Kriminalstatistik für Senioren
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist bei Tätern/Opfern auch die Altersgruppe der Senioren aus. Als Senioren im Sinne der PKS gelten dabei diejenigen Personen, die älter als 60 Jahre alt sind. Aufgrund der in der PKS beinhalteten Opferdaten wird oft davon ausgegangen, dass Senioren als Opfergruppe unterrepräsentiert sind (siehe Polizeidirektion Leipzig 2016, 7). Im Zusammenhang mit der höheren Kriminalitätsfurcht wird dann von einem Kriminalitätsparadox bei Senioren gesprochen. Dieser Ansatz bedarf allerdings auch aus statistischer Sicht einer näheren Betrachtung.
Nicht alle Opfer in der Statistik erfasst
In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind die Opferdaten nur bei bestimmten Straftaten beziehungsweise -gruppen erfasst (siehe Bundeskriminalamt 2013, 38), zum Beispiel bei Mord, Totschlag, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung oder Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses, Raubdelikten, Körperverletzung oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Nicht beinhaltet sind insbesondere (gewaltfreie) Eigentums- und Vermögensdelikte, zum Beispiel der Enkeltrick. Untersuchungen weisen darauf hin, dass im höheren Alter - insbesondere jenseits des 80. Lebensjahres - das Risiko steigt, zum Opfer von Trickdiebstahl zu werden (siehe Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, 12).
Dunkelfelduntersuchungen
Demgegenüber verdeutlichen Dunkelfelduntersuchungen jedoch ein mit dem Alter abnehmendes Viktimisierungsrisikos (Risiko, zum Opfer von Straftaten zu werden) (siehe Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, 14 ff.). Allerdings stoßen Bevölkerungsbefragungen bei hochaltrigen Menschen auf Probleme in der Durchführung, so dass kaum "große und repräsentative Stichproben" erzielt werden können (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, 15). Der Rückgang des Viktimisierungsrisikos betrifft zunächst auch die häusliche Gewalt. Bei Straftaten im Zusammenhang mit Hochaltrigen und Pflegebedürftigen gibt es allerdings Unschärfen - sowohl in der Polizeilichen Kriminalstatistik als auch in Dunkelfelduntersuchungen (siehe Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. 2004, 109). "Hohes Lebensalter, Krankheit, Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit gehen tendenziell mit erhöhter Anfälligkeit der Person gegenüber etwaigen Viktimisierungsversuchen einher, ferner mit einer reduzierten Fähigkeit, im Falle der Opferwerdung Anzeige zu erstatten oder sich in anderer Weise selbst um Hilfe und Abhilfe zu bemühen" (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, 38).
Aus repräsentativen Befragungen, die Reuband 1995 bis 1996 in Chemnitz, Dresden und Leipzig durchgeführt hat (Reuband 1999), ergaben sich sowohl geringere direkte und indirekte Viktimisierungen bei Älteren als auch weniger potentielle Viktimisierungen (im Sinne bedrohlicher Situationen). Bemerkenswert bei dieser Untersuchung ist jedoch, dass es Unsicherheitsgefühle vor der Wende in allen Altersgruppen fast nicht gab und nach der Wende die Kriminalitätsfurcht sukzessive zunahm, wobei dies insbesondere die älteren Menschen betraf. "Die Älteren, so scheint es, fühlen sich von einer Kriminalitätswelle geradezu überrollt" (Reuband 1999, 216).
Raubüberfälle auf Senioren
Neben dem Enkeltrick und der Gewalt in der Pflege erregen vor allem Raubüberfälle auf Senioren eine hohe öffentliche und mediale Aufmerksamkeit. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht allerdings den sachsenweit starken Rückgang der registrierten Raubüberfälle auf Senioren. Der Rückgang resultiert vor allem aus der geringer gewordenen Opferbelastung der Frauen, während bei den älteren Männern ein leichter Anstieg in der langfristigen Betrachtung zu verzeichnen ist.
Senioren stellen demnach keine große Opfergruppe beim Raub dar. Ihr Anteil an allen registrierten Raubüberfällen in Sachsen nimmt seit dem Jahr 2004 ab. Dieser beträgt derzeit weniger als 10 Prozent (siehe die folgende Abbildung).
Noch deutlicher verläuft der Rückgang beim Handtaschenraub. Hierbei sind ältere Menschen als Opfer jedoch überrepräsentiert (siehe nachfolgende Abbildung). Die Zahlen auf Landesebene sind vor allem geprägt durch den Handtaschenraub in Leipzig. Im Jahr 2015 registrierte die Polizei 47 der landesweit 133 Fälle in Leipzig und im Jahr 2014 wurden 52 der landesweit 119 Fälle in Leipzig angezeigt.
Sonstige Gefahren
Um die allgemeine Kriminalitätsgefahr für Senioren besser einschätzen zu können, ist die ergänzende Betrachtung weiterer Gefahrenquellen hilfreich. So stieg beispielsweise die Zahl der bundesweit bei Unfällen im Haushalt ums Leben gekommenen Menschen im Jahr 2015 um knapp 800 auf 9.815 Getötete an (siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung 2017). Ältere Menschen sind dabei stärker gefährdet als jüngere, so dass der Anstieg der Unfallzahlen auch unter dem Aspekt des steigenden Durchschnittsalters eingeordnet wird. Im Straßenverkehr gehört die Gruppe der Personen ab 65 Jahre zu den häufigsten Todesopfern (siehe Statistisches Bundesamt). Nur die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen ist noch stärker betroffen (siehe nachfolgende Tabelle).
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |
---|---|---|---|---|
65 und mehr Jahre (absolut) | 994 | 999 | 987 | 1024 |
65 und mehr Jahre (je 1 Million Einwohner | 60 | 90 | 59 | 60 |
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Darstellung
Verwendete Literatur
- Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik, Bundesrepublik Deutschland, Jahrbuch 2014, Wiesbaden, 2013·
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben älterer Menschen. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse einer Studie zu Gefährdungen älterer und pflegebedürftiger Menschen, 5. Auflage, Berlin, 2012·
- Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (Hrsg.): Ältere Menschen als Opfer polizeilich registrierter Straftaten, Hannover, 2004·
- Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.02.2017: Fast 10.000 Menschen sterben bei Unfällen im Haushalt. Verfügbar unter: www.faz.net/aktuell/gesellschaft/senioren-besonders-gefaehrdet-fast-10-000-menschen-sterben-bei-unfaellen-im-haushalt-14848816.html. Abgerufen am 07.02.2017.·
- Polizeidirektion Leipzig (Hrsg.): Sicherheitslage 2015. Kreisfreie Stadt Leipzig, Leipzig, 2016·
- Reuband, K.-H.: Kriminalitätsfurcht im Alter. Empirische Befunde aus ostdeutschen Studien, in: Die alternde Gesellschaft. Problemfelder gesellschaftlichen Umgangs mit Altern und Alter, hrsg. von Karl Lenz, Martin Rudolph, Ursel Sieckendiek, München 1999, S. 209 - 231
- Statistisches Bundesamt. Verfügbar unter: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/Tabellen/GetoeteteAlter.html. Abgerufen am: 07.02.2017.