120 Jahre Justizpalast - Vom Reichsgericht zum Bundesverwaltungsgericht
Das Gebäude des ehemaligen Reichsgerichts und heutigen Bundesverwaltungsgerichts blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Vor 120 Jahren - am 26. Oktober 1895 - wurde der Justizpalast durch Kaiser Wilhelm II. feierlich eröffnet. Nach nur siebenjähriger Bauzeit - unter Leitung des bis dahin unbekannten Architekten Ludwig Hoffmann - zog das 1879 in Leipzig gegründete Reichsgericht als höchstes Gericht in Zivil- und Strafsachen in sein neues Gebäude ein.
In den folgenden 50 Jahren erwarb sich das Reichsgericht Verdienste um die Fortbildung des Privatrechts, insbesondere bei der Auslegung des am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuches. Es hatte aber auch über eine Reihe kontroverser strafrechtlicher Verfahren zu entscheiden wie den Reichstagsbrandprozess. In diesem Verfahren klagten die Nationalsozialisten fünf Kommunisten an, den Brand des Reichstagsgebäudes in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 gelegt zuhaben, und führten hierfür rückwirkend die Todesstrafe ein. Das Reichsgericht sprach zwar vier Angeklagte - darunter den Bulgaren Georgi Dimitroff - mangels Tatbeteiligung frei, verurteilte den Niederländer Marinus van der Lubbe aber wegen Brandstiftung zum Tode.
"Dimitroff-Museum" mit Kunstsammlung zu DDR-Zeiten
Nach 1945 wurde das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Gebäude nur unzureichend saniert und fortan vor allem als Kunstmuseum genutzt; unter dem Namen "Dimitroff-Museum", der an die erfolgreichen Verteidigungsreden des bulgarischen Kommunisten im Reichstagsbrandprozess erinnern sollte, präsentierte es die Kunstsammlungen der Stadt Leipzig.
Mit dem Ende der DDR kehrte das Gebäude zu seinem ursprünglichen Nutzungszweck zurück: Die Unabhängige Föderalismuskommission des Bundes und der Länder empfahl am 27. Mai 1992, das bis dahin in Berlin residierende Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig zu verlegen.
Zu diesem Zweck wurde das Reichsgerichtsgebäude von 1998 bis 2002 aufwändig saniert und umgebaut. Seit September 2002 beherbergt es das oberste deutsche Verwaltungsgericht und damit die höchste Instanz für Klagen von Bürgern gegen Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung.
Besuchern steht das Gebäude von Montag bis Freitag zwischen 8 und 16 Uhr offen.
Autorin: Kathleen Ordnung