Seit Jahren gehört das Züricher Schauspielhaus zu den interessantesten Bühnen des deutschsprachigen Raums. Nach den "Physikern" in der vergangenen Spielzeit ist es bereits zum zweiten Mal mit einem Gastspiel am Leipziger Schauspielhaus zu erleben.
Amphitryon kann es nicht fassen. Wer hat seinen Platz bei Alkmene eingenommen, seinen Namen, seine Erscheinung, ohne dass sie selbst oder ein anderer den Betrug bemerkte? Wer wagte es, sich auszutauschen gegen ihn, ihn zu ersetzen, wenn er doch in allem ihm, Amphitryon, glich? Nicht einmal Jupiter selbst, der das Doppelgängerspiel angezettelt hat, um Amphitryon die Frau auszuspannen, bleibt von den bösen Folgen verschont. Denn wo bleibt der Gott, wenn es die abgöttische Liebe zu ihrem Mann war, die Alkmene in seine Arme getrieben hat? Am schmerzlichsten spürt der Diener Sosias, wer er ist, als er von seinem Doppelgänger - Merkur - wie ein Hund aus dem Haus geprügelt wird.
Kleists Figuren wissen nicht mehr, wer sie sind, sie wissen weder ein noch aus noch, wem sie angehören. Das Kleist-Personal gerät in eine Identitätskrise, die im Verlust der Identität ihren Höhepunkt findet. Die Strukturen, die über das menschliche Leben bestimmen, sind nicht mehr verlässlich. Karin Henkel treibt in ihrer Inszenierung Kleists existenzielles Verwirrspiel auf die Spitze und tief in den Abgrund hinein, in dem nicht nur Sosias und Amphitryon, sondern auch alle anderen Figuren verdoppelt, vervielfacht werden. Und schließlich das Stück selbst noch eine Verdoppelung erfährt. "Wie find ich nur aus diesem Labyrinth?"
Franz Wille, Chefredakteur von "Theater heute", beschreibt den Abend folgendermaßen: "Bei Kleist ist Verwechslung und Verdoppelung die Ausnahme von der Regel; in Karin Henkels Zürcher "Amphitryon" funktioniert es genau andersherum: Der Wunsch nach dem einmaligen, identischen Ich ist der Sonderfall, der den Rahmen sprengt und am Ende gar nicht mehr aufgeht. Es fehlt nämlich beim finalen Durchzählen ein Schauspieler: Für sechs Rollen sind nur fünf Akteure auf der Bühne. Wie soll da jeder ein anderer und gar ein eigener sein?"
Der Züricher Tagesanzeiger schrieb: "'Amphitryon', ein komödiantisch exakt durchchoreografiertes 'Ach', nachtschwarz, und eh schwärzer als der Humor jedes Verwechslungsdramas."
Infos
Gastspiel von Amphitryon und sein Doppelgänger nach Heinrich von Kleist am 4. und 5. Februar 2015.
19:30 Uhr Schauspielhaus Große Bühne. Einführung 19 Uhr.
Karten sind unter Telefon 0341 1268-168 erhältlich.