Leipziger Vorträge zur Stadtgeschichte
In Vorbereitung auf das Stadtjubiläum 2015 und im Zuge der wissenschaftlichen Arbeiten an der vierbändigen Stadtgeschichte wurde der Ruf nach einem angemessenen Forum für die Vorstellung laufender Arbeiten und aktueller Forschungsergebnisse laut. Gemeinsam mit der Sparkasse Leipzig, der Universität Leipzig und dem Leipziger Geschichtsverein wurde eine neue Vortragsreihe ins Leben gerufen, die sich vor allem an die interessierte Öffentlichkeit richtet.
Vierteljährlich sollen Nachwuchswissenschaftler/-innen oder ausgewiesene Experten und Expertinnen ein stadtgeschichtliches Thema verständlich präsentieren. Auch der Auftritt von auswärtigen Referentinnen und Referenten sowie renommierter Vertreter/-innen des Forschungsgebietes Stadtgeschichte ist geplant.
Den Auftakt der Veranstaltungsreihe bildete im November 2011 der Vortrag des Leiters des Instituts für vergleichende Städtegeschichte Münster, Prof. Dr. Werner Freitag, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Projekts "Wissenschaftliche Stadtgeschichte Leipzigs 2015" ist.
Wo?
Neues Rathaus - Ratsplenarsaal oder Festsaal
Wann?
Zu den angegebenen Terminen, jeweils 18:00 Uhr
Der Eintritt ist stets kostenfrei und ohne Voranmeldung möglich.
Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2015
10. Dezember: Zwischen kirchlicher und weltlicher Macht
Der "Leipziger Investiturstreit" um 1600.
Am Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Grenze zwischen kirchlicher und weltlicher Macht in Leipzig neu vermessen. Zwischen der kirchlichen Verwaltungsbehörde, dem Konsistorium, und dem Leipziger Rat brach ein langwieriger Konflikt über das städtische Patronatsrecht auf, der mit großer Heftigkeit ausgefochten wurde. 60 Jahre nach der Einführung der Reformation in der Stadt berührte der Kern der Kontroverse die Grundfesten des landesherrlichen Kirchenregiments, da um die Rechte der Investitur und Absetzung Leipziger Pfarrer und Küster gestritten wurde. Er sollte Nachwirkungen bis ins 19. Jahrhundert zeitigen.Neben einem quellenorientierten ereignisgeschichtlichen Überblick soll der Konflikt als Problemfall der Konfessionalisierung nach dem Scheitern der Religionspolitik Kurfürst Christians I. im Kurfürstentum Sachsen untersucht werden.
Johannes Träger ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Spätmittelalter, Reformation und territoriale Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Im Rahmen seines Dissertationsvorhabens beschäftigt er sich mit der Geschichte des Leipziger Konsistoriums im 16. und 17. Jahrhundert.
Bereits am 17. September: Jubiläen und Festkultur in Leipzigs Vergangenheit
Zum Wandel städtischer Feiern im 19. Jahrhundert.
Bedeutende historische Jubiläen wurden im 19. Jahrhundert in Leipzig mehrtägig gefeiert. Jeweils zehntausende Menschen nahmen an diesen stadtöffentlichen Feiern teil. Damit stellten sie im Leben der Menschen ein herausragendes außeralltägliches Ereignis dar. Besondere Anziehungskraft hatten Feste mit geschichtsträchtigem Anlass. Anhand zahlreicher Bild- und Schriftquellen wird deutlich, wie diese "Erinnerungsfeiern" versuchten, einem verschiedenartigen Publikum Geschichte zu vergegenwärtigen. Dabei werden deren Wandel, Ausdrucksformen und zeitbedingte Einflüsse berücksichtigt.
Dr. des. Frank Britsche ist Historiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Lehreinheit Geschichtsdidaktik am Historischen Seminar der Universität Leipzig. Er forscht, lehrt und publiziert zu den Themen Geschichtskultur, Erinnerungsorte und public history im 19. und 20. Jahrhundert.
Bereits am 27. August: Kriegerische Stadt? (im Völkerschlachtdenkmal)
Aus Leipzigs Militärgeschichte.
Vortrag und Buchvorstellung im Völkerschlachtdenkmal
In seiner achthundertjährigen Stadtgeschichte gilt Leipzig vor allem als friedliche Stadt des Handels, der Musik und ausgeprägten Bürgersinnes. Dennoch wurde das weltoffene Gemeinwesen oft mit den militärischen Konflikten der Zeitläufte konfrontiert. In den Kriegen des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts war es stets sowohl Beute, als auch Faustpfand in den Händen des jeweiligen Heerführers. Gerade ihr Wohlstand machte die Stadt für vorbeiziehende Truppen wiederholt zum begehrten Quartierstandort und zur Quelle schier unerschöpflicher Kontributionen. Besonders die unweit seiner Tore geschlagenen großen Schlachten des Dreißigjährigen und der Befreiungskriege verbinden Leipzig mit Kriegsereignissen europäischer Dimensionen. Doch weitaus häufiger taugte Kriegsgerät hier nur als Handelsware oder bei Turnieren und anderen Geselligkeiten zur Zerstreuung von Adel und Bürgertum.
Anhand historischer Sammlungsobjekte aus dem Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums werden herausragende, signifikante oder auch kuriose Ereignisse aus rund 400 Jahren Leipziger Militärgeschichte streiflichtartig vorgestellt. Der Bogen spannt sich dabei von der Belagerung der Stadt im Schmalkaldischen Krieg 1547 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945.
Referenten: Steffen Poser und Dr. Sebastian Schaar
Buchvorstellung: Leipzig als Garnisonsstadt (1866-1945/49)
Der Vortrag umrahmt die Vorstellung des nunmehr bereits zehnten Bandes in der Reihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig" zur Garnisonsstadt Leipzig. Prof. Dr. Ulrich von Hehl stellt den von ihm und Dr. Sebastian Schaar aus dem Nachlass des Leipziger Militärhistorikers Dr. Dieter Kürschner herausgegebenen Band vor.
Referent: Prof. Dr. Ulrich von Hehl
Vortrag und Buchvorstellung finden am 27. August 2015 um 18:00 Uhr im Medienraum im Fundament des Völkerschlachtdenkmals
Bereits am 18. Juni: 1015. Leipzig von Anfang an
Eine historisch-archäologische Spurensuche.
Historiker und Archäologen sind selten einer Meinung, erst recht nicht, wenn es die Frühgeschichte einer Stadt darzustellen gilt. Zuletzt gewann die moderne Stadtgeschichtsforschung neue Erkenntnisse, indem sie Archivalien zu den Anfängen der Stadt Leipzig neu befragte. Auch Archäologen gewannen neue Einsichten, da zahlreiche Grabungen in der Innenstadt Leipzigs stattfanden. Die Ergebnisse beider Disziplinen ergänzen und widersprechen einander gleichermaßen. Der Diskurs, ob die Schriftquellen überzeugender als die Sachkultur sind, hat die Forschung beflügelt. Der Vortrag präsentiert die Ergebnisse beider Disziplinen zu den Anfängen der Stadt Leipzig in der Vielfalt ihrer Überlieferungsformen. Dabei geht es nicht nur um den Werdegang der Stadt als solchen, sondern vor allem um das Typische an Leipzig, das doch im Wesentlichen bis um 1500 seine Ausprägung erfährt.
Dr. Maike Günther, Historikerin und Kuratorin für Stadt- und Landesgeschichte bis 1800 am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Nach der Promotion an der TU Dresden, war sie bis 2012 Leitende Kuratorin für den Bereich "Von der slawischen Aufsiedlung bis zur Industrialisierung" im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die sächsische Landesgeschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit, Stadtgeschichte und Archäologie.
Bereits am 12. März: Allein unter Männern
"Die Fotografin Bertha Wehnert-Beckmann 1815-1901."
Als erste Berufsfotografin Europas leistete Bertha Wehnert-Beckmann Pionierarbeit auf dem Gebiet der Fotografie. Nachdem die Grenzen der ersten fotografischen Technik, der Daguerreotypie, immer deutlicher wurden, widmete sie sich als erste in Leipzig den Arbeiten auf Papier und stereoskopischen Architekturaufnahmen. Dabei musste sie sich neben einer stetig wachsenden Zahl von Konkurrenten auf einem offenem Markt behaupten. Ab den 1850er Jahren kam es zu ersten Spezialisierungen. Während "Mitbewerber am Markt" neben den üblichen Atelieraufnahmen zunehmend das Stadtbild als Motiv entdeckten, blieb Bertha Wehnert-Beckmann ihrer Passion, dem Fotografieren der Menschen, treu.
Christoph Kaufmann, Diplomhistoriker und Museologe, ist Kurator der fotografischen Sammlung am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Er forschte und publizierte bisher zur Situation der Jungen Gemeinde im Spannungsjahr 1953, zur Baugeschichte des Neuen Gewandhauses und zur Trümmerbahn in Leipzig. Er betreute zahlreiche Fotoausstellungen und veröffentlichte mehrere Publikationen zum Lebenswerk der Fotografenfamilie Walter.
Vorträge der vergangenen Jahre
Alte und neue Fragen der Stadtgeschichte
Vortrag von Prof. Dr. Werner Freitag am 7. November 2011.
Der Referent ist Leiter des Instituts für vergleichende Städtegeschichte Münster und auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Vorhabens Stadtgeschichte.
Die Bedeutung Leipzigs für die Geschichte des Urheberrechts im 19. und 20. Jahrhundert
Vortrag von Matthias Wießner am 26. Januar 2012.
Der Referent ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, Doktorand an der Research Academy der Universität Leipzig und dem DFG-Graduiertenkolleg „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ der Universität Bayreuth
Die Beispiele Leipzig und Stralsund
Vortrag von Dr. Detlef Brunner am 12. April 2012.
Der Referent vertritt derzeit den Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte der Universität Leipzig. Nach der Promotion an der TU Berlin und der Habilitation an der Universität Rostock war er von 2007 bis 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München, Abt. Berlin tätig. Forschungsgebiete liegen in der sozialen und politischen Geschichte des 19./20. Jahrhunderts, aktueller Arbeitsschwerpunkt ist die deutsch-deutsche Verflechtungsgeschichte nach 1945.
Die Leipziger Stadteliten und das Festmahl der "Gelben Suppe" im 19. Jahrhundert
Vortrag von Dr. Andreas Schneider am 14. Juni 2012.
Der Referent ist ist freiberuflicher Historiker, Autor und Redakteur. Nach Studium und Promotion an der Universität Leipzig war er 25 Jahre lang Lexikonfachredakteur und Projektmanager Geschichte, Politik und Kulturgeschichte sowie historische Hilfswissenschaften und europäische Ethnologie im Verlag Bibliographisches Institut Leipzig.
Die Leipziger Stadtverwaltung zwischen Mauerbau und Mauerfall am Beispiel der städtischen Wohnungspolitik
Vortrag von Christian Rau am 1. November 2012.
Der Referent ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Leipzig. Seine Hauptarbeitsschwerpunkte sind Adel und Bürgertum, Nation und Nationalismus sowie Verwaltungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. In seinem Dissertationsprojekt beschäftigt er sich mit dem Rat der Stadt Leipzig 1957–1989 und analysiert Struktur, Personalentwicklung und Herrschaftsalltag.
Ein Blick in die spätmittelalterlichen Lebenswelten der Stadt
Buchvorstellung von Dr. Jens Kunze am 7. Februar 2013
Das Leipziger Schöffenbuch von 1420 bis 1478 gehört zu den ältesten überlieferten Gerichtsbüchern Sachsens. Die Fülle des darin gesammelten Materials eröffnet den Blick auf die Entwicklung der spätmittelalterlichen Stadt und auf das reiche städtische Alltagsleben. Der Vortrag stellt die Edition dieser wichtigen stadtgeschichtlichen Quelle vor.
Das Buch erschien als Band 4 der Reihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig".
Sowjetische Militäradministration und Stadtverwaltung 1945-1949
Vortrag von Ivo Nußbicker M. A. am 21. März 2013
Mit dem Abzug der Amerikaner am 2. Juli 1945 wurde Leipzig – gemäß den Vereinbarungen der Alliierten auf der Konferenz von Jalta – in die sowjetische Militärverwaltung Deutschlands integriert. Im Vortrag wurden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Instanzen der SMAD und der Stadtverwaltung in den Jahren 1945-49 thematisiert. Besonders im Blick standen die Themenbereiche Versorgung (Nahrungsmittel, Brennstoffe, Pajok), Demontagen und Entnazifizierung.
Bürgerliche Kunstsammlungen und nationalsozialistische Kunstideologie im "Dritten Reich"
Vortrag von Thomas Stein M. A. am 20. Juni 2013
Die Verbindungen zwischen kunstsinnigem Leipziger (Groß-)bürgertum und städtischer Museumsadministration prägten den Aufbau der Kunstsammlungen seit ihrer Gründung. Der überwiegend konservative denn avantgardistische Kunstgeschmack der städtischen Eliten zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweckt heute den Anschein, dass während der Aktion "Entartete Kunst" im Vergleich zu anderen deutschen Kunstsammlungen das Museum der bildenden Künste Leipzig weniger von der Auflösung der Museumsbestände betroffen war. In den Blickpunkt des Vortrags rückte die Umsetzung der nationalsozialistischen Kunst-, bzw. Kulturpolitik in Leipzig, die Aktion "Entartete Kunst" im Museum, die Wanderausstellung und deren öffentlicher Wahrnehmung.
Kommunistische und sozialdemokratische Amateurfotografen zwischen Agitation und Dokumentation
Vortrag von Wolfgang Hesse M. A. am 10. Oktober 2013.
Im Spannungsfeld von Alltagserinnerung und Presseagitation ist die Arbeiterfotografie der Weimarer Republik mehr als nur Abschilderung von Lebensumständen. Die Aufnahmen und Biografien der proletarischen Amateure Fritz Böhlemann (KPD) und Albert Hennig (SPD) verdeutlichen durchaus widersprüchlich die Entwicklung einer visuellen Kultur als Teil des „Klassenkampfes“ in der Medienmoderne.
Leipzig im späten Mittelalter
Vortrag von Prof. Dr. Enno Bünz am 28. November 2013.
Das öffentliche Mittelalterbild ist einerseits von Lichtgestalten wie Kaisern und Königen bevölkert, die in publikumswirksamen Ausstellungen immer wieder gefeiert werden. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung vom „finsteren Mittelalter“ unausrottbar, gerade wenn es um das Alltagsleben breiter Bevölkerungsschichten in Stadt und Land geht. Aber was wissen wir tatsächlich vom Alltag unserer Vorfahren vor mehr als einem halben Jahrtausend? Kann der Historiker etwas Licht in das „finstere Mittelalter“ tragen?
Der Blick auf das mittelalterliche Leipzig soll dieses ferne Zeitalter näher rücken. Es ist nicht nur die Zeit, aus der wir kommen, sondern auch die Zeit, in der Leipzig entstanden ist.
Leipziger Stadtplanung und Architektur in den 1950er und 1960er Jahren
Vortrag von Prof. Dr. Thomas Topfstedt am 30. Januar 2014
Wie fast alle deutschen Großstädte erlitt auch Leipzig im Zweiten Weltkrieg schwere Zerstörungen. Parallel zu den Enttrümmerungsaktionen und der Wiederinstandsetzung öffentlicher Bauten begann 1946/47 die systematische Wiederaufbauplanung der Stadt. Nach Gründung der DDR gaben die SED und die DDR-Regierung die Richtlinien der Baupolitik vor. Gleichwohl erlebte Leipzig in den 1950er und 1960er Jahren einen bemerkenswerten Bauboom, dessen wichtigste Zeugnisse noch heute das Stadtbild mitprägen: Opernhaus, Hauptpostamt, Ringbebauung am Rossplatz, Neubauten der Universität, Zentralstadion und Deutsche Hochschule für Körperkultur, Messehaus am Markt.
Diese Leistungen sollen vor dem Hintergrund des 1956 einsetzenden Wandels von der stalinistischen Architektur der nationalen Bautraditionen hin zu einem modernen, wieder an internationalen Entwicklungen orientierten Architektur- und Städtebauleitbild bauhistorisch eingeordnet und gewürdigt werden.
Besatzungspraxis und Neuaufbau der Verwaltung unter amerikanischer Besatzung
Vortrag von Nora Blumberg M. A. am 10. April 2014
Mit dem unerwartet raschen Vorstoß der US-Armee kamen im April 1945 weite Teile Mitteldeutschlands zunächst unter amerikanische Besatzung. Nach Ende der Kampfhandlungen in Leipzig bestimmten Fragen des Neuaufbaus der Verwaltung und die grundlegenden Probleme der Ernährungssicherung und Entnazifizierung das Verhältnis zwischen der Leipziger Stadtverwaltung und der provisorischen Militärregierung. Im Mittelpunkt des Vortrages stehen neben diesen Problemfeldern die Fragen nach der Organisation der Besatzungsverwaltung und nach den Handlungsspielräumen des Bürgermeisters Johannes Vierling und des Polizeipräsidenten Heinrich Fleißner bis zum Abzug der amerikanischen Besatzer Anfang Juli 1945.
Vortrag von Steffen Heidrich M. A. am 17. Juli 2014
Mit der Jahrhundertwende 1900 ging eine Zeitspanne zu Ende, die im Rückblick erinnerungskulturell vor allem als das „deutsche Jahrhundert“ interpretiert wurde. In der entstehenden Mediengesellschaft Leipzigs rief dieses Ereignis, ein in der Forschung oft mit einer Wendementalität verbundener Zeitenwechsel, rege Debatten zwischen Fortschrittsoptimismus und Vergangenheitsglorifizierung hervor.
Der Vortrag gibt einen Einblick in diese Debatten, in denen die bürgerliche Mentalität in Leipzig sich auf unterschiedlichen Ebenen ausdrückt. Dabei spiegeln die Beiträge aus Leipziger Zeitungen zur Jahrhundertwende die teilweise brüchige Verfasstheit einer Gesellschaft in der Zeitenwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wieder.
Die älteste Stadtansicht Leipzigs von 1536/37
Vortrag von Dr. Henning Steinführer am 16. Oktober 2014
Bis vor wenigen Jahren war der Hans Krell zugeschriebene Holzschnitt der Stadt Leipzig von 1547 die älteste bekannte Gesamtdarstellung der Stadt. Insofern kam es einer kleinen Sensation gleich, als in einer auf Veranlassung des Pfalzgrafen Ottheinrich in den Jahren 1536/37 entstandenen Serie von Stadtansichten auch eine Ansicht der Stadt Leipzig entdeckt wurde. Art und Weise der Darstellung haben seitdem zu unterschiedlichen Meinungsäußerungen über die Entstehungsumstände und den Quellenwert dieser Stadtansicht geführt. Im Rahmen des Vortrages sollen die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten der Stadtansicht von 1536/37 diskutiert werden.
"Nicht Almosenspenderin, sondern helfende Freundin"
Vortrag von Doreen Franz M. A. am 11. Dezember 2014
Industrialisierung und stetes Anwachsen der städtischen Bevölkerung führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise und massiven Verelendungsprozessen. Das kommunale Fürsorgesystem konnte diesem doppelten Notstand nicht adäquat begegnen und so engagierten sich vor allem bürgerliche Vereine.
Im Mittelpunkt des Vortrags steht das Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Armenfürsorge und Privatwohltätigkeit, das sich am Beispiel der Städtischen Speiseanstalt verfolgen lässt. Die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts mehr und mehr ausdifferenzierende kommunale Sozialpolitik wird ebenso dargestellt wie das rege bürgerschaftlichen Engagement jener Zeit.