Der Gegenstand des Rechtsstreits
In der Sache ging es um insgesamt vier komplexe, derivative Finanztransaktionen, sog. "Collateralised Debt Obligations" ("CDOs"). Diese CDOs wurden der KWL in den Jahren 2006 und 2007 von der UBS verkauft. Die UBS selbst schloss mit der KWL einen dieser CDOs unmittelbar ab. Für die drei weiteren CDOs fand die UBS mit der Depfa und der LBBW Intermediärbanken.
Unter sämtlichen CDOs sollte die KWL Kreditsicherheit für Portfolien von Unternehmenskrediten übernehmen. Die CDOs waren so strukturiert, dass bereits wenige Ausfälle in diesen Portfolien genügten, um ganz erhebliche Zahlungsverbindlichkeiten der KWL gegenüber der UBS bzw. den Intermediärbanken entstehen zu lassen.
Im Zuge der weltweiten Finanzkrise kam es ab dem Jahr 2008 tatsächlich zu Ausfällen in den Portfolien. In der Folge wurde die KWL von UBS, Depfa und LBBW aus den CDOs auf Zahlung von rund EUR 350 Millionen in Anspruch genommen.
Das Urteil des High Court of Justice
Der High Court of Justice hat in seinem heutigen Urteil festgestellt, dass UBS, Depfa und LBBW keinerlei Zahlungsansprüche gegen die KWL zustehen. Damit hat die KWL die Forderungen der drei Banken in Höhe von insgesamt rund EUR 350 Millionen erfolgreich abgewendet.
Dem Urteil ging eine 14 Wochen dauernde mündliche Verhandlung voraus. Vor Richter Males wurden an 42 Verhandlungstagen insgesamt 27 Zeugen der UBS, Depfa, LBBW und KWL vernommen. Im Ergebnis dieser umfassenden und erschöpfenden Beweisaufnahme kam Richter Males zu dem Schluss, dass der vorliegende Fall geradezu ein "Paradebeispiel" dafür sei, "wie ehrliches und faires Investmentbanking nicht betrieben werden sollte". Er stellte fest, dass der zwischen KWL und UBS abgeschlossene CDO aufgrund einer ganzen Reihe schwerwiegender Pflichtverletzungen von UBS-Mitarbeitern rückabzuwickeln sei. Die KWL wird aufgrund dieser Pflichtverletzungen so gestellt, als hätte sie die CDOs niemals abgeschlossen.
Zu diesen schwerwiegenden Pflichtverletzungen zählte Richter Males unter anderem das unangemessen enge Verhältnis zwischen UBS und Value Partners. Bei Value Partners handelte es sich um eine Schweizer Beraterfirma, die KWL engagiert hatte, um sie beim Abschluss der CDOs unabhängig zu beraten.
Tatsächlich stellte der High Court of Justice im Laufe der Beweisaufnahme fest, dass Value Partners mit Vertretern der UBS zusammenarbeiteten: Ziel dieser Zusammenarbeit zwischen UBS und Value Partners war es nach den Feststellungen im Urteil, die CDOs mit KWL um jeden Preis zum Abschluss zu bringen. Beispielhaft nannte Richter Males in diesem Zusammenhang das gemeinsame Bemühen von UBS und Value Partners, die wirtschaftlichen Eckdaten der CDOs geheim zu halten. Der zweite Geschäftsführer der KWL sollte hiervon nichts erfahren. Auch die UBS-internen Überlegungen zu finanziellen Anreizen für Value Partners, mit denen diese dafür belohnt werden sollten, der UBS weitere lukrative Geschäfte zu vermitteln, kritisierte Males.
Darüber hinaus wertete es der High Court of Justice als pflichtwidrig, dass Mitarbeiter der UBS deren interne Kontrollgremien (wie etwa das Kreditrisikokommittee der UBS) in Zusammenhang mit dem Abschluss der CDOs getäuscht hatten: Diese Täuschungen betrafen nicht nur das Rating der KWL, sondern auch den Sinn und Zweck, den KWL mit dem Abschluss der CDOs verfolgte.
Unter anderem deshalb stellte der High Court of Justice in seinem Urteil fest, dass Value Partners im vorliegenden Fall als Vertreter der UBS handelten. Deshalb, so der High Court of Justice, müsse sich UBS das Verhalten der Value Partners zurechnen lassen. Dazu gehört auch die Zurechnung der Bestechung des ehemaligen Geschäftsführers der KWL durch Value Partners. Für diese Bestechung muss die UBS nunmehr rechtlich einstehen.
Weiter hat der High Court of Justice festgestellt, dass sich Value Partners bei der Beratung der KWL in Zusammenhang mit den CDOs in einem Interessenkonflikt befanden. Anders als die KWL hatte die UBS von diesem Interessenkonflikt positive Kenntnis. Richter Males stellte fest, dass die Beziehungen zwischen UBS und Value Partners bei weitem über das hinausgingen, was "eine Bank und ein Finanzberater tun durften", um in der Zukunft weiteres Geschäft zu generieren. Im Ergebnis, so Males, lagen die CDOs nicht im Interesse der KWL.
Der High Court of Justice wies aber nicht nur die Zahlungsklage der UBS gegen die KWL ab. Er wies auch eine gegen die KWL gerichtete Schadensersatzklage der UBS ab. Die UBS hatte geltend gemacht, dass sie aufgrund ihrer eigenen Hedging-Geschäfte (Sicherungsgeschäfte) einen Schaden erlitten hatte und wollte hierfür von der KWL Schadensersatz. Der High Court of Justice stellte fest, dass die UBS diese Schäden durch ihr Verhalten selbst verursacht hat und hierfür von der KWL keinen Ersatz verlangen kann. Der High Court of Justice kam weiter zu dem Ergebnis, dass das Fehlverhalten der UBS auch die mit den Intermediärbanken Depfa und LBBW abgeschlossenen CDOs infiziert hat. KWL hat auch dafür Schadensersatzansprüche gegen UBS.
Im Urteil wird auch die UBS Global Asset Management (UBS GAM) heftig kritisiert. UBS GAM war damit betraut, die CDO-Kreditportfolien der KWL zu verwalten. UBS GAM setzte nach den Feststellungen des High Court of Justice einseitig auf hoch riskante Kredite aus der Finanzbranche und überwachte deren Entwicklung nicht ordentlich. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die Verwaltung der Portfolien durch UBS GAM nicht dem erwarteten Standard entsprach und dass die Verluste in sämtlichen Kreditportfolien allein durch die Pflichtverletzungen der UBS GAM verursacht worden sind.
Nach jahrelangen, kräftezehrenden Rechtsstreitigkeiten in Deutschland und England hat sich die KWL damit umfassend gegen eine internationale Großbank durchgesetzt.
Vertretung KWL: Tim Lord QC, Simon Salzedo QC, Stephen Midwinter, Craig Morrison (Brick Court Chambers)
Noerr LLP: Christine Volohonsky (Federführung), Detlev Strässer, Lucy Holden
Addleshaw Goddard LLP: Michael Barnett (Federführung), Louisa Caswell, Chiz Nwokonkor
In einer ersten Stellungnahme äußert Oberbürgermeister Burkhard Jung: "Jetzt fällt eine riesige Last von der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern ab: Das Risiko der finanziellen Belastungen, die unseren Haushalt über alles bisher Bekannte strapaziert hätten, ist vom Tisch. Das Gericht in London hat klargestellt: Die UBS war für die Bestechung Herrn Heiningers rechtlich verantwortlich. Banker und kriminelle Finanzberater hatten sich zusammen mit einem bestochenen Geschäftsführer die öffentliche Daseinsvorsorge zur Beute machen wollen, das Londoner Gericht hat jetzt hier einen klaren Schlussstrich gezogen und deutlich ausgesprochen, wer die Schuld an diesem Desaster trägt.
Ein anderes Urteil habe ich mir nicht vorstellen können, und es wäre den Leipzigerinnen und Leipzigern auch schwer zu vermitteln gewesen. Es wäre nicht erklärbar gewesen, warum sie in letzter Konsequenz für den kriminellen Eifer einiger Weniger hätten zahlen müssen. So hat das Londoner Gericht ein Urteil gesprochen, das nachvollziehbar ist und sich mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger deckt. Jetzt können wir wieder auf klaren Grundlagen für die Zukunft unserer Stadt planen."
Dr. Norbert Menke, Geschäftsführer der LVV, kommentiert: "Mit großem Respekt und Erleichterung nehmen wir das Urteil von Justice Males zur Kenntnis. Der High Court of Justice hat sich umfassend mit unserem Anliegen auseinandergesetzt. Wir haben uns jederzeit bei dem Gericht gut aufgehoben gefühlt und wurden von den uns unterstützenden Anwälten hervorragend vertreten. Mein Dank gilt der Stadt Leipzig und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KWL und der LVV, die in diesen schwierigen Jahren jederzeit zusammen gestanden haben. Das war für den Erfolg wesentlich."