Amtsdeutsch des Monats
Fachchinesisch, unverständlich oder einfach unbekannt: Es ist nicht immer leicht zu verstehen, was eine Verwaltung in amtlichen Bekanntmachungen und Schreiben zu Papier bringt. Das Geflecht aus Amtsdeutsch, Schachtelsätzen und Fachbegriffen bringt aber auch immer wieder wunderbare Wortschöpfungen hervor. Auf dieser Seite wollen wir die schönsten und häufigsten Begriffe übersetzen, erklären und mit einem Augenzwinkern erläutern.
Nichtstörer
Die Verwaltungssprache folgt ihren eigenen Regeln. Ein wichtiger Grundsatz: Alles muss beschrieben und mit einem Begriff versehen werden. Der deutschen Lexik sind da keine Grenzen gesetzt.
So benennt das Polizei- und Ordnungsrecht zum Beispiel verschiedene Arten von Störern. Dies sind Personen, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung in verschiedener Weise beeinträchtigen. Es gibt Verhaltens- und Zustandsstörer, Handlungsstörer oder Mitstörer. Für das Pendant gibt es allerdings nur einen Begriff: Menschen, die nicht mit dem Gesetz in Konflikt treten, heißen einfach und unverblümt Nichtstörer.
Als Nichtstörer wird im Polizei- und Ordnungsrecht eine "nicht verantwortliche Person" bezeichnet. Der/die Nichtstörer/-in ist also eine Person, die nichts Gesetzwidriges tut und von der keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Warum ausgerechnet diese wohlgesonnene Personengruppe mit einem negativen Umkehrwort bedacht wurde, bleibt in den geheimen Regularien der behördensprachlichen Wortschöpfung verborgen.
Glossar
Beförderungsfall - das klingt irgendwie nach Aufstieg, mehr Geld in der Tasche, mehr Streifen auf der Schulterklappe... Mit dem hier gemeinten Beförderungsfall kann man es zwar auch weit bringen, allerdings nicht auf der Karriereleiter. Statt um das berufliche geht es schlicht um das örtliche Vorankommen - genauer um die Beförderung von A nach B mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln.
Für die Leipziger Verkehrsbetriebe und die Planer im Verkehrs- und Tiefbauamt spielen die Beförderungsfälle eine wichtige Rolle, um zum Beispiel die Auslastung von Linien im Tagesverlauf ermitteln zu können und damit die Taktung oder Kapazitäten der öffentlichen Verkehrsmittel anzupassen.
Beförderungsfall ist aber nicht gleich Beförderungsfall. Insgesamt gibt es drei Arten:
- Unternehmensbeförderungsfälle: Anzahl der Fahrten(ketten), bei denen Fahrgäste ein oder mehrere Verkehrsmittel eines bestimmten Verkehrsunternehmens nutzen
- Betriebszweigbeförderungsfälle: Ein Verkehrsunternehmen hat im Normalfall verschiedene Betriebszweige (zum Beispiel Bus und Straßenbahn). Für jeden Betriebszweig wird die Anzahl der Fahrten(ketten) ermittelt, bei denen Fahrgäste ein oder mehrere Verkehrsmittel des entsprechenden Betriebszweiges nutzen.
- Linienbeförderungsfälle: Anzahl der Fahrten(ketten), bei denen Fahrgäste eine bestimmte Linie nutzen
Das Benutzen eines Verkehrsmittels vom Ein- bis zum Aussteigen bildet eine Fahrt. Steigt man anschließend in ein anderes Verkehrsmittel um, beginnt die nächste Fahrt. Gemeinsam bilden mehrere Fahrten eine Fahrtenkette.
Fährt Herr Mustermann also zum Beispiel zunächst mit der Straßenbahn 10, steigt dann in die S1 um, anschließend in die Straßenbahn 3 und nimmt zum Schluss die Buslinie 79, produziert er damit:
- eine Fahrtenkette, bestehend aus vier Fahrten
- zwei Unternehmensbeförderungsfälle: jeweils einen für die Deutsche Bahn und die Leipziger Verkehrsbetriebe
- drei Betriebszweigbeförderungsfälle: einen bei der Deutschen Bahn für den Betriebszweig S-Bahn, jeweils einen bei den Leipziger Verkehrsbetrieben für den Betriebszweig Straßenbahn und den Betriebszweig Bus
- vier Linienbeförderungsfälle: einen bei der Deutschen Bahn für die Linie S1, jeweils einen bei den Leipziger Verkehrsbetrieben für die Linien 3, 10 und 79
Damit hat Herr Mustermann es in jedem Fall örtlich weit gebracht (von Wahren bis nach Paunsdorf) und falls er auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch war ja vielleicht auch auf der Karriereleiter.
Wie wird ermittelt?
Bei den Zügen der Deutschen Bahn hat jedes Fahrzeug integrierte Zähleinrichtungen. Bei den Leipziger Verkehrsbetrieben sind circa 10 Prozent der Fahrzeuge mit einem Zählsystem (vor allem Lichtschranke in den Türen) ausgestattet. Bei neuen Fahrzeugen wird das Zählsystem zunächst kalibriert, indem anfangs zusätzlich händisch gezählt und das Ergebnis mit den Zahlen des Systems abgeglichen wird. So können Fehlzählungen (zum Beispiel, wenn Leute kurz aus- und wieder einsteigen, um anderen Fahrgästen Platz zu machen) herausgerechnet werden.
Die Fahrzeuge werden über das Jahr hinweg so auf den unterschiedlichen Linien eingesetzt, dass bei jeder Fahrt einer Linie (also alle Fahrten an jedem Wochentag zu allen bedienten Uhrzeiten) mindestens einmal pro Jahr die Linienbeförderungsfälle gezählt werden. So wird mit einer Genauigkeit von 99 Prozent die Anzahl der Linienbeförderungsfälle ermittelt.
Die deutsche Sprache hat eine im Ausland oftmals bewunderte Eigenschaft: Aus einzelnen Wörtern lassen sich ganz einfach neue, zusammengesetzte Wörter basteln. Man muss keine neuen Vokabeln lernen, sondern kann einfach Wort um Wort aneinanderreihen. So wird ein Haus für kranke Kinder schnell ein Kinderkrankenhaus, ein Wettbewerb jugendlicher Künstler ein Jugendkunstwettbewerb und eine vorsorgliche Belegung eines Stuhles eine Sitzplatzreservierung. So weit, so einfach.
Werden allerdings Verwaltungsbegriffe miteinander kombiniert, ergibt sich oft ein herrlicher Wortsalat. Unser Favorit für das schönste zusammengesetzte Wort, das uns hier in der Stadtverwaltung begegnet, ist das Drehtrommelbioabfallsammelfahrzeug. Das fachsprachlich genau definierte Fahrzeug aus dem Fuhrpark der Stadtreinigung klingt doch viel schöner als der berühmt-berüchtigte Donaudampfschifffahrtskapitän und gibt beim Scrabbeln bestimmt mehr Punkte als ein schlichtes Müllauto!
Wohnungssbauten oder Bürogebäude, Schul- oder Sportbauten, Alt- oder Neubauten: Während Stadtplaner mit verschiedenen, jedoch üblichen Gebäudearten jonglieren, haben ihre Kolleginnen und Kollegen vom Bauordnungsamt es regelmäßig mit einer besonders kuriosen Gattung zu tun - den fliegenden Bauten.
Nun sind damit weder schwebende Häuser noch fliegende Untertassen gemeint. Fliegende Bauten sind bauliche Anlagen, die schnell wie der Wind an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt werden können, zum Beispiel Zirkuszelte, Riesenräder, Karusselle, Achterbahnen, Zelthallen, Kletterwände oder Tribünen. Ähnlich den unbeweglichen Artgenossen müssen auch diese "Gebäude" ordnungsgemäß geprüft und genehmigt werden, bevor sie erstmals aufgestellt und in Gebrauch genommen werden.
Doch die fliegenden Bauten wären kein Kandidat für unsere Rubrik, wenn es nicht noch ein paar Ausnahmen von der verständlichen Regel gäbe. So zählen Baustelleneinrichtungen und Baugerüste nicht zu den fliegenden Bauten. Temporäre Antennenmaste und Wohnmobile gehören auch nicht dazu. Aufblasbare Spielgeräte wie Hüpfburgen zählen zwar zu den fliegenden Bauten, benötigen aber keine Ausführungsgenehmigung, wenn sie die Höhe des betretbaren Bereichs von 5 Metern nicht überschreiten oder der überdachte betretbare Bereich weniger als 3 Meter vom Ausgang entfernt liegt. Allen Bauten ist allerdings eins gemein: Ob mit oder ohne Ausführungsgenehmigung - sie müssen gesichert sein und dürfen auf keinen Fall wegfliegen!
Nasen können schnuppern, kitzeln, laufen und einen Gehweg verbessern. Was sich im ersten Moment putzig anhört, erweist sich für Fußgänger als sinnvolle Sache, denn wenn der Gehweg eine Nase macht, läuft es sich leichter über die Straße.
In der Fachsprache werden Gehwegnasen auch "vorgezogene Seitenräume" oder "Gehwegvorstreckungen" genannt - und das erklärt es eigentlich schon ziemlich gut: Es ist ein verlängerter und in den Straßenraum gezogener Bürgersteig, der meist in Kreuzungsbereichen oder in Kombination mit Fußgängerüberwegen zu finden ist. Der Weg über die Straße wird dadurch verkürzt, die Sichtverhältnisse zwischen Fußgängern, Radlern und Autofahrern verbessern sich und die Einengung verlangsamt den Verkehr. Dank der Gehwegnase kann die Straße sicher(er) überquert werden. Und obendrein entsteht zusätzlicher Platz für Verkehrsschilder, Straßenlaternen, Bäume und Fahrradbügel.
Die Gehwegnase ist also eine Art Zubringer, der noch ein paar Schritte auf sicherem Pflaster gewährt, bevor es dann auf die von Radlern, Autofahrern und Parkplatzsuchenden teils heiß umkämpfte Straße geht. Damit diese nicht ihrerseits die Nase rümpfen, nicht vergessen: Vorm Absprung das eigene Näschen nochmal fein nach links und rechts drehen. Und los geht's!
Verwaltungsangestellte sehen sich oft mit dem Vorurteil konfrontiert, einen staubtrockenen, fantasielosen und langweiligen Job zu haben. In der Tat bestehen 90 Prozent der zu verfassenden Schriftsätze aus festgelegten Begrifflichkeiten. Dennoch gibt es Begebenheiten, die nicht im Handbuch der deutschen Amtssprache stehen und die Kreativität der Verfasser fordern.
Für eine kleine Minderheit unter Leipzigs Hundebesitzern haben die Sachbearbeiter im Ordnungsamt zum Beispiel die treffende Bezeichnung „Hundekotliegenlasser/-in“ ersonnen. Denn während die große Mehrheit der Hundehalter immer eine Tüte parat hat, um die Hinterlassenschaft ihres Vierbeiners ordnungsgemäß zu entsorgen, verursacht die kleine rücksichtlose Minderheit der Hundekotliegenlasser/-innen regelmäßig Ärger und Frust bei Spaziergängern und Ordnungshütern.
Für den Fall, dass eine Hundekotliegenlasserin oder ein Hundekotliegenlasser auf frischer Tat ertappt wird, haben die Kontrolleure übrigens ein altbewährtes und völlig fantasiefreies Mittel parat: eine Ordnungswidrigkeitenanzeige.
Es gibt auch in der Verwaltungssprache Begriffe, die gibt es gar nicht! Die Knödellinie zum Beispiel hat geschafft, wovon viele Sprachwissenschaftler träumen: Sie hat sich von der Umgangssprache ins Amtsdeutsch geschmuggelt.
Was zunächst nach einem alternativen Weißwurst-Äquator klingt, bezeichnet in Deutschland die zeichnerische Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Nutzungen in Bebauungsplänen. Damit trennen die Stadtplaner beispielsweise Abschnitte, die ausschließlich zur gewerblichen Nutzung vorgesehen sind, von einem Wohnhaus oder anderen Nutzungsformen. So sieht es die Planzeichenverordnung (PlanzV) vor. Jedoch der Begriff selbst wird nicht erwähnt. Lediglich eine zeichnerische Darstellung haben die Autoren der Knödellinie zugedacht.
Wie Fantomas hat sich die Strich-Punkt-Linie dann in den offiziellen Sprachgebrauch geschlichen und geschafft, was nur wenigen vergönnt ist: mit bloßer Präsenz einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Wer hätte es gedacht: Akten haben - ganz wie die Mitarbeiter, die sie anlegen und bearbeiten - einen Lebenszyklus. Und der ähnelt in seinen Phasen doch sehr dem unseren...
Phase 1: "Die Geburt"
Die Akte erblickt das Licht der Welt - wird also neu angelegt. Alternativ kann eine bestehende Akte auch "adoptiert", also in eine Behörde überführt werden. Ab dem Zeitpunkt des Eingangs in der Behörde beginnt dann ihr dortiger Lebenszyklus.
Phase 2: "Das Arbeitsleben"
Die arme Akte überspringt Kindheit und Jugendalter und geht direkt in die "aktive Phase" über, in der sie für die laufende Bearbeitung benutzt wird. Gut für die Sachbearbeiter - wer will es schon mit pubertären Schriftstücken aufnehmen müssen?
Phase 3: "Das Alter"
Die Akte geht in den Ruhestand und wird in der sogenannten "halbaktiven Phase" kaum noch oder gar nicht mehr benutzt. Ihr restliches Dasein fristet sie im betreuten Wohnen beziehungsweise dem Altenpflegeheim behördlicher Schriftstücke: in der Registratur oder der Altregistratur.
Phase 4: "Der Tod" (und gegebenenfalls das Leben danach)
Die Akte wird zu Grabe getragen - und datenschutzgerecht vernichtet (= "Kassation"). Nichts bleibt von ihr übrig. Mit etwas Glück entgeht die Akte jedoch ihrer Auslöschung und wird stattdessen in ein Archiv übernommen, wo sie fortan zwischen Sein und Nichtsein verweilt. Ob dies für die Akte eher Himmel oder Hölle ist, maßen wir uns nicht an, zu beurteilen.
Der Aktenverwalter übernimmt im Übrigen für die Schriftstücke alle Aufgaben vom Geburtshelfer bis hin zum Altenpfleger und zu guter Letzt Bestatter. Lebt die Akte in einer Patchworkfamilie - also einem Verwaltungsbereich, in dem mehrere Aktenverwalter tätig sind - kann zusätzlich ein Schriftgutbeauftragter eingesetzt werden, um die Fragen der Schriftgutverwaltung zu koordinieren.
Wer aufmerksam durch das Stadtgebiet fährt, hat sie bestimmt schon entdeckt. An sechs verschiedenen Stellen regelt eine Ampelfrau den Verkehr. Ganz neu: Beim turnusmäßigen LED Wechsel der Register wurde im März 2016 ein Ampelmännchen in der Eisenbahnstraße gegen eine Ampelfrau getauscht.
Bereit im Jahr 2011 kam eine solche "weibliche" Signalgebermaske an der Kreuzung Bornaische Straße/Leinestraße zum Einsatz. Mittlerweile wurden die vom Freistaat Sachsen genehmigten Signalschablonen auch in der Semmelweißstraße eingebaut.
Verwaltungssprachlich korrekt: Lichtsignalanlage
Eine Ampel oder Ampelanlage gibt es nur in der Umgangssprache. Die verwaltungssprachlich korrekte Bezeichnung lautet Lichtsignalanlage (LSA) oder Lichtzeichenanlage (LZA). Über 400 dieser Anlagen regeln im Leipziger Stadtgebiet den Verkehr - tags und nachts.
Hinter dem schönen Begriff "Sanitärhieb" verbirgt sich weder ein Gewaltakt gegen Toilettenanlagen noch Waschbecken-Weitwurf. Zwar handelt es sich dabei in der Tat um eine Sanitär-, genauer gesagt um eine Hygienemaßnahme. Diese ist jedoch in einem ganz anderen Bereich angesiedelt, als man spontan vermuten würde - nämlich in der Forstwirtschaft.
Als Sanitärhieb bezeichnet man das Fällen von absterbenden oder toten Bäumen beziehungsweise Baumgruppen außerhalb der planmäßigen Nutzung. Oft ist der Grund dafür, dass die Bäume durch Krankheits- oder Schädlingsbefall geschädigt sind - wie zum Beispiel beim Eschentriebssterben, das auch Leipzig heimgesucht und umfangreiche Baumfällarbeiten notwendig gemacht hat. Da auch Bäume Lebewesen sind, geht es ihnen mit Krankheiten und Parasiten nicht besser als uns Menschen - sie können sich untereinander anstecken. So müssen auch bei Bäumen schützende Maßnahmen dem Feldzug der Krankheitserreger Einhalt gebieten. Das Fällen erkrankter Bäume als Hygienemaßnahme verhindert wirkungsvoll das Übergreifen von Erregern oder Schädlingen auf die umliegenden Bäume.
Ein weiterer Effekt des Sanitärhiebs ist die Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Fallen abgestorbene Äste von einem kranken oder bereits toten Baum herunter, können sie Zufahrtswege versperren oder schlimmer noch: Passanten verletzen. Dies wird durch das rechtzeitige Fällen der Bäume verhindert. Wird der Baum früh genug gefällt, kann zudem sein Holz noch verwertet werden. Wartet man zu lang, nimmt das Holz solchen Schaden, dass es nicht mehr nutzbar ist und leider nur noch entsorgt werden kann.
Alle geplanten forstwirtschaftlichen Arbeiten inklusive der Sanitärhiebe sind jedes Jahr im Forstwirtschaftsplan der Stadt Leipzig festgehalten.
Verwaltungsmühlen mahlen langsam. Seit jeher haftet den Bediensteten der Verwaltungsbehörden das Image der Behäbigkeit an. Der Volksmund kennt zahlreiche Bonmots, die die Langsamkeit der Behörden auf die Schippe nehmen. Schon Hugo Licht, Erbauer des Neuen Rathauses, platzierte als ironischen Hinweis eine mahnende Schnecke auf der Pforte des Leipziger Verwaltungssitzes.
In der Tat erfordern nicht wenige Entscheidungsprozesse ein langwieriges Ringen, Abwägen und Prüfen. Kommt es jedoch zu einem sogenannten Sekundenereignis hat auch der emsigste Bedienstete kaum eine Chance. Der Endgegner der Bürokratie erfordert nicht nur sofortiges Handeln, sondern braucht auch noch eine gehörige Portion Zufall und Glück, um gestellt zu werden. Denn im Grunde findet ein Sekundenereignis gar nicht im Beisein eines uniformierten Bediensteten statt.
Als Sekundenereignis werden Fälle bezeichnet, die ein umittelbares Eingreifen erfordern. So müssen die Täter auf "frischer Tat" ertappt werden, was es selbst dem engagiertesten Beamten schwer macht.
"Hundekotliegenlasser", "Kurzzeitfalschparker" oder "Kaugummipapierfallenlasser" sollten sich jedoch nicht all zu sicher sein, nicht erwischt zu werden: Ein städtischer Bediensteter kann im Gegensatz zur landläufigen Meinung durchaus fix um die Ecke biegen und immer und überall auftauchen, um ein Sekundenereignis zu bewältigen.
Grün ist nicht gleich Grün. Nicht nur Frauen können Farben in kleinste Nuancen unterteilen. Auch die Verwaltungssprache kennt mehrere Klassifizierungen von "Grün".
Da haben wir zum einen das Straßenbegleitgrün. Die Pflanzen und Sträucher begleiten unsere Straßen aber natürlich nicht nur der Optik wegen. Straßenbegleitgrün leistet einen erheblichen Beitrag zur Verkehrssicherheit und wird als Blendschutz, Sicht- bzw. Lärmschutz oder zum Auffangen von Wind und Schnee gepflanzt.
Während also das Straßenbegleitgrün auf Wegen, Mittelstreifen und Böschungen von den Mitarbeitern der Stadtverwaltung regelmäßig gehegt wird, wird mit dem sogenannten Beigrün kurzer Prozess gemacht. Denn auch die amtssprachliche Umschreibung kann nicht verhehlen, was es ist: schlicht Unkraut.
Freie Parkplätze in der Großstadt gehören zu einer bedrohten Art. Obwohl mit Parkstreifen, Parkbucht, Kundenparkplatz, Motorradparkplatz oder Familienparkplatz artenreich vertreten, braucht es in Zeiten chronischer Knappheit manchmal einen besonderen Vertreter: den Überlaufparkplatz.
Eigentlich sind Überläufer ja nicht so ganz standfeste Zeitgenossen. Doch wer einen Überlaufparkplatz nutzt, muss keine Angst vor eventuellen Stimmungsschwankungen, Meinungsänderungen oder Positionsverschiebungen haben. Und auch die Gefahr, das dort nur diejenigen Platz finden, deren Versicherung einen Schaden nach dem möglichen Überlaufen eines nahen Gewässers wohlwollend reguliert, besteht eher nicht.
Nein, ein Überlaufparkplatz ist durchaus ein hilfreicher Ort: Hier findet der fahrbare Untersatz nämlich auch dann noch Platz, wenn der reguläre Parkplatz "überzulaufen" droht. Meist fungiert eine Wiese oder eine nicht genutzte Fläche als Überlaufparkplatz und bietet so vor allem bei Großveranstaltungen eine Reserve und verschafft akuter Parkplatznot ein wenig Linderung.
Bereits 100 Mal hat dieses besondere Gremium getagt. Doch keine Angst, es wird nicht scharf geschossen oder anderweitige Missetaten ausgeheckt. Umgelegt werden hier lediglich Grundstücke. Denn unbebaute Areale entsprechen hinsichtlich ihrer Grundstücksstruktur häufig nicht den Anforderungen an eine effiziente bauliche Nutzung. Dass bei diesen Verfahren möglichst die Interessen aller Beteiligten gewahrt bleiben, dafür sorgt in Leipzig seit 1991 der sogenannte Umlegungsausschuss. Über 100 Verfahren mit mehr als 2 000 Flurstücken hat das unabhängige Gremium seither abgeschlossen. Im August tagten seine Mitglieder zum 100. Mal.
Und obwohl der Name rauere Zustände vermuten lässt, geht es bei den Sitzungen immer friedlich zu.
Eines steht fest: Im Behördendeutsch bildet die Ausnahme keineswegs die Regel. Dennoch gibt es sie, diese Wortschöpfung, die gerade Anglizismen wie To Go, Take-Away und Fast Food tapfer die Stirn bietet. Überreste von Snacks, Fast Food und Lunchboxen aus Take-Away-Theken werden in der Verwaltungssprache nämlich schlicht als "Unterwegsabfälle" bezeichnet.
Und die machen weniger den Gralshütern der deutschen (Amts-)Sprache als den Kollegen der Stadtreinigung gehörige Probleme, denn täglich kämpfen sie gegen die stetig anwachsenden Müllberge. Neueste Herausforderung: Poké-Stops reinigen.
Pikachu, Sichlor und Crabby sind zwar niedlich anzusehen, absorbieren aber die Aufmerksamkeit mancher ihrer Trainer derart, dass Kaffeebechern, Pizzaschachteln & Co. der gerade Weg in die Entsorgung immer öfter verwehrt bleibt. Wenn auch der technokratische und wenig klangvolle Begriff "Unterwegsabfälle" am Problem nichts ändert, allein den Sachverhalt bezeichnet er schnörkellos und treffender, als es ein Anglizismus je könnte.
Und der positivste Nebeneffekt: wenn schon nicht die Straße, bleibt wenigstens die Sprache sauber.
Bei einer akuten Verrenkung fühlt man sich oft, als hätte man einen Knick im Rückgrat. Genauso verschoben sieht die ähnlich lautende "Verschwenkung" aus. Diese ist jedoch statt im Anatomiebuch in den hiesigen Baustellenmeldungen zu finden. Mithilfe der Verschwenkung wird die Fahrbahn seitlich verlagert, sodass der Verkehr mit einem gekonnten Schlenker am Baustellengeschehen vorbeigeleitet wird. Die Verschwenkung sieht ein bisschen aus wie die Skoliose der Straße. Statt des Gangs zum Orthopäden hilft in dem Fall jedoch nur Geduld - der "Knick" ist zwar manchmal langwierig, verschwindet aber ganz sicher wieder.
Eine der Hauptaufgaben der Pressestelle einer Stadtverwaltung besteht darin, Verwaltungsdokumente sprachlich zu entknoten, so dass die Absichten und Maßnahmen der Verwaltung in den Veröffentlichungen, Nachrichten und Online-News allgemein verständlich nachzulesen sind. Als Sprachentschwurbler sind wir mittlerweile recht geübt darin, aus einem lichtsignalanlagegesteuerten Knotenpunkt eine Ampelkreuzung oder aus einer nichtlebenden Einfriedung einen Zaun zu machen. Doch jetzt haben wir unseren finalen Gegner getroffen!
In einer amtlichen Mitteilung trafen wir auf diesen Satz: "Im Rahmen der Maßnahme sollen Zeitinselquerschnitte zur Absicherung des Haltestellenwechsels der Straßenbahn ebenfalls mit Auslegermasten vorgesehen werden."
Liebe Leser, Leserinnen, Sprachprofis und Rätselfreunde, kommen Sie drauf, was der Verfasser dieser Zeile damit sagen möchte? Kleiner Tipp: Das beschriebene Szenario trifft man im Straßenverkehr häufiger als man denkt.