Juni-Hochwasser 2013
Die Situation in Sachsen
Die Hochwasserereignisse im Jahr 2013 hatten einen typischen Ursprung: Starkregen. Bereits Ende Mai waren die Böden, auch wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der geringen Verdunstung, mit Wasser übersättigt und der Niederschlag begann sich zu stauen. Hinzu kam bis zum 12. Juni 2013 abfließendes Wasser der Elbe, sowohl aus dem deutschen als auch dem tschechischen Einzugsgebiet. Der Wasserstand in fast allen Flussgebieten erhöhte sich rasant. Weitere örtliche unwetterartige starke Niederschläge gab es am 9. Juni 2013 im Erzgebirge und im Süden der Oberlausitz.
Vor allem die Einzugsgebiete der Mulde, der Weißen Elster (Ausgangspunkt des Hochwassers) und der Elbe überschritten den Richtwert der Alarmstufe 4, die betroffenen Kommunen mussten Katastrophenalarm ausrufen (insgesamt 295 Städte und Gemeinden in Sachsen). Die Folgen waren dramatisch: Überschwemmungen, Sicherungsmaßnahmen wie Evakuierungen und Straßensperrungen, Deichbrüche, Zerstörungen durch Hagel und Schlammlawinen - alle zehn sächsischen Landkreise und auch die drei kreisfreien Städte waren in unterschiedlicher Intensität betroffen. Schnelle Maßnahmen und zügiges Handeln wurden unabdingbar.
Die Situation in Leipzig
Das schwere Juni-Hochwasser ereilte auch die Stadt Leipzig, was jedoch glücklicherweise ohne gravierende Schäden blieb. Die Wassermassen der Weißen Elster betrugen das 1,5-fache der des Jahres 1954. Damals kam es durch einen Defekt am Palmengartenwehr zum Rückstau über den Elstermühlgraben, infolge dessen Bereiche in Plagwitz und das Gebiet um den Westplatz überschwemmt wurden.
Die Vorbereitungen der Branddirektion und die Abarbeitung des Ereignisses unter Einbeziehung der Fachämter der Stadtverwaltung und externer Einrichtungen sowie die Unterstützung durch die Bundeswehr erfolgten reibungslos.
Unbedingt erwähnt werden müssen die Bürgerinnen und Bürger, die in der Stunde der Gefahr zwei Tage lang Sandsäcke füllten und am Deich verbauten. Diesen zahlreichen Helfern, die sich über die modernen Medien organisierten, gilt der besondere Dank der Bürgerschaft der Stadt Leipzig.
Eine Analyse zur Mediennutzung während des Hochwassers 2013
Das Phänomen dieser selbstorganisierten Hilfsbereitschaft über die sozialen Netzwerke war Anlass für die Stadt Leipzig, die Mediennutzung und Erfahrungen aller Kommunen und Einheiten des Katastrophenschutzes in der Stadt und im Landkreis Leipzig näher zu untersuchen. Ergänzend wurden Zweck- und Versorgungsverbände befragt, die kreisübergreifend tätig sind. Mit dem Hintergrund eventuelle Vergleiche ziehen zu können, erhielt die Stadt Halle inklusive der Katastrophenschutzeinheiten zusätzlich eine Anfrage.
Das Vorgehen
1. Schritt: Die Teilnehmer füllten einen angefertigten Fragebogen zu den Medienpräferenzen während des Hochwassers, in zukünftigen Katastrophenfällen sowie für die eigene Informationsbeschaffung aus. Zusätzlich enthielt der Bogen Antwortmöglichkeiten zur Nutzungshäufigkeit bezüglich der Bürgerinformation sowie der Öffentlichkeitsarbeit vor dem Hochwasser und gegenwärtig. So waren letztendlich Schlüsse über aktuelle Medientrends möglich.
2. Schritt: Nach Rückerhalt des Präferenzbogens, erhielten die Beteiligten der Analyse zusätzliche Fragen zu individuellen Problemen und Erfahrungen, die sie schriftlich oder telefonisch beantworten konnten. Ziel waren Rückschlüsse auf die Mediennutzung und Kommunikation sowie das Herauskristallisieren von Problemen und das Entwickeln von Zukunftsstrategien.
Die Befragung hatte lediglich das Ziel einer generellen Übersicht und ist somit nicht repräsentativ.
Von 48 angefragten Institutionen und Organisationen äußerten sich 44 zu beiden Teilen, das sind rund 91,7 Prozent. Von den sieben angefragten Einheiten des Katastrophenschutzes der Stadt Halle äußerten sich vier zu den Fragen.
Die Ergebnisse der Analyse
Die Medienpräferenzen
Das Telefon wurde während des Juni-Hochwassers 2013 aktiv genutzt (auch Bürgerinformation und eigene Informationsbeschaffung). Für die Öffentlichkeitsarbeit vor dem Hochwasser erfolgte eine starke E-Mail-Nutzung, vereinzelt in Form von Newslettern. Dies ist, zusammen mit dem starken Einsatz der eigenen Webseite, auch gegenwärtig der Fall.
Für die Zukunft sehen alle Befragten ebenfalls einen großen Mehrwert in den sozialen Medien. Auch die klassischen Kommunikationsmittel (z. B. Telefon, Print, TV, Radio) sollen in Zukunft eine höhere Priorität erhalten.
Der Trend geht demnach in Richtung crossmedial, es wird ausprobiert welche Medien sich vor allem für die öffentliche Kommunikation gut eignen und eine große Zielgruppe ansprechen.
Ein Vergleich mit der Stadt Halle zeigte, dass auch hier das Telefon hohe Relevanz besitzt. Zusätzlich spielt hier für Verwaltung und Katastrophenschutz das Funksystem eine große Rolle. Der Katastrophenschutz in Halle sieht entgegen dem Trend einen größeren Nutzen in den klassischen Medien und möchte zukünftig weniger auf soziale Medien zurückgreifen. Dies stellt im Städtevergleich den größten Unterschied dar.
Die Stadt Leipzig leistete adäquate Medienarbeit, denn trotz der relativ geringen Betroffenheit im Vergleich zu Städten wie Halle, wurden möglichst viele Kommunikationswege aktiv genutzt.
Eine intensive Nutzung und Pflege von sozialen Medien ist für die meisten Gemeinden keine Notwendigkeit und nicht umsetzbar. Es sollte deshalb auch in Zukunft abgewogen werden, ab wann eine solche Nutzung in kleinen Verwaltungen Sinn macht.
Explizit genannt wurden weitere gern genutzte Medien, die nicht in die Befragung aufgenommen wurden. Dazu gehören beispielsweise das Mobiltelefon (Whatsapp), das Fax, das eigene Amtsblatt, das generelle World Wide Web sowie klassische Kommunikationswege in Form von Briefen, Aushängen, Flyern und face-to-face-Kommunikation (Veranstaltungen, Meetings).
Erfahrungen und Probleme
Überforderung bezüglich der bürgerlichen Anfragen während des Hochwassers 2013 verspürte fast keiner der Befragten (lediglich zehn nannten Überforderung). Auch Feedback zur geleisteten Arbeit gab es nur wenig, wenngleich es meist gut ausfiel. Insgesamt ergaben sich aus allen Antworten folgende Baustellen:
- Vorbereitung
- Organisation
- Aufstockung von Ressourcen aller Art
- Kommunikation
- Vernetzung
- Zuständigkeit/ Hierarchiestrukturen
Die Kommunikation zwischen den Behörden und die zu vermittelnden Inhalte stellten dabei das größte Problem dar. Oft waren Inhalte falsch oder es fehlte an Informationen, zusätzlich wurden feste Ansprechpartner vermisst. An dieser Stelle besteht ein besonders großer Nachholbedarf.
Als ebenso wichtig stellte sich die vorzeitige Planung bezüglich der Versorgung, Evakuierung und Unterbringung von Helfern heraus. Online zur Verfügung gestellt wurden vorwiegend lokale und bürgernahe Informationen zu Pegelständen, Spendenaufrufen und Richtlinien. Außerdem wurden Auskünfte des Ministeriums zu Schäden und Maßnahmen sowie Genaueres zum Thema Soforthilfe und zur Unterbringung bereitgestellt.
Auffällig war der geringe Einsatz von Bild- und Videomaterial. Lediglich die Stadt Leipzig verwendete für die Öffentlichkeit anschauliches Material dieser Art. Gerade für ein genaues Bild intern und auch extern spielt dies allerdings eine wichtige Rolle, in Zukunft müsste deshalb mehr darauf gesetzt werden.
Zweckverbände bezogen sich hauptsächlich auf Neuigkeiten zu Trink- und Abwasser und die Situation im eigenen Werk, kirchliche Verbände auf Spendenaufrufe und die generelle Berichterstattung.
Bei der Stadt Halle ergaben sich die gleichen Problemfelder. Die anschaulichere Arbeit leistete der Katastrophenschutz, welcher vielfältiges Bild- und Videomaterial veröffentlichte.
Die Ergebnisse des Projektes dienen vordergründig einem indirekten Austausch von Erfahrungen und geben einen ersten Anstoß, verstärkt zusammenzuarbeiten und gemeinsam an Verbesserungen in der Kommunikation zu arbeiten. Sie vermitteln erstmals einen Überblick über die Medien- und Zusammenarbeit in der gesamten Region.
Explizite Hinweise
Private Gruppen
Auf ein Phänomen wird des Öfteren explizit aufmerksam gemacht: private Gruppen auf Facebook. Dadurch kamen vor allem auch Falschmeldungen in Umlauf, die schwierig und nur langfristig wieder beseitigt werden konnten. So gilt es, den Informationsbedarf über die sozialen Medien aufzugreifen und nicht zu unterschätzen. Inwiefern die Nutzung Sinn macht, muss jede Kommune für sich selbst einschätzen. Generell sollte sich jedoch nicht von vornherein dagegen verschlossen werden.
Noch am 07. März 2014 waren auf Facebook für die Region Leipzig und Halle private Gruppen mit Bezug zum Hochwasser 2013 vertreten:
- Sachsen: vier Gemeinschaften, zwei Gruppen, insgesamt 28.745 Mitglieder
- Leipzig: eine Seite für den guten Zweck, eine Gruppe, insgesamt 357 Mitglieder
- Leipziger Land: eine Gruppe, insgesamt 432 Mitglieder
- Kommunen in Sachsen: drei Gruppen, insgesamt 306 Mitglieder
- Sachsen-Anhalt: eine Seite für den guten Zweck, eine Seite zu Medien/ Nachrichten/ Verlagswesen, eine Gruppe, zwei Gemeinschaften, insgesamt 100.534 Mitglieder
- Halle: eine Gruppe, zwei Gemeinschaften, insgesamt 11.038 Mitglieder
Die Vielzahl an Gruppen und Gemeinschaften auf Facebook belegt, dass noch immer ein großer Bedarf an Informationsvermittlung zu bürgernahen Themen über die sozialen Medien besteht. Die Statistiken der Städte zum Traffic bestätigten diese These.
Instrumente nutzen
Zur genauen Analyse gehören auch Pressespiegel. Diese ermöglichen in ähnlichen Fällen nicht nur eine Orientierung, sie veranschaulichen auch wie der Online-Bereich als Angebot genutzt wurde und im Printbereich lässt sich schlussfolgern, wie man auf die Presse zugehen kann. Ein solcher Überblick stellt heraus, worauf die Presse einging und welche Informationen in der Berichterstattung fehlten.
Einen solchen Pressespiegel im Bereich Print erstellten beispielsweise die Kommunalen Wasserwerke Leipzig. Dabei konnten sie feststellen, dass es zwar genug Berichte über die Situation in der Stadt Leipzig gab, jedoch zu wenig auf die Region eingegangen wurde. Dem soll in Zukunft entgegengewirkt werden, indem die Kommunalen Wasserwerke verstärkt selbst mit Informationen aus der Region auf die Redaktionen zugehen.
Die Stadt Leipzig listete vor allem die Berichte auf, die online gestellt wurden: Zum Thema Hochwasser wurden 16 Medieninformationen veröffentlicht und 31 Meldungen über leipzig.de. Im Zeitraum vom 01. bis zum 10. Juni 2013 gab es außerdem insgesamt 51 Meldungen zum Thema Hochwasser auf Facebook und 37 Meldungen zum Thema auf Twitter.
Zusammen mit dem Traffic lässt sich der Bedarf feststellen. In Zukunft ist so eine Orientierung daran möglich. Zusätzlich zum Bedarf ließen sich Probleme herauskristallisieren, an denen gearbeitet werden kann. Für leipzig.de betrifft dies beispielsweise PDF-Dokumente. Diese waren teilweise zu groß, sodass zusammen mit dem zeitgleichen Zugriff der User der Server nur langsam reagierte. Außerdem fiel auf, dass die Karten sich teilweise nicht durch Anwenderfreundlichkeit auszeichneten. Twitter war ideal für die Verwaltung, um einen schnellen Überblick über die Nachrichtenlage zu erlangen. Allerdings konnte dieses Monitoring nur nebenbei und sporadisch durchgeführt werden, da es einfach an zeitlicher Kapazität mangelte und die Webseiten-Pflege Vorrang hatte. Es stellte sich auch heraus, dass für die Menge an Kommentaren auf Facebook eine zuständige Person zugewiesen werden musste.
Protokolliert wurden neben Reichweite, Nutzung, allgemeinen Problemen, Kommentaren und Retweets ebenfalls gezielt Falschmeldungen und deren Richtigstellung. Generell ließ sich jedoch ableiten, dass sich Facebook zum schnellen und führenden Medium entwickelte und dass das Social Network in Zukunft deshalb unabdingbar ist.
Handlungsanweisungen und Verbesserungswünsche
Aus den Analyseergebnissen, Erfahrungen und Verbesserungswünschen lässt sich folgender Leitfaden für die zukünftige Katastrophenarbeit und Katastrophenbewältigung erstellen:
- Erfahrungen analysieren, Material sammeln, Erfahrungen festhalten. Ein wichtiges Instrument dafür sind Pressespiegel. Im Medienbereich lässt sich so feststellen, was angepasst werden muss. Anschauliches Material beschaffen, dies ermöglicht ein Bild über die Situation für Mitarbeiter und die Zielgruppe. Eventuell einen ehrenamtlichen Helfer dafür beauftragen.
- Zusammensetzen und den Austausch über Entwicklungen und Erfahrungen aufrechterhalten: Material sammeln, Erfahrungen festhalten.
- Sitzungen während der Katastrophe im Voraus planen, wer soll anwesend sein, welche Punkte müssen besprochen werden, To-Do-Listen anfertigen.
- Ein Ansatzpunkt für die Zukunft ist die Überlegung über eine gemeinsame Datenbank für Bild- und Videomaterial in Katastrophenfällen.
- Es mangelt an Ressourcen, vor allem an Personal. Hier muss wenigstens für Krisensituationen aufgestockt werden. Eventuell im Urlaub befindliche Personen anfragen, Praktikanten einbeziehen, ehrenamtliche Helfer anfordern.
- Es muss bereits vor dem Katastrophenfall ein Hierarchieplan angefertigt werden, der festlegt, wer im Notfall für welche Aufgaben zuständig ist und demnach auch als Ansprechpartner fungiert.
- Es muss immer für alles eine Notfalllösung geben. Bereitschaft ehrenamtlicher Mitarbeiter bereits vorher erfragen, Turnhallen als Notunterkünfte sicherstellen, Bäcker bereits im Voraus wegen Mithilfe bei der Versorgung im Krisenfall anfragen usw.
- Listen erstellen, wer im Katastrophenfall über welche Informationen verfügt. Es muss alles getan werden, um den Informationsweg so kurz wie möglich zu halten.
- Überlegen, wo der Einsatz von sozialen Medien Sinn macht und dabei alle Vor- und Nachteile anhand dieser Informationen noch einmal neu überdenken. Nicht von vornherein den sozialen Medien verschließen, der Bedarf über diese Kommunikationsmittel besteht und die Nutzung ist umso wichtiger. So können vor allem Falschmeldungen vermieden werden.
- Wenn möglich, dann crossmedial arbeiten. So werden möglichst alle Zielgruppen angesprochen und Informationslücken gefüllt.