Tag der Stadtgeschichte 2018: Industrialisierungsprozesse und Industriekultur in Leipzig
Beim Tag der Stadtgeschichte 2018 geht es um Industrialisierungsprozesse und Industriekultur in Leipzig. Er nimmt an zwei Veranstaltungstagen nicht nur den rasanten Aufstieg des Industriestandortes Leipzig im Kaiserreich in den Blick, sondern fragt angesichts des reichen vor- und frühindustriellen gewerblichen Erbes auch nach den Anfängen und den Voraussetzungen, nach Kontinuitäten und Brüchen auf dem Weg ins Industriezeitalter. Ebenso gilt dem weiteren Schicksal der Leipziger Industrie im 20. Jahrhundert, dem "Zeitalter der Extreme" (E. Hobsbawn), das Interesse und insbesondere den Folgen und Wirkungen mehrfacher politischer Systemwechsel.
Zeit und Ort
- Freitag, 19.10.2018 ab 10 Uhr im Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses
- Samstag, 20.10.2018 ab 10 Uhr im Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses
Hinweis: Die Veranstaltung wechselt im weiteren Verlauf den Ort. Alle Zeiten und Orte sind dem Programm (PDF 567 KB) zu entnehmen.
Die öffentliche Veranstaltungen steht wie stets allen offen, ist kostenfrei und ohne Voranmeldung zu besuchen.
Tagungsankündigung
Leipzig vollzog in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Metamorphose von einer stark durch den Handel geprägten Mittelstadt hin zur industrialisierten Großstadt, in der dem Handel gleichwohl große Bedeutung zukam. Vor allem seit den 1860er Jahren nahm die gewerbliche Produktion einen Aufschwung und brachte eine vielgestaltige, blühende Industrie hervor. Die Stadt war nach der Wende zum 20. Jahrhundert das Zentrum der mitteldeutschen Industrieregion und zählte zu den bedeutendsten Industriestädten des Deutschen Reiches. 1914 lag sie in der Zahl der Großbetriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten an zweiter Stelle hinter Berlin. Da Leipzig weiterhin ein national und international bedeutsamer Messeplatz war, wies es vor dem Ersten Weltkrieg den Doppelcharakter einer bedeutenden Industrie- und Handelsstadt auf - in dieser Gleichzeitigkeit wohl einzigartig in Europa. Leipzig besaß zudem als Universitätsstadt einen beträchtlichen Ruf.
Wissenschaftliche Tagung und populärwissenschaftliches Begleitprogramm
Der Tag der Stadtgeschichte setzt sich aus einer wissenschaftlichen Tagung und einem populärwissenschaftlichen Begleitprogramm zusammen. Er richtet sich gleichermaßen an Fachhistoriker/innen und Geschichtslehrer/innen wie an historisch interessierte Laien und trägt damit vielfältigen Interessen an der Auseinandersetzung mit Geschichte Rechnung.
Wissenschaftlicher Diskurs zum Industriestandort Leipzig
Wichtigstes Ziel der wissenschaftlichen Tagung ist es, in Vorbereitung der 4. Sächsischen Landestaustellung 2020 zum Thema "Industrie.Kultur.Mensch" sowie des sächsischen "Jahres der Industriekultur" den wissenschaftlichen Diskurs zum Industriestandort Leipzig zu intensivieren, neue wirtschaftsgeschichtliche Forschungen anzuregen und gewonnene Erkenntnisse in die Beschäftigung mit dem Landesthema Industriekultur einzubringen. Denn obgleich zur Geschichte einzelner Leipziger Industrieunternehmen und -unternehmer eine kaum überschaubare Fülle an hagiografisch gefärbten Darstellungen existiert, fehlt es an neueren Studien mit wissenschaftlichem Anspruch, die moderne Fragestellungen und Theorieangebote zur Unternehmensgeschichte und zur Geschichte der Industrialisierung aufgreifen.
Das gilt sowohl im Hinblick auf fundierte Branchengeschichten als auch für die Erforschung einzelner Unternehmen, sei es als mikroökonomische Akteure, als soziale Interaktionsfelder, als kulturschaffende Institutionen oder als politische Akteure. Und es betrifft sowohl die Erforschung des langen Weges zur zentralisierten maschinellen Großproduktion, der in Leipzig mit der frühen Ansiedelung von Manufakturen begann, als auch der Bedingungsfaktoren internationaler Konkurrenzfähigkeit einer Reihe von Leipziger Unternehmen des Maschinen-, Werkzeugmaschinen-, Musikinstrumente- und Apparatebaus, der polygrafischen Gewerbe, Rauchwarenveredelung und chemischen Industrie, die am Ende des 19. Jahrhunderts und im Laufe des 20. Jahrhunderts mit innovativen Produkten erfolgreich auf globalen Märkten konkurrierten. Zudem stehen angesichts sozialer Verwerfungen und der in Leipzig bis 1933 starken Sozialdemokratie, Gewerkschafts- und Frauenbewegung Fragen und Probleme der Ausgestaltung der Arbeitsverfassung und weiblicher Erwerbsarbeit, betrieblicher Sozialpolitik und unternehmerischer Gemeinwohlorientierung auf der Forschungsagenda.
Vermittlung von Wissen über den Leipziger Weg in die Industriegesellschaft
Zu den Zielen des Begleitprogramms gehören sowohl die Förderung von Identifikationsangeboten als auch von Kritikfähigkeit durch die Vermittlung von Wissen über den Leipziger Weg in die Industriegesellschaft und über die spezifischen Stärken des Industriestandorts Leipzig, die Förderung des Interesses an Wissenschaft, Technik und Industriekultur im nicht abgeschlossenen Industriezeitalter, die Diskussion neuer Herausforderungen des digitalen Zeitalters und der Bedeutung von Bildung, Kreativität und Ideenaustausch, aber auch das Votieren für soziale Gerechtigkeit. Über die Beschäftigung mit Industriekultur im Freistaat Sachsen sollen sonst weitgehend isoliert voneinander agierende Gruppen vernetzt werden. So werden am Abend des ersten Veranstaltungstages im Kunstkraftwerk Lindenau, einem konkreten Zeugnis von Transformation, zeitgemäße Vermittlungsmöglichkeiten der historischen Dimension industriekulturell bedeutender Orte erlebbar gemacht.
Bei der Vorbereitung und Durchführung des Tages der Stadtgeschichte 2018 arbeiten Prof. Dr. Markus A. Denzel, Universität Leipzig, Prof. Dr. Susanne Schötz, TU Dresden, Dr. Helge-Heinz Heinker, das Stadtarchiv Leipzig, der Leipziger Geschichtsverein e. V. sowie das Kunstkraftwerk Lindenau zusammen.