit der römisch-katholischen Kirche. Da er sich weigerte, seine Thesen zum Ablasshandel zu widerrufen, verhängte man über Luther und seine Anhänger 1521 schließlich den Kirchenbann und die Reichsacht.
Der Buchdruck als Reformationsmotor
Die Durchsetzung der Reformation hätte ohne den Buchdruck nie die uns heute bekannte Dynamik erfahren. Leipzig, zur Frühzeit der Reformation bereits eines der führenden Zentren des Buchdrucks im deutschsprachigen Raum, spielte dabei eine wesentliche Rolle. Hier druckte Melchior Lotter 1518 in seiner Offizin frühe Schriften von Martin Luther, bevor er ab 1520 seine berühmte Druckerei in Wittenberg etablierte. Die lutherischen Lehren wurden in Leipzig in hoher Auflage gedruckt und anschließend als Flugblätter im ganzen Land verbreitet. Melchior Lotter veröffentlichte mehr als 160 Schriften des Reformators. Auch zahlreiche evangelische Gesangbücher fanden von den Leipziger Druckereien aus Verbreitung.
Ohne das Flugblatt hätten die Gedanken Martin Luthers niemals eine solche Bekanntheit und Sogkraft entwickeln können - darin sind die Historiker sich einig. Flugblätter übernahmen im 16. Jahrhundert als neue Massenmedien die Berichterstattung und stellten eine bis dahin nicht gekannte Öffentlichkeit her. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig widmet anlässlich des Lutherjahres dem Flugblatt und seiner bewegten Geschichte eine eigene Ausstellung. Die Schau nimmt ihren Anfang bei Luther, verankert das Thema Flugblatt aber im Hier und Jetzt.
Auch das Museum für Druckkunst in Leipzig widmet sich dem Thema auf besondere Weise. In den authentischen Werkstätten kann man die Entstehung von Druckmedien um 1500 erleben. In der Schriftgießerei wird vor den Augen der Besucher eine Schwabacher gegossen - die gebräuchlichste Schrift der Reformationsdrucke. Unter dem Motto "Setze und drucke deine eigene These" können Besucher im Handsatz eigene Texte aus Bleilettern herstellen.
Die Lutherrose
1519 veröffentlichte der Leipziger Druckereimeister Wolfgang Stöckel Luthers Predigt zur Leipziger Disputation. Das Deckblatt ist ein Holzschnitt, der den Reformator zeigt. In diesem ersten von ihm überlieferten Bild befand sich auch eine Rose. Seitdem war die Rose Luthers Zeichen und so verwendetet er sie (ergänzt durch ein Herz mit Kreuz) ab 1530 als Siegel für seinen Schriftverkehr. Gleichzeitig fungierte die Rose nach und nach als Symbol der evangelisch-lutherischen Lehre und Kirche und wurde Bestandteil unterschiedlicher Wappen.
Die evangelische Kirchenmusik in Leipzig
Auch musikalisch findet sich in Leipzigs Geschichte eine starke Verbindung zur Reformation. 1723 trat der geniale Komponist und Organist Johann Sebastian Bach (1685-1750) die Stelle als Thomaskantor in der Thomaskirche an und behielt sie für 27 schaffensreiche Jahre bis zu seinem Tod. Bach war überzeugter Lutheraner und widmete sich intensiv dem protestantischen Choral.
Die besondere Bedeutung geistlicher Lieder für die evangelische Kirche geht bereits auf Martin Luther zurück, der einmal gesagt haben soll: "Singen ist eine edle Kunst und Übung." Mehr als 30 Kirchenlieder sind heute von Luther überliefert. Viele davon dienten Bach als Basis für mehrstimmige Chorsätze und Orgelbearbeitungen, die auch in der heutigen Zeit nichts von ihrer Ausstrahlungskraft verloren haben. Zu erleben ist dies regelmäßig in der Thomaskirche bei Motetten und Konzerten des weltberühmten Thomanerchors.
Auch der Bach-Wiederentdecker Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) - ebenfalls untrennbar mit Leipzig verbunden - war für die evangelische Kirchenmusik prägend. Der Sohn jüdischer Eltern konvertierte bereits als Kind zum Protestantismus. Seine tiefe Religiosität beeinflusste sein musikalisches Schaffen grundlegend. So komponierte er neben der "Reformationssinfonie" auch die beiden herausragenden Oratorien "Paulus" und "Elias".