Preisträger im Wettbewerb zum Leipziger Freiheits-und Einheitsdenkmal gekürt
Der Wettbewerb zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal ist entschieden. Das international besetzte Preisgericht unter Vorsitz von Prof. Henri Bava hat folgende Preisträger gekürt:
- M + M, Marc Weis, Martin de Mattia, München; Annabau Architektur und Landschaft, Sofia Petersson und Moritz Schloten, Berlin
- realities: united, Studio for art and architecture, Jan Edler und Tim Edler, Berlin mit Schlaich Bergermann und Partner Beratende Ingenieure, Berlin; Prozessagenten Susanne Jaschko, Berlin und Belgrad Creative, Leonard Streich, Berlin
- Anna Dilengite, Tina Bara, Alba d’Urbano, Leipzig
Drei völlig verschiedene Entwürfe
"Die Entwürfe geben drei völlig verschiedene Antworten – vom Garten, über eine Demokratiewerkstatt bis zum Mitnehm-Denkmal – auf die Aufgabe, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu schaffen", so Oberbürgermeister Burkhard Jung.
Drei völlig verschiedene Antworten
Die Vertreterin des Bundes Dr. Sigrid Bias-Engels erklärte: "Der gewaltfreie Protest und die Zivilcourage vieler DDR-Bürger in der Friedlichen Revolution insbesondere in Leipzig werden mit den preisgekrönten Entwürfen in eine eindrucksvolle künstlerische Formensprache umgesetzt. Durch den Beschluss des Deutschen Bundestages und der Förderung des Kulturstaatsministers mit bis zu fünf Millionen Euro konnte das Denkmalprojekt ín die Tat umgesetzt werden. Der heute ausgewählte Siegerentwurf regt zur persönlichen Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte an. Das herausragende Engagement der Menschen für Freiheit, Demokratie und Einheit und gegen die SED-Diktatur wird nun durch das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal dauerhaft in Erinnerung bleiben."
Staatsminister Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei: "Das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal wird an ein Jahrhundertereignis deutscher und europäischer Geschichte erinnern. Dank dem Mut und der Entschlossenheit der Menschen in der DDR ist es gelungen, eine Diktatur mit friedlichen Mitteln zu stürzen und die Teilung Europas zu überwinden."
Das Vorhaben einschließlich des Wettbewerbsverfahren wird mit bis zu 6,5 Millionen Euro als Zuwendungsmaßnahme durch den Bund (5 Mio. Euro) und den Freistaat Sachsen (1,5 Mio. Euro) gefördert. Das Denkmal soll zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz eingeweiht werden.
Zum Wettbewerb
Von den aus 325 Bewerbungen ausgewählten 41 Teilnehmern waren 39 Entwürfe bei dem den Wettbewerb im Auftrag der Stadt Leipzig betreuenden Architekturbüro ANP in Kassel eingegangen. Das Preisgericht tagte am 5. und 6. Juli in Leipzig. Als Wettbewerbssumme stehen insgesamt 175.000 Euro zur Verfügung. Davon werden 55.000 Euro als Preise und 120.000 Euro als ein Bearbeitungshonorar in gleichen Teilen an alle Teilnehmer ausgezahlt, die einen zur Beurteilung zugelassenen Entwurf eingereicht haben.
Auszüge aus der Preisgerichtsbeurteilung
1. Preis "70.000"
Die Arbeit übersetzt das Wesen der Friedlichen Revolution von 1989 als Bewegung einer Vielzahl von Individuen ohne Anführer in ein geometrisches buntes Farbenfeld. Die Ordnung der Geometrie kann als Ablauf der Montagsdemonstrationen "in geordneten Bahnen" gelesen werden und bringt somit die Gewaltfreiheit zum Ausdruck. Aus der Überlagerung des Farbfeldes mit jeweils gleichfarbigen Hockerobjekten werden Ideen zur Denkmaleröffnung am 9. Oktober 2014 und zur Partizipation entwickelt.
Die gewollte Mitnahme der Objekte in private und öffentliche Räume trägt den Gedanken der Redefreiheit in jeden Winkel der Stadt und darüber hinaus. Ein wesentliches Grundthema der Revolution von 1989 bleibt somit lebendig, ggf. sind sogar Aktionen des "Wiedervereinigens und/oder Weitergabe der Kuben" zu Jahrestagen oder sogar "Erneuern der Kubenmitnahmeaktion" zu Jubiläumsjahren denkbar.
2. Preis "Eine Stiftung an die Zukunft"
Die Arbeit gestaltet einen "Platz der Meinungsfreiheit", der für die Ur-Idee von Demokratie steht. In besonderer Weise hebt der Entwurf auf den urbanen öffentlichen Platz als Ort der Versammlung und freien Rede ab. Das Konzept zeigt klar definierte Nutzungszonen mit unterschiedlicher Aufenthaltsqualität. Die Arbeit als künstlerisch-sozialer Prozess lockt zum Wiederkommen (man hat sie nicht "einmal gesehen"). Der performative Gestus lässt sich mit dem Leipziger Lichtfest kombinieren.
Die Losung "Wir sind das Volk" wird als Einzige in dauerhaftem Material herausgehoben. Sie wird jedoch zugleich eingebettet in einen historischen Prozess der ständigen Aktualisierung dieser Idee der demokratischen Selbstbestimmung. Die besondere künstlerische Qualität besteht im Konzept der Formfindung aus einem Prozess der Partizipation. Durch die Beteiligung der Bürger entsteht ein "Bild": ein kollektives "Meinungs-Bild", um dessen "Komposition" sowohl politisch wie künstlerisch gerungen wird. Dieses abstrakte farbige Bild ermöglicht viele Assoziationen: Knotenpunkt, Explosion der Meinungen, Fächer der Vielfalt.
In besonderem Maße zeigt der Entwurf "Geschichte" als Prozess der "Schichtungen": ein Wechsel von Erinnerung und von Vergessen. Das Altern ist nicht ein "Defekt" sondern Kernbestandteil des Konzepts.
3. Preis "Herbstgarten"
Die Arbeit verwandelt den gesamten Platzraum in einen Obstgarten, der durchquert wird von dem Schriftzug "keine Gewalt" in Form einer Rauminstallation. Der Obstgarten mit Apfelbäumen verweist mit seinem jahreszeitlichen Zyklus von Blüte und Ernte, von Wachstum und Erneuerung auf die Leipziger Revolution wie auch auf Widerstandsbewegungen in anderen Städten, Ländern und Zeiten. Die Nutzung des Gartens, seine Pflege, zum Beispiel über Patenschaften, und die Ernte der Äpfel als gemeinschaftliche Aktion verleiht dem Platz den Charakter eines "gesellschaftlichen Handlungsraums".
Gelobt wird vor allem die hier erhoffte Aufenthaltsqualität, in der sich eine entspannte Gartennutzung mit historischen und aktuellen Gedanken, Assoziationen und Auseinandersetzungen verbinden kann. Gerade im Motiv des Apfelbaums sind nach Meinung der Jury unterschiedliche Metaphern und Bezüge enthalten, von der Bibel über Luther bis zu aktuellen Losungen.