Rede anlässlich des Festaktes zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig
Rede von Oberbürgermeister Burkhard Jung anlässlich des Festaktes zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig am 2. Dezember 2009 im Paulinum
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Magnifizenzen, Prorektoren, Mitglieder des Senats,
sehr geehrte Abgeordnete,
liebe Studentinnen und Studenten,
liebe Freunde der Universität Leipzig,
meine Damen und Herren!
Wir alle wissen: Leipzig ist ohne seine Universität undenkbar. Seit 1409 verbinden sich Glück und Geschick von Bürgerschaft und Wissenschaft. Der 600-ste Geburtstag unserer Universität ist ohne Frage ein bedeutendes Ereignis unserer Stadtgeschichte. Herzlichen Glückwunsch!
Gemeinsam haben sich Stadt und Universität auf dieses Jubiläum vorbereitet. Die Ausstellung „Erleuchtung der Welt“ belegt diese Zusammenarbeit ebenso wie zahlreiche Kongresse, Konzerte und Festveranstaltungen. Es war unser gemeinsames Ziel, dass sich möglichst viele Leipziger in einer der über 300 Veranstaltungen wiederfinden. Unsere Universität sollte ihren Platz in unserer Stadtgesellschaft finden.
Denn Leipzig braucht eine starke Universität. Leipzig braucht eine Universität, die den Geist unserer Stadt prägt, die unsere Wirtschaft treibt und das internationale Renommee unserer Stadt befördert. Das Jahr 2009 war daher eine großartige Bühne, die Universität Leipzig als einen solchen Ort von Geist und Innovation, von lokaler Verwurzelung und Kosmopolitismus zu präsentieren.
Nicht zuletzt ist die Universität ein großer Arbeitgeber, ein Motor für den Austausch. Kongresse und Tourismus und Studierende machen Leipzig zu einer jungen Stadt. Und – auch mit Blick auf diese spektakuläre Architektur – sie ist ein Geschenk für unsere Stadt!
Meine Damen und Herren,
die Wissenschaftslandschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Die Ereignisse der letzten Tage haben dies erneut bestätigt. Nicht wenige vergleichen diesen Wandel mit der Humboldtschen Neubegründung der Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder mit der Entstehung der Massenuniversität in den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Das diesjährige Jubiläum verstand sich als ein Wegweiser in die Zukunft. Im 21. Jahrhundert werden Universitäten mehr denn je zu öffentlichen Orten. Denn die Veränderungen der globalen Arbeitswelten erfordern neue Wissensqualifikationen. Die politische und kulturelle Globalisierung forciert die internationale Integration und die ökologischen Krisen prägen schon heute unseren Alltag. Wie wir in Zukunft arbeiten und wohnen, konsumieren und kommunizieren, uns ernähren und fortbewegen, uns selbst bestimmen und politisch führen, ist fragwürdiger geworden. Diese Szenarien erfordern ein hohes Maß an wissenschaftlicher und politischer Kraft und Phantasie. Und wo existiert ein prädestinierterer Ort für Antworten auf diese Fragen als in der Universität?
Meine Damen und Herren,
eines kann der Universität daher niemand abnehmen. Und das ist die Kunst zu denken und die kritische Befragung der eigenen Gegenwart. Hier sind alle Wissenschaften gefordert. Natürlich die Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch die Technik- und Naturwissenschaften. Was heute Innovation ist, wird morgen Teil der Lösung oder Bestandteil der Probleme sein, die uns alle betreffen.
Meine Damen und Herren,
mit dem Namen der Universität verbindet sich der Anspruch der „Universitas“, der Vertretung des „Allgemeinen“. Seit dem hohen Mittelalter bildet die Universität nicht nur den zentralen Ort, das vorhandene Wissen zu sammeln und neues hervorzubringen. Die Universität ist auch die Vertreterin des Universalen. In langwierigen Prozessen der Selbstbehauptung hat sie dieses Recht errungen. Die Universität hat sich als eine Einrichtung erfunden, in der über allgemeine Normen und Weltbilder gerungen, in der Haltungen und Lebensweisen entstanden und rational geprüft wurden. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich diese Idee nicht überlebt hat, ja das sich ihre Modernität in der Zukunft des 21. Jahrhunderts beweisen wird.
Wir brauchen unsere Universitäten als Ideenspender, als Innovationsherde und als kritische Begleiter der riskanten Ordnungen des 21. Jahrhunderts. Die Stadt Leipzig braucht eine derart starke und mutige Universität Leipzig.
Der französische Philosoph, Jacques Derrida, hat in einem Vortrag mit dem Titel „Die unbedingte Universität“ diese Idee der Universität auf den Punkt gebraucht. Für ihn bildet die Universität einen Raum, der „bedingungslos von jeder einschränkenden Bedingung frei sein sollte.“ Und weiter sagt er: „Die Universität müsste der Ort sein, an dem nichts außer Frage steht und die Universität sollte das Recht besitzen, alles zu sagen und es öffentlich zu sagen“: Aber dieses Recht, so Derrida, kann sie nur beanspruchen: indem die Universität „die Wahrheit zum Beruf macht“; das heißt ein „Wahrheitsgelübde“ für die Gemeinschaft ablegt.
Meine Damen und Herren,
meine große Hoffnung ist, dass unsere Leipziger Universität sich dieser Aufgabe gewachsen zeigt. Dann wird sie weiter Hunderte von Jahren Leipzigs Entwicklung vorantreiben, weil sie anziehende attraktive Denkräume besetzt.