Ehrenamt: Zukunfts- oder Auslaufmodell?
Die Stadt Leipzig hat eine lange Tradition als Bürgerstadt und eine vielfältige Landschaft an Institutionen, Initiativen, Vereinen und Verbänden. Das lebendige ehrenamtliche Engagement steht für gesellschaftliche Teilhabe und die besondere Lebensqualität unserer Stadt.
Gleichzeitig stehen viele Vereine und Initiativen vor großen Herausforderungen: Gravierende strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt, steigende Nebenkosten bei geringeren finanziellen Mitteln sowie Schwierigkeiten beim Generationenwechsel sind nur einige der Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Anforderungen trotz knapper kommunaler Kassen zu begegnen? Wie können Rahmenbedingungen für das Ehrenamt verbessert und eine neue Anerkennungskultur geschaffen werden?
Bereits seit Januar 2013 gibt es Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und Vertreterinnen und Vertretern der Leipziger Vereinslandschaft. Am 17. Juli 2014 wurden die anspruchsvollen Themenbereiche mit verschiedenen Akteuren in einer öffentlichen Abendveranstaltung diskutiert.
Forum Bürgerstadt Leipzig diskutiert Grundsatzbeschluss zur Engagementförderung
Am 1. Dezember 2014 diskutierten etwa 40 Interessierte im Rahmen des Forums Bürgerstadt Leipzig das Thema Engagementförderung in der Volkshochschule. Anlass der Diskussion war der geplante Grundsatzbeschluss des Stadtrates zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement. Die Ziele dieses Beschlusses sind folgende:
1. Politik und Verwaltung haben das gemeinsame Ziel, das Engagement zu fördern.
2. Die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement werden verbessert.
3. Das freiwillige Engagement wird in der gesamten Stadtverwaltung gemeinsam gefördert und ist eine Querschnittsaufgabe.
4. Das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen und Unternehmen wird und soll in Zukunft wachsen.
In vier Arbeitsgruppen wurden an diesem Nachmittag verschiedene Fragestellungen diskutiert. Die Teilnehmenden stimmten dem geplanten Beschluss grundsätzlich zu, kritisierten aber auch die Dauer des Prozesses.
Als positiv wurde gesehen:
- Dass ein Grundsatzbekenntnis geplant ist
- Dass der Zuwendungsbericht künftig detaillierter und übersichtlicher aufbereitet werden soll. Im Zuwendungsbericht sind alle städtischen Förderungen, die an Vereine und Verbände gezahlt werden, veröffentlicht.
Allgemeine Hinweise zum geplanten Grundsatzbeschluss waren:
- Das Engagement junger Menschen sollte besonders gefördert werden.
- Auch Gruppen, die nicht in Vereinen organisiert sind (z. B. Initiativen, Selbsthilfegruppen) sollen künftig einbezogen werden.
- Bei der Förderung soll die Gemeinwohlorientierung Vorrang haben.
- Die Ziele des Beschlusses sollten bereits detailliert mit Handlungsansätzen und Maßnahmen beschrieben werden.
- Für die Ziele und Inhalte des Grundsatzbeschluss, die über die bisherige Förderung von Vereinen, Verbänden, Initiativen und Projekten hinausgehen, muss die Finanzierung noch geklärt werden.
- Die Vertreter sollen bei der Erarbeitung einer Engagementstrategie von Anfang an dabei sein und auch externe Experten aus anderen Kommunen sollten einbezogen werden.
- Ein Engagement-Beirat sollte eingerichtet werden.
- Auch hier galt der Grundsatz, dass bei einer Engagementstrategie das Gemeinwohl im Zentrum stehen sollte (vgl. Gruppe 1).
- Als erster Schritt sollte ein Vorschlag zum Vorgehen von einer kleineren Gruppe erarbeitet werden, die die Engagementstrukturen und die gemeinnützigen Organisationen in Leipzig gut kennt. Diese Gruppe sollte auch die Fragestellungen für eine Diskussion in größerem Rahmen bündeln.
- Bis das Konzept schließlich erarbeitet ist, sind jedoch Sofortmaßnahmen notwendig.
- Wünschenswert wäre eine „Leitstelle“ (z.B. ein Fachbeirat), die auf übergeordneter Ebene im Bereich Engagementberatung arbeiten sollte.
- Selbsthilfegruppen und Initiativen sollten mit berücksichtigt werden.
- Es braucht einen festen, ersten Ansprechpartner („Kümmerer“) in der Stadtverwaltung, damit die Engagierten nicht von Amt zu Amt verwiesen werden müssen.
- Engagement braucht den emotionalen Bezug.
- Engagement, Ziel und persönliche Veranlagung müssen zusammenpassen.
- Um für Engagement zu werben, muss man sich mit der Sache identifizieren.
- Klima und Chemie müssen in der Gruppe der Engagierten stimmen.
- Anerkennung sowie persönliche Bestätigung sind elementar.
Vereine und Verbände diskutieren Aktualisierung der Förderrichtlinie für Vereine
Am 20. Oktober 2014 trafen sich im Stadtbüro Vertreter und Vertreterinnen von gemeinnützigen Vereinen und Verbänden, um die geplante Überarbeitung der Förderrichtlinien für Vereine zu diskutieren. Als externe Beraterinnen des Prozesses brachten Angelika Kell (Stiftung Bürger für Leipzig) und Barbara Ditze (Stiftung.Beratung.Management) ihre Fachkenntnisse ein und moderierten das Treffen.
Vertreten waren der Sportbund, der Ökolöwe e.V., die Caritas in Vertretung für die Arbeitsgruppe Wohlfahrtspflege, der Seniorenbeirat, der Bürgerverein Schönefeld in Vertretung der Bürger- und Heimatvereine, der Behindertenverband Leipzig sowie das soziokulturelle Zentrum Villa in Vertretung der Arbeitsgruppe Freie Träger. Bereits im Vorfeld gingen etliche Stellungnahmen und Hinweise zur Überarbeitung der Richtlinie im Referat Grundsatzfragen im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters ein. Maud Krumbach vom Geschäftsbereich gab eine Einführung zum allgemeinen Arbeitsstand. Neben ihr stand auch Christine Weiße vom Dezernat Finanzen für inhaltliche Rückfragen bereit. Nach zweieinhalb Stunden intensiver und konstruktiver Auseinandersetzung konnten hilfreiche Anregungen für die Neufassung mitgenommen werden. Ende des Jahres plant der Stadtrat die überarbeitete Rahmenrichtlinie zu beschließen.
Stadt überarbeitet Richtlinie für die Förderung von Vereinen
Aktuell wird die Rahmenrichtlinie für die Förderung von Vereinen überarbeitet. Ihre Neufassung wird derzeit von den verschiedenen Fachbereichen mit Vertreterinnen und Vertretern von Vereinen und Verbänden diskutiert und weiterentwickelt. Die Rahmenrichtlinie ist die allgemeine Grundlage für die Vergabe von Zuwendungen der Stadt Leipzig an Vereine, Verbände, Träger, Initiativen etc. Auf ihrer Basis kommen die jeweiligen Fachförderrichtlinien für die verschiedenen Bereiche zum Einsatz und regeln konkret die Bedingungen, unter denen eine Förderung beantragt werden kann.
Die Überarbeitung soll vor allem zu einer Vereinfachung und Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse beitragen. Ein weiteres wichtiges Ziel wird sein, gezielt Anreize für eine stärkere Zusammenarbeit der Vereine untereinander zu schaffen. Auch die noch stärkere Fokussierung auf Sozialräume spielt in der laufenden Diskussion eine wichtige Rolle.
Zukunftsreihe am 17. Juli 2014
Über die schwierige Lage vieler Vereine diskutierten Oberbürgermeister Burkhard Jung, Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Vereine und der Stadtverwaltung sowie etwa 160 Interessierte Mitte Juli im Haus der Stadtmission am Lindenauer Markt. Der Wegfall der beschäftigungsfördernden Maßnahmen trifft viele Vereine und kann nicht von der Stadt kompensiert werden. Ein notwendiger Strukturwandel in der Engagementlandschaft muss jedoch gemeinsam bewältigt werden: in Kooperation zwischen den Vereinen und mit der Stadt, aber auch weiteren starken Partnern, wie Leipziger Unternehmen. Nach einer Einführung von Burkhard Jung diskutierten die Teilnehmer in drei Runden.
Schon vor der Veranstaltung konnten die Leipzigerinnen und Leipziger Fragen zu ihrem Engagement beantworten. In der unten stehenden Bildergalerie oder in diesem PDF (3,3 MB) können Sie die Ergebnisse sehen.
Vor der Veranstaltung hatten die Besucher die Gelegenheit, an Tafeln Aussagen zu Ihrem Engagement zu machen. Erstaunlich: die Mehrheit der Teilnehmenden engagierten sich über 20 Stunden im Monat.
Bilder vergrößert anzeigenZu Beginn der Veranstaltung konnten die Teilnehmenden Fragen über ihr Engagement beantworten. Die Mehrzahl engagiert sich in Vereinen.
Bilder vergrößert anzeigenBeeindruckend: Der Großteil der Teilnehmenden engagiert sich über 20 Stunden im Monat.
Bilder vergrößert anzeigenWomit haben Vereine am meisten zu kämpfen? Viele Vereine haben Probleme bei der Nachwuchsgewinnung und mit der Finanzierung.
Bilder vergrößert anzeigenBesucher, die sich (noch) nicht engagierten, überlegten sich, an welchem Bereich Sie Interesse hätten.
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Hintergrund der Veranstaltung
Seit Anfang 2013 ist die veränderte Landschaft der Beschäftigungsförderung Anlass für Gespräche der Verwaltung mit Vertretern von Leipziger Vereinen. Im Oktober 2013 entstand daraus auch ein Workshop zur "Zukunft der Vereine". Die Veranstaltung "Leipzig weiter denken" war nun eine weitere Plattform, die diesen Austausch befördern soll.
Die Stadt Leipzig unterstützt Leipziger Vereine schon heute in hohem Maß: Über 25 Mio. Euro jährlich erhalten Vereine und Verbände. Hinzu kommen weitere rund 188 Mio. Euro aus den gesetzlich geregelten Pflichtaufgaben der Stadt, die von Vereinen übernommen werden, wie z. B. der Betrieb von Kindertagesstätten. Gefördert werden überwiegend konkrete Projekte, nur in begrenztem Maß Institutionen. In Ausnahmefällen gibt es Rahmenvereinbarungen für langjährige Maßnahmen. Die Schwerpunkte der Förderungen setzt der Stadtrat.
Oberbürgermeister Burkhard Jung betonte, dass das Ehrenamt kein Auslaufmodell sei, aber das schrittweise Wegfallen der Beschäftigungsförderung seit 2011 bei den Vereinen Zukunftsfragen ausgelöst habe. Im Mittelpunkt stand und steht dabei die Frage: Wieviel Hauptamt braucht das Ehrenamt?
Wichtig ist es Burkhard Jung für die Zukunft vor allem, dass die Zusammenarbeit mit den Leipziger Vereinen eine neue Qualität erreicht. Aus diesem Grund entsteht derzeit eine Vorlage für den Stadtrat zur Engagementpolitik. Weiterhin wird die Rahmenrichtlinie zur Förderung von Vereinen mit dem Ziel überarbeitet, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen. Darauf aufbauend können im zweiten Schritt dann auch die Fachförderrichtlinien überarbeitet werden.
Auch zum Netzwerken war Zeit.
Bilder vergrößert anzeigenDie Diskussion im Haus der Stadtmission fand in drei Runden statt. Die Diskussionen an den Stehtischen hatten folgendene Theman: Probleme der Vereine, mögliche Unterstützung durch die Stadt und mögliche Zukunftsvisionen.
Bilder vergrößert anzeigenDikussion an Tisch 1: Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen stellen Ihre Probleme vor.
Bilder vergrößert anzeigenDiskussion an Tisch 2: Wie kann die Stadt das Ehrenamt unterstützen?
Bilder vergrößert anzeigenWelche Zukunftsvisionen gibt es für das Ehrenamt in Leipzig? Hildegunde Rech aus Wiesbaden stellt ein Modellprojekt vor, in dem Unternehmen mit Vereinen und Initiativen zusammenarbeiten.
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Runde 1: Wo sind die Probleme der Leipziger Vereine?
Die Diskussion am ersten Podiumstisch über die Probleme der Leipziger Vereine bestätigte im Grundsatz den von Oberbürgermeister Burkhard Jung formulierten Eindruck: Der Wegfall von Beschäftigungsmaßnahmen trifft vor allem die Vereine, die seit den 1990er Jahren diese Instrumente zur Schaffung von Stellen eingesetzt haben. Denn die Erfahrung lautet: Ehrenamt braucht Hauptamt. Das beschrieb z. B. Ulrike Bernard, Geschäftsführerin des Hauses Steinstraße, am Beispiel des Ferienprojektes "Stadt in der Stadt". Die 80 bis 120 Ehrenamtlichen müssen durch hauptamtliche Mitarbeiter betreut werden. Auch Nico Singer vom Umweltverein Ökolöwe e.V. bestätigt dies: Als Geschäftsführer hält er Arbeitsförderungsmaßnahmen für Umweglösungen, die beiden Seiten nutzen: Die Geförderten qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt und die gemeinnützigen Vereine erhalten Unterstützung. Ähnliche Erfahrungen macht Prof. Gothild Lieber, Sprecherin des Seniorenbeirats, im Bereich der Seniorenvereine. Diese haben, ähnlich wie andere Vereine, ein weiteres Problem: Die Nachwuchsgewinnung, insbesondere bei Funktionsträgern.
Manfred Laske vom Sportverein Grün-Weiß Miltitz e. V. erläuterte die besondere Situation der Sportvereine: Aufgrund der veränderten Arbeits- und Schulzeiten werden Übungsleiter und Sportanlagen vor allem am späten Nachmittag und frühen Abend gebraucht. Die Sportvereine können diesen konzentrierten Bedarf nur schwer decken. Auch die Pflege der Sportanlagen wurde bisher u. a. über Beschäftigungsförderung geleistet.
Blick von außen: Dr. Serge Embacher
Dr. Serge Embacher, der als Politikwissenschaftler und Publizist einen guten Überblick über die bundesweiten Entwicklungen im Ehrenamtsbereich hat, kommentierte die Leipziger Bestandsaufnahme: Die enge Verknüpfung von Arbeitsmarktförderung und Vereinsaktivitäten sei eine Besonderheit in Ostdeutschland, die in Leipzig besonders ausgeprägt sei. Bundesweit agierten hingegen etwa 80 Prozent aller Vereine ohne Ehrenamt, zwei Drittel sogar ohne jegliche staatliche Förderung. Er warnte vor der anhaltenden Verknüpfung von Beschäftigungsförderung und Ehrenamt, weil damit die Gefahr der "Monetarisierung des Ehrenamts" bestehe.
Paula Hofmann ist Vorstand im Förderverein Bülowviertel e. V., der ohne Hauptamtliche auskommt. Für die Pflege eines Naturraumspielplatzes oder z. B. auch die Durchführung eines Straßenmusikfestivals gibt es immer genug Helferinnen und Helfer. Das kleine Quartier sowie wenige und projektorientierte Aufgabenstellungen passen offensichtlich gut in die heutigen Vorstellungen von Ehrenamt.
Runde 2: Wie kann die Stadt Leipzig das Ehrenamt unterstützen?
An Tisch 2 diskutierten die Fachbürgermeister Prof. Dr. Thomas Fabian (Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule), Heiko Rosenthal (Umwelt, Ordnung, Sport) und Michael Faber (Kultur) sowie die Mitgründerin und Vorstandsvorsitzende der Stiftung "Bürger für Leipzig", Angelika Kell, wie die Stadt Vereine in ihrer Arbeit bereits unterstützt und auch künftig qualifiziertes Ehrenamt fördern kann.
Die Fachbürgermeister legten Wert darauf, dass sich die Problemlagen von Verein zu Verein stark unterscheiden. Im Sozial- und Jugendbereich gibt es gute Erfahrungen mit Vereinen, die es schaffen, Ehrenamtliche zu aktivieren oder aktiv und dauerhaft Geld für ihre Arbeit einzuwerben. Eher die kleinen Vereine stehen hier unter Veränderungsdruck. Im Sportbereich ist teils eine zeitgemäße Strukturanpassung notwendig, um die Potenziale vereinseigener Infrastruktur, vereinsübergreifender Sportanlagen und aktiver, möglichst langfristiger Mitgliederentwicklung zu nutzen. Im Kulturbereich spielt zunehmend auch der Blick auf die unterschiedlichen Sozialräume eine wichtige Rolle: Teilräume im Süden und Westen sind kulturell gut versorgt, der Osten und Norden eher weniger.
Wenn ich Fachbürgermeisterin für Engagementpolitik in Leipzig wäre...
"Meine erste Aufgabe wäre, gemeinsam mit den Vereinen und der Politik aufzuschreiben, was wir als Strategie brauchen. Dazu gehört es auch, Schwerpunkte zu setzen." Indem Angelika Kell sich in die Rolle einer (nicht existenten) Fachbürgermeisterin für Engagementpolitik versetzte, empfahl sie der Stadt drei Ansätze: In Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Vereinen sei eine Ehrenamtsstrategie zu entwerfen, in Pension gehende Mitarbeiter der Verwaltung und aller kommunaler Unternehmen könnten gezielt für das Ehrenamt geworben und Unternehmen noch stärker als Unterstützer von Vereinen mobilisiert werden.
Ergänzt wurden diese Vorschläge durch die Kurzpräsentation von Ergebnissen eines Bürgergutachtens zur Engagementförderung in Leipzig.
Runde 3: Zukunftsvisionen des Ehrenamts
Die Empfehlung von Angelika Kell, Unternehmen als Unterstützer stärker als Partner zu gewinnen, wurde an Tisch 3 vertieft erörtert. "Wiesbaden engagiert" diente der Anregung. Hildegunde Rech, Leiterin der Abteilung Jugendarbeit des Amtes für soziale Arbeit der Stadt Wiesbaden, berichtete von fast 15 Jahren eingeübter Kooperation mit Unternehmen zur Förderung des Gemeinwesens. Dabei steht nicht die Akquisition von Finanzmitteln im Mittelpunkt, sondern vor allem die ganz pragmatische Lösung von Problemen insbesondere im Sozial- und Jugendbereich. Mittlerweile unterstützen über 140 Unternehmen mit Knowhow und Personalressourcen verschiedene Projekte und Vereine. Erfolgsfaktoren seien dabei ein prominenter Botschafter aus der Wirtschaft, klare Vereinbarungen über das unternehmerische Engagement und ein individueller Mehrwert bei den Unternehmen.
Diese Erfolgsfaktoren bestätigte Gudula Kienemund, die Geschäftsführerin der KulturPaten Leipzig. Die KulturPaten zielten auf konkrete Hilfestellung in und für Kultureinrichtungen, sei es die kurzfristige Hilfe bei einer Vereinsgründung oder die mittelfristige Unterstützung bei einer Marketingstrategie. Auch hier stehen also die praktischen Unterstützungsleistungen und nicht die Geldmittel im Fokus.
Mit Alexander Malios, Inhaber von Malios Immobilien GmbH, stand ein Botschafter für das unternehmerische Engagement im Sozialbereich am Tisch. Sein Engagement bei der Leipziger Kinderstiftung begründete er damit, dass er der Stadt, die ihm seit 30 Jahren Lohn und Brot bietet, etwas zurückgeben möchte. Sein Engagement hat, wie bei den meisten Unternehmen, eine Voraussetzung: Er möchte ganz genau wissen, welche Projekte damit gefördert würden. Eine Mitwirkung an einem eher anonymen Gemeinwohlfonds könne er sich daher nicht vorstellen.
Birgit Höppner-Böhme, Geschäftsführerin der Freiwilligen-Agentur Leipzig e. V. nahm die Anregungen auf: Bestimmte Leipziger Formate leisteten bereits einen guten Beitrag, wie z. B. das Angebot des "social day", der "Soziale Marktplatz" und andere. Sie geht aber davon aus, dass auch in Leipzig noch mehr unternehmerisches Engagementpotenzial zu heben sei. Was bisher noch fehle, sei die Kontinuität und dauerhafte verlässliche Partnerschaften mit den Unternehmen.
Der unten stehende Filmbeitrag aus Wiesbaden besteht aus Ausschnitten der Auftaktveranstaltung (2000) zum Start der Plattform für Unternehmenskooperationen und von "Wiesbaden engagiert" (2010) zum 10-jährigen Jubiläum des Projekts.
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Empfehlungen für Leipzig
Dr. Serge Embacher empfahl in seinem Abschlusskommentar der Stadt Leipzig, eine Strategie der Engagementförderung zu entwickeln. Die Zukunft liege, so Embacher, in der Zusammenarbeit der drei Sektoren: Staat, Unternehmen und Bürgergesellschaft, die alle einen Beitrag leisten müssten. Für den gemeinsamen Erfolg müssten verlässliche Formen der Zusammenarbeit institutionalisiert und eine Diskussionskultur eingeübt werden, bei der auf Augenhöhe kommuniziert werde. Von der Vorstellung, dass Beschäftigungsförderung künftig noch eine große Rolle spielen kann, solle man sich hingegen verabschieden.
Weiterhin regte er an, die Freiwilligen-Agentur als Kristallisationsort der Engagementpolitik weiter auszubauen: Neben der heute schon übernommenen Aufgaben der Vermittlung, Vernetzung und Qualifizierung könne sie in die Rolle einer zentralen Anlaufstelle für alle – Staat, Unternehmen und Bürgerschaft – hineinwachsen.
Während der Diskussion an den drei Tischen brachten die Teilnehmer vielfältige Fragen und Anregungen ein, die Sie in der folgenden Bildergalerie dokumentiert finden. Die Anregungen können Sie auch hier (PDF 2,6 MB) herunterladen.
Welche Probleme gibt es für Ehrenamt und Vereine in Leipzig?
Bilder vergrößert anzeigenTeilnehmende der Zukunftsreihe haben während der Veranstaltung Ideen und Fragen über Moderationskarten in den Raum gegeben.
Bilder vergrößert anzeigenWelche Zukunftsvisionen haben Sie für das Ehrenamt und Vereine? Anregungen der Teilnehmenden auf Moderationskarten.
Bilder vergrößert anzeigen
Wie kann es weiter gehen?
Oberbürgermeister Burkhard Jung zog am Ende der Veranstaltung Bilanz: "Überfordern Sie die Stadt Leipzig nicht: Die Stadt wird die fehlende Arbeitsmarktförderung nicht kompensieren können!" Der anstehende Strukturwandel in der Engagementlandschaft könne nur partnerschaftlich gelingen. Dabei sieht Burkhard Jung folgende Aufgaben für Vereine und Stadt.
Die Verantwortung der Vereine liegt darin,
- die Mitgliederbasis zu vergrößern und auch die nicht aktiven Mitglieder weiter zu pflegen
- die bestehenden Vereinsstrukturen kritisch zu überprüfen und ggf. zu verändern
- professionelle Partnerschaften mit der Wirtschaft zu entwickeln
Die Aufgaben der Stadt liegen darin,
- das Ehrenamt angemessen zur würdigen. Dafür sollen neben den bisherigen, erfolgreichen Formen, wie zum Beispiel "Ehrenamtspass" und JULEICA neue Formate entwickelt werden. Dies bedeute auch eine Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Vereinsvertretern auf Augenhöhe.
- die Überarbeitung der Rahmenrichtlinie zur Vergabe von Zuwendungen. Dies soll zum einen zu einer Vereinfachung und Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse beitragen. Zum anderen sollen in der Richtlinie künftig auch gezielt Anreize für stärkere Zusammenarbeit der Vereine aufgenommen werden. Dabei werde auch die stärkere Fokussierung auf Sozialräume eine Rolle spielen. Der Entwurf der Rahmenrichtlinie solle nach Möglichkeit im Herbst diesen Jahres mit einigen Vereinsvertretern diskutiert werden.
- Das Stadtbüro soll künftig verstärkt als Anlaufstelle für Vereine, Initiativen und Selbsthilfegruppen dienen. Damit könne sich das Stadtbüro zur Schnittstelle zwischen Verwaltung und bürgerschaftlichem Engagement entwickeln.
- Außerdem soll geprüft werden, ob eine Service-Internetplattform eingerichtet werden kann.
In einer Stadtratsvorlage zur Engagementförderung werden diese Aufgaben mit aufgenommen. Für die anstehenden Aufgaben wünscht sich Burkhard Jung eine kooperative Zusammenarbeit und eine weitere Professionalisierung der Freiwilligenagentur, um ihr Know-how noch stärker in den Prozess mit einbringen zu können. Die reiche Vereinslandschaft solle bewahrt und zukunftsfähig aufgestellt werden.
Über die weiteren Schritte des gemeinsamen Prozesses werden wir an dieser Stelle informieren.