Der amerikanische Musikwissenschaftler und Philanthrop Dr. William H. Scheide hatte an seinem 100. Geburtstag das Bach-Archiv Leipzig zum Erben dieses bedeutenden Schatzes seiner Sammlung bestimmt. Das Gemälde wird zur Eröffnung des Bachfestes Leipzig am 12. Juni 2015 in Leipzig in der Nikolaikirche erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ab dem 13. Juni 2015 zieht das Bild dann in die Schatzkammer im Bach-Museum Leipzig, wo es von da an dauerhaft gezeigt wird.
Am 29. April 2015 wurde das Bach-Portrait von E. G. Haußmann unter Anwesenheit von William H. Scheides Familie, dem Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, dem Präsidenten des Bach-Archivs Sir John Eliot Gardiner und dem Direktor Professor Dr. Peter Wollny im Rahmen einer privaten Zeremonie feierlich im Haus der Scheides verabschiedet.
Oberbürgermeister Burkhard Jung: "Dieses Porträt ist mehr als nur ein Bild, in diesem Porträt spiegelt sich Europa und seine Kulturgeschichte. Es war Startkapital für ein neues Leben in einer neuen Welt, es ist Familienerbe, es ist Kindheitserinnerung. Aber vor allem ist es ein Bild, das Bach zeigt, wie er war. Dass dieses Bildnis jetzt wieder nach Leipzig zurückkommt, ist ein großes Geschenk. Mein herzlicher Dank gilt William H. Scheide."
Einziges authentisches Bildnis Johann Sebastian Bachs
Das Haußmann-Portrait ist das einzige authentische Bildnis Johann Sebastian Bachs. Dank William H. Scheide kehrt das berühmte Bach-Portrait des Leipziger Malers Elias Gottlob Haußmann aus dem Jahr 1748 nach 265 Jahren nach Leipzig zurück. Der materielle Wert beträgt 2,5 Millionen Dollar, für Bach-Liebhaber ist der ideelle Wert dagegen nicht zu beziffern.
Das Portrait ist eine Ikone der Musikgeschichte, die wahrscheinlich jeder schon einmal gesehen hat. Laut Quellenlage ist es zudem die einzige verbindliche Abbildung des Komponisten. Sämtliche Bilder, die heute von Bach bekannt sind, gehen auf dieses Gemälde zurück.
Das Bild zeigt Johann Sebastian Bach im Alter von etwa 60 Jahren in förmlicher Pose. In der rechten Hand hält dieser ein Blatt mit dem "Canon triplex à 6 Voc: per J. S. Bach" als Hinweis auf die raffinierte Beherrschung seines Handwerks.
Das Bachportrait im Laufe der Zeit
Haußmann fertigte das Portrait in zwei Exemplaren aus. Das erste (datiert 1746) stammt vermutlich aus dem Erbteil Wilhelm Friedemann Bachs und wurde um 1800 von dem Thomaskantor August Eberhard Müller erworben, der später den Thomanerchor Leipzig zum Besitzer des Bildes bestimmte. Durch missglückte Restaurierungen und Übermalungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat dieses Exemplar stark gelitten - zahlreiche Details sind verloren und die Gesichtszüge Bachs sind unkonturiert und verschattet. Seit 1913 ist dieses Bild im Bach-Zimmer des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig zu sehen.
Das besser erhaltene zweite Original
Wesentlich besser erhalten ist das zweite Original aus dem Jahr 1748. Dieses fasziniert durch seine strahlenden Farben und scharfen Konturen ebenso wie durch eine bewegende Geschichte. Das Bild von 1748 entstammt dem Erbteil von Carl Philipp Emanuel Bach und wurde einst als Teil der umfangreichen Portraitsammlung des zweitältesten Bach-Sohnes in Hamburg ausgestellt. Im Nachlassverzeichnis des "Hamburger Bach" aus dem Jahr 1790 wird es folgendermaßen beschrieben: "Bach (Johann Sebastian) Kapellmeister und Musik-Director in Leipzig. In Oel gemahlt von Haus-mann. 2 Fuß, 8 Zoll hoch, 2 Fuß, 2 Zoll breit. In goldenen Rahmen."
Ab dem frühen 19. Jahrhundert war das Gemälde im Besitz der jüdischen Familie Jenke aus Breslau. Walter Jenke, Nachfahre der einstigen Käufer, musste in den 1930er Jahren aus Deutschland emigrieren. Um das Gemälde vor den Bombenangriffen zu schützen, bewahrte Jenke das Bild auf dem Landsitz der befreundeten Familie Gardiner im englischen Dorset auf.
Sir John Eliot Gardiner, der heutige Präsident des Bach-Archivs und einer der renommiertesten Dirigenten unserer Zeit, konnte so im Angesicht von Bachs Antlitz aufwachsen: "In meiner Kindheit bin ich jeden Tag mehrfach an dem Bild vorbei gekommen. Das war genau die Zeit, in der ich die Bach Motetten auswendig singen lernte. Es ist für mich ergreifend und es fühlt sich so richtig an mitzuerleben, dass das Bild nach über 60 Jahren sein bisheriges Zuhause verlässt und aus dem Wohnzimmer des kürzlich verstorbenen, bedeutenden Bach-Forschers und großen Philanthropen William Scheide zurück nach Leipzig kommt."
1952 erwarb der Bach-Forscher und -Sammler William H. Scheide aus Princeton/New Jersey das Bild bei einer Auktion.
Dr. William H. Scheide
Scheide, der bereits im Bach-Jahr 1985 den Wunsch geäußert hatte, "sein Bach" möge eines Tages nach Hause zurückkehren, hatte dem Leipziger Bach-Archiv anlässlich seines Besuchs beim Bachfest Leipzig 2003 ein exklusives Vorkaufsrecht eingeräumt. Gemeinsam mit seiner Frau Judith bestimmte er schließlich das Bach-Archiv zum Erben des Bildes. Bill Scheide starb am 14. November 2014, als Mitglied des Kuratoriums gehörte er seit 2001 zu den großzügigsten und langjährigsten Förderern des Bach-Archivs Leipzig.
Das Bach-Achiv Leipzig
Das Bach-Archiv Leipzig versteht sich als musikalisches Kompetenzzentrum am Hauptwirkungsort Johann Sebastian Bachs. Sein Zweck ist, Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Komponisten und der weit verzweigten Musikerfamilie Bach zu erforschen, sein Erbe zu bewahren und als Bildungsgut zu vermitteln. Die besondere Stärke des Bach-Archivs liegt in dem Perspektivenreichtum, den es im Zusammenwirken von Forschungsinstitut, Bibliothek, Bach-Museum, künstlerischem Betriebsbüro und Servicefunktionen auf eine der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten der europäischen Kulturgeschichte richten kann. Präsident des Bach-Archivs Leipzig ist der britische Dirigent und Bach-Spezialist Sir John Eliot Gardiner.