Das Alte Rathaus entsteht - Über den Baumeister Hieronymus Lotter
Im Dezember des Jahres 1555 schrieb der Leipziger Rat an den sächsischen Kurfürsten August (im Volksmund "Vater August" genannt): "Wir werden aus dringender Not geursacht, unser Rathaus bauen und bessern zu lassen, dann (denn) die Dachungen (sind) also schadhaft, dass wir darunter nicht treuge (trocken) sitzen und wohnen können." Mit der Leitung des Rathausbaues beauftragte der Rat den eben zum Bürgermeister gewählten Hieronymus Lotter.
Der in Nürnberg als Sohn eines Tuchhändlers geborene Lotter kam 1522 nach Leipzig, um hier die Geschäfte seines Vaters zu führen. Elf Jahre später erwarb er das Bürgerrecht. Ursprünglich ohne jegliche Ausbildung zum Baumeister oder Architekten bewährte er sich bei den Befestigungsarbeiten in Leipzig. Kurfürst Moritz beauftragte Lotter mit der Wiedererrichtung der im Schmalkaldischen Krieg zerstörten Stadtbefestigung, der Moritzbastei und der Pleißenburg. Nach dem frühen Tod des Herrschers erfreute sich Lotter als "kurfürstlicher Baumeister" des Vertrauens seines Nachfolgers August. In Leipzig entstanden weiterhin unter seiner Leitung das Fürstenhaus, die Alte Waage und sein Hauptwerk, das Alte Rathaus. Im Februar 1556 soll Lotter selbst den Grundstein für dessen Neubau an der Ecke Markt/Salzgässchen gelegt haben. Bereits ein Jahr später war der Innenausbau beendet. Lotter selbst berichtet über eine noch kürzere Bauzeit: "Danach hab ich [...] das alte Rathaus laßen einreißen und zum Teil die alten Gründe und etzlich Mäuerwerk zu Hülffe genommen und [...] solch Rathaus, wie es ietzo steht, in neun Monat, daß solches wieder zu bewohnen gewest, gar auserbaut [...]"
Im Alter von 69 Jahren begann Lotter auf Geheiß des Kurfürsten August mit dem Bau der Augustusburg bei Chemnitz. Genötigt, seinen Wohnsitz ins Erzgebirge zu verlegen, konnte Lotter sich seinen Leipziger Geschäften nicht mehr widmen. Streitigkeiten mit dem Kurfürsten ließen Lotter in Ungnade fallen, erhebliche Summen, die er für den Bau ausgelegt hatte, bekam er nie wieder. Schließlich führten missglückte bergmännische Unternehmungen zu seiner Verarmung. Lotter starb 83-jährig 1580 auf seinem "Lotterhof" in Geyer.
Autor: Tobias Kobe