Fachgespräch: Leipzig wächst - die digitale Stadt
Am 22. November 2016 haben etwa 40 Fachleute aus Unternehmen, Wissenschaft und Stadtverwaltung im Basislager Coworking die Auswirkungen und Möglichkeiten der Digitalisierung für Leipzig diskutiert. Denn: Das Handlungsfeld Digitalisierung berührt als Querschnittsthema alle Lebens- und Verwaltungsbereiche. Hiermit sind viele neue Chancen und Herausforderungen verbunden, die in der Leipziger Stadtentwicklung aufgegriffen werden. Ziel ist es, gesamtstädtische Strategien zur Digitalisierung zu entwickeln, die zur Gestaltung einer effizienten, sozial inklusiven und technologisch innovativen Stadt beitragen. Leipzig nimmt bereits am EU-Projekt Triangulum teil, bei dem Ansätze der sogenannten "Smart City" unter anderem im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) untersucht werden.
Nach zwei Einführungsvorträgen zu den Themen moderne Verwaltung und Digitalstrategien diskutierten Vertreter/-innen der Stadtverwaltung, der Tochterunternehmen der Stadt mit Fachpartnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zu folgenden Fragestellungen:
- Welche Erfahrungen hat Ihre Organisation/ Ihr Unternehmen bislang zum Thema Digitalisierung gemacht?
- Wie nutzen Sie die Vorteile? Wo sehen Sie Nachteile? Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Stadt als Partner und Steuerer?
- Wie und in welchen Bereichen verändert die zunehmende Digitalisierung die Rolle der Stadtverwaltung?
Einführungsvortrag: Leipzig auf dem Weg zu einer modernen Verwaltung
Die Stadt Leipzig zeichnet sich durch eine Reihe von Stärken und Potenzialen aus, die einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft leisten können. Hierbei kommt es nicht nur auf ein quantitatives Wachstum an. Es sind vielmehr die qualitativen Aspekte, die eine Verstetigung des Wirtschaftswachstums befördern können. Ulrich Hörning, Bürgermeister und Beigeordneter für Allgemein Verwaltung der Stadt Leipzig, führte in die Thematik "moderne Verwaltung" ein. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das System Stadt sind vielfältig und führen zu möglichen "Trade-offs" (gegenläufige Abhängigkeiten). So gilt es stets, den jeweiligen Kosten-Nutzen-Aufwand im Einzelfall gut abzuwägen, so zum Beispiel die Verbesserung der Servicequalität im Gegensatz zum Datenschutz oder auch die Möglichkeiten der demokratischen Mitsprache im Gegensatz zur Gefahr eines "Shit-Storms". Eine moderne Verwaltung bietet unkompliziert bürgernahe Servicelösungen wie zum Beispiel elektronische Bezahlung oder Bürgerportale an und organisiert ihre Arbeitsabläufe zunehmend auf IKT-Basis. Sie zeichnet sich auch dadurch aus, gezielte Impulse zu setzen, zum Beispiel durch Förderung von Netzausbau, Ermöglichung von "smarter Infrastruktur" im öffentlichen Raum durch Dritte, Einrichtung eigener E-Government-Dienste oder Bereitstellung von Open Data. Darüber hinaus kann die Stadtverwaltung aufgrund der rechtlichen Schutzbestimmungen nur eingeschränkt die Digitalisierung der Lebens- und Funktionsbereiche der Stadt steuern und planen. Vielmehr liegt die Initiative dafür in der Hand von Unternehmen, Bürger/-innen und Institutionen.
Einführungsvortrag: Die Digitalisierungsstrategie der Stadt Köln
Im Anschluss gab Tanja Krins, von der Geschäftsstelle Digitale Agenda Köln, Einblicke in die Digitalstrategie der Stadt Köln. Laut dem einem Digitalisierungsranking des Netzwerkes PricewaterhouseCooper (pwc) steht die Stadt Köln aufgrund überdurchschnittlicher Kennwerte in den Bereichen OnlineWillkommenskultur, Online-Mitbestimmung beim Bürgerhaushalt, Online-Ratsinformationssystem, Breitbandversorgung auf dem ersten Platz in Deutschland. Damit verfügt Köln über herausragende Standortmerkmale, um im Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen, Gewerbesteuereinnahmen, Beschäftigtungszuwächse und so weiter mit anderen Metropolregionen zu bestehen.
Auf Grundlage des 2011 beschlossenen Konzeptes "Internetstadt Köln" wurde die erste digitale Agenda einer deutschen Großstadt ins Leben gerufen, die den digitalen Wandel in den vielschichtigen Handlungsfeldern der Stadtgesellschaft aktiv begleiten und unterstützen soll. Seit 2016 erfolgt die Fortschreibung unter dem Titel "Digitalstrategie Köln", die als langfristiger Gesamtrahmen an die bisherigen Erfolge anknüpft und aktuelle Herausforderungen berücksichtigt.
Unter dem Motto "vernetzt Denken und Handeln" gilt es, die bestehenden Initiativen, Strategien, Maßnahmen und Projekte besser miteinander zu verzahnen sowie lokale bis internationale Unternehmen systematisch am Digitalisierungsprozess zu beteiligen. Dieser Prozess soll noch transparenter als bisher gegenüber der Stadtgesellschaft gestaltet werden. Dabei wird sich immer die Frage gestellt: "Wem soll es dienen?". Im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens ist zunächst die Benennung von digitalen Lotsen/-innen für die Verwaltung sowie die Einrichtung einer gemeinsamen Plattform geplant. Nach kontinuierlicher Vorbereitung der Themen soll einmal pro Jahr die Zusammenkunft auf oberster Leitungsebene erfolgen ("Digitaler Stadtgipfel Köln"), um die "digitale Daseinsvorsorge" gemeinsam weiterzuentwickeln.
Ferner erprobt die Stadt Köln auch gemeindegrenzenübergreifende Digitaldienste, zum Beispiel bei der Kfz-Zulassung. Die Kosten für den Digitalisierungsprozess erschweren oft die Durchsetzung, weil die hiermit verbundenen mittel- bis langfristigen Kostenvorteile nur schwer zu ermitteln sind.
Im Gespräch mit den Teilnehmer/-innen: Fragen und Antworten
In einer anschließenden Diskussionsrunde konnten die Teilnehmer/-innen des Werkstattgesprächs Ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema teilen. Die Ergebnisse der einzelnen Fragen haben wir für Sie zusammengestellt:
Welche Erfahrungen hat Ihre Organsation, beziehungsweise Ihr Unternehmen bislang zum Thema Digitalisierung gemacht?
Die Wirtschaftsakteure orientieren sich hinsichtlich des Nutzens von IT (Informationstechnologie) vornehmlich auf ihr eigenes Unternehmen. Laut Aussage der Internationalen Handelskammer (IHK) kommt mittlerweile jede dritte Gewerbeanmeldung aus dem IT-Bereich. Wirtschaftsförderung und -verbände unterstützen die Unternehmen, sich den Herausforderungen des digitalen Wandels zu stellen.
Gemeinnützige Vereinigungen wie die Social Impact Lab gGmbH beraten Gründer/-innen bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle durch Beratungs-, Coaching- und Vernetzungsangebote. Andere Initiativen begreifen die Digitalisierung als Chance und bemühen sich um den Aufbau frei zugänglicher (offener) Daten und Social-Media-Informationskanäle.
Die Hochschulen weisen je nach Fachrichtung unterschiedliche Affinitäten zur Digitalisierung auf. Hierbei gilt es, entsprechendes "Gründer-Wissen" an die Studierenden zu vermitteln. Des Weiteren bietet die Volkshochschule unter anderem Kurse zum richtigen Umgang mit dem Internet und zum Datenschutz für unterschiedliche Zielgruppen an.
In vielen Bereichen der Stadtverwaltung wird der Digitalisierungsprozess zunehmend sichtbar. Vielfältige Daten, Karten und Informationen werden als frei zugängliche Daten für die Bürger/-innen verfügbar gemacht. Einige Behördengänge können mittlerweile online getätigt werden. Verkehrsangebote, multimodale Angebote sowie weitere kundenorientierte Fahrgastinformationen sind im Internet verfügbar.
Wie nutzen Sie die Vorteile? Wo sehen Sie Nachteile? Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Stadt als Partner und Steuerer?
Die Digitalisierung bedeutet zunächst einmal eine deutliche Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter/-innen in Verwaltung, Wirtschaft und weiteren Organisationen/ Institutionen auf der einen sowie für Endverbraucher/-innen und Bürger/-innen auf der anderen Seite. Die hiermit verbundenen Vorteile wie zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten, digitale Service- und Kommunikationsformate, elektronische Management- und Informationssysteme ermöglichen beschleunigte Verfahren, effizientere Arbeits- und Steuerungsprozesse sowie eine Optimierung der dabei einzusetzenden Ressourcen. Digitalisierung wird nicht per se als Arbeitsplatzvernichter gesehen. Stellenprofile und Aufgaben sollten sich anpassen. Aus der Digitalisierung heraus entwickeln sich auch neue Berufsbilder.
Mit der Digitalisierung können sich neue Geschäftsfelder eröffnen und neue Nutzergruppen/ Kunden erschließen, womit positive Effekte auf die Wirtschafts- und Beschäftigtenentwicklung verbunden sein können.
Die Stadtverwaltung kann Behördengänge und Verwaltungsabläufe bürgerfreundlicher und schneller regeln und gegenüber der Bürgerschaft sichtbarer auftreten. Dies erhöht die Transparenz des Verwaltungshandelns und fördert die Akzeptanz bei den Bürger/-innen. Durch Online-Beteiligungsmöglichkeiten und direkten Informations- und Meinungsaustausch bespielsweise durch Chats können Partizipationsprozesse verbessert sowie Interessierte und Betroffene besser erreicht werden. Werden Bürgersprechstunden oder weitere Vor-Ort-Beratungsangebote durch den digitalen Service ersetzt, kann dies auch eine Entfremdung zwischen den Bürger/-innen und der Verwaltung bedeuten sowie die Ausgrenzung bestimmter Gruppen zur Folge haben. Demzufolge ist eine zielgerichtete Kommunikation nach außen unabdingbar. Durch die klare Benennung von Ansprechpartner/-innen und die Einrichtung eines Feedbackmanagements, das die rechtlichen Rahmenbedingungen und Verwaltungserfordernisse gut vermittelt, können die Bürger/-innen beim Digitalisierungsprozess aktiv begleitet werden.
Die im Internet abrufbaren Daten (Open Data) und Serviceangebote erfordern Ressourcen und Kapazitäten, die in der Gestaltung von Digitalisierungsprozessen mitzudenken sind. Zu Beginn ist, ausgehend von den Bedarfen der unterschiedlichen Nutzergruppen, eine passgenaue Digitalstrategie für die Stadt Leipzig, ihre Eigenbetriebe und Tochterunternehmen zu entwickeln. Hierbei sind Aspekte der zielgruppenorientierten Produkt- und Prozessgestaltung, des Ressourceneinsatzes, der Medienkompetenzen, des Datenschutzes sowie der externen und internen Kommunikation mit zu betrachten. Transparenz und barrierefreie Kommunikation sind von Anfang an mitzudenken.
Innerhalb der Stadtverwaltung erfordert die Digitalisierung einen Perspektivwechsel hin zum Nutzer - sowohl auf Mitarbeiter- als auch auf Führungsebene. Es gilt, für das Thema "digitale Stadt" zu sensibilisieren, um Verständnis bei den Akteuren zu erzeugen und Veränderungsbereitschaft herbeizuführen. Je nach Medienkompetenz und Digitalisierungsgrad in den Fachämtern müssen die vorhandenen Strukturen behutsam und gemeinsam mit den Mitarbeitern angepasst werden. Damit ist ein transparenter und länger andauernder Umstrukturierungsprozess verbunden, der auch parallele Strukturen (analoge und digitale) einschließt. Sinnvoll ist auch eine zentrale Stelle innerhalb der Organisation, die sich um das Thema Digitalisierung kümmert.
Für die richtige Anwendung der digitalen Managementsysteme ist ferner gut ausgebildetes Personal und umfassendes IT-Know-How unabdingbar. Hier sind Weiterbildungen zur Entwicklung der notwendigen Medienkompetenzen ratsam. Auch Schulen und weitere Bildungs-, Kultur- und Sozialeinrichtungen benötigen eine leistungsfähige IT-Infrastruktur sowie gut ausgebildetes Personal.
Wie und in welchen Bereichen verändert die zunehmende Digitalisierung die Rolle der Stadtverwaltung?
Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich, denen mit innovativen Ideen begegnet werden sollte. Teil der Digitalstrategie ist die Ableitung von Maßnahmen und Modellansätzen, die im Weiteren erprobt und übertragbar gestaltet werden sollten. Somit verstärkt die Stadtverwaltung ihre Vorbildfunktion und ihre Rolle als Impulsgeber.
Ziel ist es, die Vorteile der Digitalisierung zur Förderung von Inklusion und Innovation sowie zur Effizienzsteigerung in der Stadt Leipzig zu nutzen. Dies erfordert ebenso eine engere Abstimmung zwischen der Verwaltung und den Unternehmen der Stadt zur Daseinsvorsorge. Die Stadtverwaltung nimmt im Digitalisierungsprozess eine zentrale Koordinierungs- und Vernetzungsrolle ein. Vor dem Hintergrund des fachübergreifenden Handlungsansatzes sollte die Digitalisierung auf oberster Führungsebene gesteuert und ämterübergreifend gestaltet werden.
Die Bereitstellung passgenauer Informationen und bedarfsorientierter Serviceangebote erfordert einen einfachen, schnellen und kontinuierlichen Zugang für alle. Aus diesem Grund sollte die Stadtverwaltung auf mehreren Medienkanälen erreichbar und ansprechbar sein (Multichannel-Verwaltung). Die Nutzung von digitalen Daten erfordert ferner einen hohen Sicherheitsstandard. Sensible Daten müssen sensibel behandelt werden und entsprechend geschützt werden.
Die Stadtverwaltung ist zudem Unterstützerin und Beraterin für Unternehmen, Institutionen und für die Stadtgesellschaft. Durch den Breitband-Infrastrukturausbau können die Rahmenbedingungen für die Unternehmen und Fachkräfte verbessert werden. Weiterbildungs- und Coachingangebote im richtigen Umgang mit dem Internet vermitteln das erforderliche IT-Wissen für Gründer/-innen, Mitarbeiter/-innen an Schulen und weiteren sozialen Einrichtungen/Trägern.
Zusammenfassung und Ausblick
Als Querschnittsthema betrifft die Digitalisierung alle Themen der Stadtentwicklung. Die Diskussionsergebnisse fließen somit in die weitere Bearbeitung aller Fachkonzepte des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes Leipzig 2030 ein.
Wichtigste Erkenntnisse für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept sind:
- Bei der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes gilt der Digitalisierungsgrad einer Kommune mittlerweile als ein sehr wichtiger Standortfaktor.
- Die Gestaltung des digitalen Wandels erfordert eine ganzheitliche Digitalstrategie, die unter Einbeziehung aller Nutzergruppen und im integrierten Ansatz erarbeitet werden sollte.
- Der Digitalisierungsprozess ist Chefsache. In fach- und ämterübergreifender Zusammenarbeit ist der Prozess auf oberster Führungsebene aktiv zu begleiten.
- Die Stadt Leipzig übernimmt hierbei eine Vorreiterrolle. Aufgabe ist es, Innovationen in Sicherheit, technischen Infrastrukturen und so weiter zu befördern sowie attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen, Fachkräfte und die Bürgerschaft zu schaffen.
- Mit der Digitalisierung entstehen neue Anforderungsprofile und Aufgabenbereiche, die entsprechende Investitionen in die Qualifizierung und Weiterbildung erfordern (IT-Know-How).