Grußwort des Oberbürgermeisters Burkhard Jung zur Verleihung des Leipziger Wissenschaftspreises 2011
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
liebe Frau Prof. von Schorlemer,
sehr geehrter Herr Prof. Grundmann,
sehr geehrte Frau Prof. Schücking,
es ist schön, dass eine unserer ersten gemeinsamen Amtshandlungen die Verleihung dieses Leipziger Wissenschaftspreises darstellt,
sehr geehrter Herr Prof. Stekeler-Weithofer!
ein herzliches Willkommen richte ich an die Repräsentanten des Stadtrates, der anwesenden Akademien und des konsularischen Corps,
hohe Festversammlung,
meine Damen und Herren!
Ich darf Sie alle sehr herzlich hier im Festsaal des Alten Rathauses zu diesem wichtigen Ereignis begrüßen. Die Universität Leipzig, die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und die Stadt Leipzig vergeben heute den „Leipziger Wissenschaftspreis“. Uns verbindet die Intention, mit diesem Preis die große Bedeutung der Wissenschaften für unsere Stadt zu dokumentieren.
Als wir im Jahr 2001 den ersten Leipziger „Wissenschaftspreis“ vergaben – wir erinnern uns: Preisträger wurde das Leipziger Institut für Länderkunde mit seinem „Nationalatlas der Bundesrepublik Deutschland“ – war unser erklärter Anspruch, eine Tradition zu etablieren, eine Tradition, die der Wahrnehmung Leipzigs als einer Universitäts- und Wissenschaftsstadt von internationalem Rang gerecht wird. Stadt, Universität und Sächsische Akademie wollten gemeinsam ein Zeichen setzen, dass hier in Leipzig eine wissenschaftliche Kultur beheimatet ist, die hohe Ansprüche an sich stellt und die sich selbstbewusst an diesen Ansprüchen misst.
Eine Tradition zu schaffen, braucht seine Zeit. Wir verleihen den Leipziger Wissenschaftspreis heute zum fünften Mal. Vielleicht ist es zu früh, bereits von einer selbstragenden Tradition zu sprechen. Für unsere schnelllebige Zeit ist es aber allemal von hoher Bedeutung, dass wir unserer gemeinsamen Absicht treu geblieben sind.
Meine Damen und Herren,
die Wahrnehmung der Leipziger Wissenschaftslandschaft hat sich in den letzten Jahren gewandelt: Leipzig wird heute - gerade auch in der außerstädtischen Perspektive - als eine Universitätsstadt und eine Stadt der Wissenschaften wahrgenommen. Diese Tatsache ist für unsere städtische Identität ebenso wichtig wie für unser Bild in der überregionalen Öffentlichkeit. Ich betrachte den „Leipziger Wissenschaftspreis“ als einen zentralen Baustein in dieser gemeinsamen Arbeit für die Wissenschaften in Leipzig.
Der heutige Anlass gibt mir die Möglichkeit, diese Position zu bekräftigen: Leipzig braucht seine Wissenschaften, wie die Leipziger Wissenschaften unsere Stadt brauchen. Unsere Verwaltung wird auch zukünftig dieses Bündnis nach Kräften stärken.
Meine Damen und Herren,
ich trage Eulen nach Athen, in diesem Kreis, die Bedeutung des wissenschaftlichen Wissens für unsere Gegenwart zu betonen. Lassen Sie mich aber dennoch zwei Bemerkungen machen, die mir gerade auch für die Entwicklung der Leipziger Wissenschaftslandschaft wichtig sind.
Erste Bemerkung: Leipzig wird oft ein „falscher“ Zuschnitt seiner Wissenschaften unterstellt. Salopp formuliert: Zu viel Geist, zuwenig Technik!
Wir haben jüngst in intensiven Gesprächen mit unseren Wissenschaftspartnern für unser Integriertes Stadtentwicklungskonzept ein Fachkonzept „Hochschul- und Forschungseinrichtungen“ erstellt. Es wird noch vor der Sommerpause dem Stadtrat zur Diskussion und Verabschiedung vorliegen.
Betrachten wir in diesem Konzept die konzentrierten Wissenschaftsräume in unserer Stadt – ich nenne hier nur den Universitätskomplex im Zentrum, den Wissenschaftspark an der Permoserstraße, das Klinikum mit den benachbarten starken naturwissenschaftlichen Fakultäten, die BioCity am Deutschen Platz mit den Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten, das Musikviertel mit seinen zahlreichen Einrichtungen und den zusammenwachsenden Campus von HTWK und Hochschule für Telekommunikation in der Leipziger Südvorstadt –, dann gewinnen wir nicht nur ein Bild von der enormen Stärke und Dichte unserer Wissenschaften. Mehr als 50.000 Menschen - als Studenten, Forscher und Lehrende - sind in diesem Bereich zu Hause. Wir stellen zudem fest, dass zentrale Themen des 21. Jahrhunderts – die Umwelt, die Energie, die Gesundheit, die moderne Kommunikation – in Leipzig wissenschaftlich eine enorme Beachtung erfahren.
Wir sollten also viel stärker davon sprechen, was wir in Leipzig besitzen und nicht was uns fehlt: etwa die berühmte „Technische Fakultät“. Ich möchte mit dieser Bemerkung - in Anbetracht der Dinge, die da kommen, sehr geehrte Frau Ministerin - nicht gute Miene zum schwierigen finanzpolitischen Spiel machen. Aber wir sollten uns dennoch trauen, mit Selbstbewusstsein und Stolz von unseren Stärken zu reden.
Und das tun wir, wenn wir heute einen Leipziger Wissenschaftler ehren, der bahnbrechende Entdeckungen im Bereich der Halbleitertechnik gemacht hat. Die Preisverleihung an Herrn Prof. Grundmann symbolisiert die innovative Kraft der Leipziger Wissenschaften in einem Feld, das als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts betrachtet wird.
Zweite Bemerkung, zweite Unterstellung, ich deutete diese bereits an: die starke Stellung der Geistes- und Sozialwissenschaften in Leipzig. Meine Damen und Herren! Wir müssen uns befleißigen, den unfruchtbaren Widerspruch zwischen Geistes- und Natur-, bzw. Technikwissenschaften, lieber Herr Stekeler-Weithofer, im Hegelschen Sinne „aufzuheben“.
Der englische Kulturwissenschaftler C.P. Snow hat bekanntlich das Wort von den zwei Wissenschaftskulturen, der geistes- und der naturwissenschaftlichen, geprägt. War diese Beschreibung jemals richtig? Waren Leibniz oder Heisenberg Natur- oder Geisteswissenschaftler, waren es Billy Gates oder Steve Jobs?
In der globalen Welt existiert keine überholtere Frontstellung. Der zweite Leipzig unterstellte Makel, die starken Sozial- und Geisteswissenschaften, könnte sich als Chance erweisen. Heute, in einer einen Welt mit globalen Prozessen und Problemen, brauchen wir Ingenieure mit gesellschaftlichem Problemwissen und Sozialwissenschaftler mit technischem Grundlagenwissen. Zudem gilt: Kulturell und historisch gebildete Menschen, ausgestattet mit Sprach- und Lernfähigkeit, sind nicht nur ein Muss für die Wirtschaft, sondern bilden die unverzichtbare Grundlage jeder lebendigen demokratischen Ordnung.
Die Veränderungen in der Arbeitswelt erfordern neue Wissensqualifikationen, die Globalisierung forciert die internationale Integration und die ökologischen Sorgen prägen schon heute unseren Alltag. Wie wir in Zukunft arbeiten und wohnen, konsumieren und kommunizieren, uns ernähren und fortbewegen, ist für das 21. Jahrhundert neu zu bestimmen. Diese Szenarien erfordern ein Maximum an technischer und geistiger Phantasie, an gemeinsamer Problemlösungskapazität.
Unsere Kooperation, die sich in der Vergabe des „Leipziger Wissenschaftspreises“ auf besondere Weise niederschlägt, ist daher nicht nur eine stadtpolitische Notwendigkeit. Sie reagiert in gleicher Weise auf globale Entwicklungen, die unsere Epoche ihren Stempel aufdrücken.
Und in dieser Kooperation stehen wir wahrlich nicht am Anfang. Seit Jahrhunderten ist die Entwicklung unserer Stadt und unserer wissenschaftlichen Einrichtungen eng miteinander verknüpft. Hierfür stehen beispielhaft die Universität Leipzig als zweitälteste Universität auf deutschem Boden und die Sächsische Akademie der Wissenschaften, aber auch die zahlreichen anderen Hochschul- und Forschungseinrichtungen unserer Stadt.
Es sollte uns allen ein besonderes Anliegen sein, diese vorbildliche Tradition mit ganzer und mit neuer Kraft fortzuführen. Ich sehe nach ersten Gesprächen mit den neuen Entscheidungsträgerinnen in den Rektoraten unserer Hochschulen ein grundlegendes Einverständnis für ein großes Bündnis von Stadt und Wissenschaft, mit dem doppelten Ziel, die Leipziger Stadtentwicklung und die Leipziger Wissenschaften gemeinsam voranzubringen.
Meine Damen und Herren,
einen Wissenschaftspreis zu vergeben, ist keine einfache Angelegenheit. Dies meint zunächst die technischen Details: die Ausschreibung, die Diskussionen um den Preisträger und schließlich den offiziellen Festakt. Obwohl auch hier viel an Arbeit wartet und die Beteiligten wissen, wovon ich rede.
Deshalb darf ich mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die sich auch diesmal für den Leipziger Wissenschaftspreis ins Zeug gelegt haben: natürlich bei den zahlreichen Bewerbern, aber auch bei der Jury, deren Entscheidung uns hier zusammenführt. Ganz besonders aber bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, die wie stets die Federführung für die Preisverleihung innehatte. Stellvertretend Ihnen, sehr geehrter Herr Prof. Stekeler-Weithofer, meinen aufrichtigen Dank!
Von großem Gewicht ist die Suche nach einen gemeinsamen Nenner für den Träger des Leipziger Wissenschaftspreises. Es hat auch diesmal einen umfangreichen Kreis von Bewerbern gegeben, die den Reichtum der Leipziger Wissenschaftslandschaft belegen. Belesenere Menschen als ich werden Ihnen umgehend mitteilen, warum Herr Prof. Grundmann in ganz besonderer Weise den Kriterien unseres Preises gerecht wird. Von meiner Seite aus nur soviel: Diese Arbeit repräsentiert das, was die Leipziger Wissenschaften in Zukunft auszeichnen sollte: eine nationale und internationale Reputation, die aus ihrer unzweifelhaften Qualität erwächst.
Exakt darin besteht auch der Sinn der heutigen Preisverleihung: öffentlich eine wissenschaftliche Leistung zu würdigen, die unserer aller Anerkennung verdient.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!