Internationale Jugendwerkstatt zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal
In Kooperation mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Bildungswerk Sachsen der Deutschen Gesellschaft e. V. wurde vom 14.02. bis 16.02. 2011 in Leipzig eine internationale Jugendwerkstatt mit Jugendlichen aus Houston, Krakow, Hannover und Leipzig durchgeführt. Die Jugendlichen befragten Zeitzeugen der Friedlichen Revolution aus Leipzig, Dresden und Plauen zu den Ereignissen des Herbstes 89 und entwickelten daraus ihre Ideen für die Botschaft des Denkmals, die künstlerische Umsetzung und den Standort.
Die Teilnehmenden der Jugendwerkstatt haben für sich einen Weblog eingerichtet, der bisher viele Stimmen aufgefangen hat.
Die Botschaft des Denkmals
Gewaltfreiheit
Im Gespräch mit den Zeitzeugen beeindruckte uns immer wieder die gewaltfreie Lösung eines derart komplexen Konflikts. Deswegen sollte eine der wichtigsten Botschaften des Denkmals sein, dass eine Veränderung mit friedlichen Mitteln möglich ist.
Mut zum Handeln / Aktiv werden
In der Diskussion wurde uns bewusst, dass der Herbst 89 für die Beteiligten für die Entdeckung der Zivilcourage steht. Aufstehen und Handeln, sich für Ziele gemeinsam einzusetzen, dafür steht für uns die Friedliche Revolution. Wir und auch zukünftige Generationen sollten immer wieder daran erinnert werden, dass es sich lohnt, Mut zu haben und sich für seine eigene Meinung einzusetzen.
Durchhaltevermögen / Zusammenhalt
Die regelmäßigen Friedensgebete und Montagsdemonstrationen über einen langen Zeitraum waren für uns sehr beeindruckend. Der Zusammenhalt unter den Demonstranten, die sich vorher nicht kannten, ist für uns ein wesentlicher Baustein für den Erfolg der Friedlichen Revolution.
Menschen- und Grundrechte
Sie stehen für die Forderungen der Menschen und müssen immer wieder neu erstritten und geschützt werden. Das Denkmal sollte dazu beitragen, diesen Streit immer wieder neu zu führen.
Positive Veränderung
Der gesamte Prozess der Friedlichen Revolution führte zu einer politischen Veränderung, die gewaltfrei und ohne Blutvergießen durchgesetzt werden konnte. Das Denkmal steht für diesen Prozess, der auch für zukünftige Generationen eine Motivation sein soll.
Wünsche für die Umsetzung
In der Jugendwerkstatt haben wir unsere Wünsche für die Umsetzung des Freiheits- und Einheitsdenkmals formuliert. In diesem Zusammenhang war es uns wichtig, dass es zukunftsgerichtet ist. Wir meinen damit, dass ein Denkmal nicht nur das historische Ereignis wiedergeben soll. Es muss auch eine Botschaft enthalten, die man in das Leben der folgenden Generationen übertragen kann.
Raum für Deutungen lassen
Besucher und Betrachter sollten sich mit dem Denkmal identifizieren können. Dafür ist es wichtig, dass Raum für eigene Deutungen und Interpretationen gelassen wird. Indem jeder Betrachter seine eigene Geschichte in das Denkmal mit hineinträgt, bleibt das Ereignis auch im Gedächtnis. Es entsteht eine Verbindung zwischen den historischen Ereignissen und den Personen, die nicht selbst Zeugen dieser Zeit gewesen sind.
Authentizität / Inhalt
Inhaltliche Authentizität sollte eine wichtige Rolle spielen. Als besonderes Zitat aus den Zeitzeugengesprächen ist uns dabei im Gedächtnis geblieben, dass die Demonstranten von 89 nicht für ein protziges Denkmal auf die Straße gegangen sind. Es sollte einen menschlichen Maßstab behalten.
Möglichkeit verschiedene Perspektiven einzunehmen
Die Friedliche Revolution von 1989 hat viele unterschiedliche Gesichter. Sie ist friedlich verlaufen, weil die Demonstranten immer wieder „Keine Gewalt“ gefordert haben und von Seiten der Demonstranten keine Aggression ausgegangen ist. Sie ist aber auch friedlich verlaufen, weil Polizei und Sicherheitskräfte besonnen gehandelt haben und weil es den Schießbefehl schließlich doch nicht gegeben hat. Das Denkmal sollte daher den Blick auf verschiedene Perspektiven ermöglichen und verdeutlichen, dass Menschen durch Kommunikation und nicht durch Gewalt ihre Ziele verwirklichen können.
Dynamik beschreiben
Im Jahr 1989 kam es zur Friedlichen Revolution, weil viele Leute Mut bewiesen haben und für ihre Rechte und Wertvorstellungen eingetreten sind. Dieser Prozess hat sich auf eine dynamische Weise ereignet. Alle Zeitzeugen haben eindrucksvoll davon berichtet, wie sich die Anzahl der Demonstranten immer weiter vergrößert hat und wie man gemeinsam in Bewegung gekommen ist: Aufstehen, Singen, Rufen, Gehen, Kerzen anzünden. Das Denkmal sollte diese Dynamik aufgreifen und weiterentwickeln.
Stadtring
Im Zusammenhang mit der Dynamik bekommt auch der Stadtring eine besondere Bedeutung. Am 9. Oktober wurde der Ring durch die Demonstranten vollständig geschlossen, was zu großem Jubel und Freude führte. Einige Zeitzeugen haben sogar die These aufgestellt, dass es ohne den Ring die friedliche Revolution nicht gegeben hätte. Wir wünschen uns daher, dass er zumindest symbolisch eine wichtige Rolle bei der Planung des Denkmals spielt.
Ekstase
In den Zeitzeugengesprächen kam immer wieder zum Ausdruck, dass trotz der Angst eine große Fröhlichkeit unter den Demonstranten herrschte. Man sang zusammen in den Kirchen, man hatte sich untergehakt, man dichtete und rief Slogans. Manchen war der Begriff „fröhlich“ hierfür zu schwach, sie beschrieben die Stimmung als „ekstatisch“. Uns ist wichtig, dass der Aspekt der Freude im Denkmal Berücksichtigung findet.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir ein modernes, zukunftgerichtetes Denkmal fordern, das den Betrachter zu einem Teil des Ganzen werden lässt. Wir können uns z.B. ein Denkmal vorstellen, welches den Betrachter spiegelt oder auch Fußabdrücke, die die Bewegung der Demonstrationen darstellen. Auch ein dynamisches, ständig wachsendes Puzzle, das den Betrachter mit einbezieht, wäre denkbar. Es stellt für uns den nie zu Ende gehenden Prozess der Veränderung dar, an dem wir selbst mitwirken können und sollten.
Gedanken und Empfehlungen zum Standort
Augustusplatz
Begonnen haben wir mit dem Augustusplatz. Hier war vor allen Dingen die Gruppe aus Krakau dafür, dass das Denkmal auf jeden Fall hier errichtet werden müsste. Die Gründe dafür waren:
- die historische Bedeutung des Platzes in Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution
- die zentrale Lage, mit vielen Besuchern und Laufpublikum
- der Platz als touristischer Anziehungspunkt
Dagegen äußerte sich die Leipziger Gruppe eher negativ:
- Der Platz ist bereits schön, die vielen Brunnen, Denkmäler, etc. die sich bereits darauf befinden, bilden eine Einheit, die durch ein neues Denkmal zerstört würde.
- Eigentlich ist der Platz jetzt schon sehr voll.
- Ein Denkmal müsste sehr auffällig sein, damit man es überhaupt wahr nimmt. Damit würde es aber unter Umständen andere Dinge verdecken.
Die Gruppe, die an der stadträumlichen Führung teilgenommen hatte, äußerte außerdem Bedenken wegen der Statik. Für ein schweres Denkmal müsste die Tiefgarage verstärkt werden, das würde enorme Kosten nach sich ziehen.
Als Lösung schlug die Gruppe vor, das Denkmal auf den Leuschner Platz zu bauen, den Augustusplatz aber trotzdem in "Platz der Friedlichen Revoultion" umzubenennen.
Wilhelm-Leuschner-Platz
Der Leuschnerplatz war der klare Favorit. Dafür sprechen folgende Punkte:
- Der Platz liegt strategisch günstig zwischen Stadtbibliothek und Neuem Rathaus bzw. Innenstadt.
- Er zieht viele Menschen an - vor allem durch die Haltestellen von Straßenbahn und Citytunnel.
- Das Denkmal würde den ganzen Platz beleben.
- Es ist noch viel Platz vorhanden.
- Das Denkmal wäre durch die Neugestaltung des Platzes ein Zugewinn für die ganze Stadt.
- Eine Achse zum Völkerschlachtdenkmal wäre möglich.
- Vermutlich ist das die günstigste Variante (allerdings wurden Bedenken wegen der Statik des Citytunnels geäußert).
Dagegen spricht:
- Der Leuschnerplatz ist kein direkter Schauplatz der Friedlichen Revolution.
Hier wurde folgende Lösung angeboten:
- Vielleicht könnte man ein „Ringdenkmal" mit einem Denkmal auf dem Leuschnerplatz verbinden.
Auf der historischen Führung wurde darauf hingewiesen, dass die Demonstranten am 9. Oktober 1989 der Ring zum ersten Mal komplett umliefen. Am Leuschnerplatz schloss sich der Zug.
Ring
Der Ring als Ganzes bekam nur zweifelnden Zuspruch. Dafür spricht:
- Ein Großteil der historisch relevanten Orte wird abgedeckt.
- Der Protest war eine Bewegung. Diese ließe sich mit einem Ringdenkmal besser verdeutlichen als mit einem statischen Monument an einem bestimmten Ort.
Dagegen spricht:
- Als Laufstrecke ist die Distanz zu groß (ca. 2 km), außerdem kann man den Ring als Fußgänger nicht durchgängig ablaufen.
- Es gibt keinen zentralen Ort des Gedenkens.
- viele kleine Denkmäler gibt es schon. Noch mehr würden eher verwirren
Wenn man über die Inhalte des Denkmals nachdenkt, dann scheint es bei einem Ringdenkmal nur möglich, die historischen Ereignisse in den Vordergrund zu rücken. Ein zukunftsgewandtes Denkmal konnten wir uns hier nicht vorstellen.
Als Lösungsansätze haben wir zusammengetragen:
- Vielleicht gibt es einen Entwurf, der es möglich macht, an irgend einer Stelle des Rings anzufangen und damit das Ringdenkmal als ganzes zu verstehen.
- Es bietet sich eine Kombination mit dem Leuschnerplatz an.