Internationales Caroline-Neuber-Stipendium der Stadt Leipzig
Das internationale Caroline-Neuber-Stipendium wird seit dem Jahr 2020 vergeben und erweitert den seit 1998 vergebenen Caroline-Neuber-Preis. Es würdigt ein zeitgenössisches Theaterverständnis, das Theater als Ort wie als Medium der gesellschaftlichen Verständigung und des Dialogs im Zentrum einer lebendigen Stadtgesellschaft. Im Fokus stehen europäische Nachwuchskünstlerinnen, deren Wirken im Sinne der deutschen Schauspielerin und Theaterprinzipalin Caroline Friederike Neuber Maßstäbe setzt.
Die sogenannte "Neuberin" hatte im 18. Jahrhundert in Leipzig eine feste Theatercompagnie gegründet, ein eigenes Theater betrieben, dem Beruf der Schauspielerinnen und Schauspieler zu mehr Anerkennung verholfen und in Zusammenarbeit unter anderem mit Johann Christoph Gottsched eine Reform der Inhalte und Darstellungsweisen im deutschsprachigen Theater angestoßen.
Ausgezeichnet werden hervorragende, innovative und impulsgebende Leistungen von Künstlerinnen in allen Bereichen und Genres des zeitgenössischen Theaters.
Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 5.000 Euro und einem Arbeitsstipendium in Leipzig im Wert bis zu 10.000 Euro für Arbeits- und Produktionsmittel sowie Lebenshaltungs- und Reisekosten verbunden.
Sieben Leipziger Theaterinstitutionen, die international aktiv vernetzt sind, schlagen Künstlerinnen zur Auszeichnung vor und unterstützen später die jeweilige Stipendiatin bei ihrem Arbeitsaufenthalt in Leipzig. Die Partner des internationalen Caroline-Neuber-Stipendiums sind euro-scene Leipzig, Figurentheaterzentrum Westflügel Leipzig, LOFFT - Das Theater, Schauspiel Leipzig, Schaubühne Lindenfels, Theater der Jungen Welt und Oper Leipzig.
Aus den Nominierten wählt eine unabhängige Jury die Künstlerin aus, die das Stipendium erhalten soll.
Samara Hersch erhält Internationales Caroline-Neuber-Stipendium 2022/23
Die in Australien geborene und in Amsterdam lebende Künstlerin Samara Hersch erhält das zum zweiten Mal vergebene Internationale Caroline-Neuber-Stipendium der Stadt Leipzig.
In ihrem Statement betont die Jury die besondere Verbindung der künstlerischen Arbeiten von Samara Hersch mit virulenten sozialen und politischen Themen. Sie scheue keine Tabus und lade zum generationenübergreifenden Dialog ein. Ihr gelinge es, gemeinschaftliche Erlebnisse zu gestalten, die die Auseinandersetzung mit diskursiven Fragen in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts ermöglichen. Den Zuschauenden ließe sie die Wahl zwischen Distanz und Nähe, gebe Raum für Humor und Erschütterung, Zerbrechlichkeit ebenso wie für Stärke.
„Das ‚Publikum‘ erlebt sich als temporäre Gemeinschaft, in der Differenzen artikuliert werden und aufgehoben sind, und wird damit mehr als ein zufälliges Nebeneinander von Einzelnen. Die Idee des Zuschauens wird hier – auch im Sinne Caroline Neubers – als aktive Rolle weiterentwickelt und als Daseinsberechtigung des Theaters künstlerisch erforscht“, begründet die Jury ihre Entscheidung weiter.
Im Februar 2023 wird Samara Hersch einen Monat in Leipzig leben und an ihrem neuen Projekt „It’s Going to Get Dark“ arbeiten. Dabei wird sie durch die Residenz des Schauspiel Leipzig unterstützt. Die feierliche Vergabe des Stipendiums und des damit verbundenen Preisgeldes findet ebenfalls im Februar 2023 statt.
Die Jurymitglieder waren:
- Martine Dennewald, Künstlerische Co-Leiterin Festival TransAmériques Montréal
- Meike Fechner, Geschäftsführerin ASSITEJ e.V. Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche
- Lisa Jopt, Schauspielerin und Präsidentin der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA)
- Agnès Limbos, Künstlerische Leiterin Compagnie Gare Centrale Brüssel
- Carena Schlewitt, Intendatin Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste Dresden
Arbeitsbiografie
Samara Hersch ist eine Künstlerin und Regisseurin, die in ihrer Arbeit die Schnittstelle zwischen zeitgenössischer Performance und gesellschaftlichem Engagement erforscht.
Sie hat kürzlich ihren Master an der Akademie für Theater und Tanz (DAS Theatre) der Amsterdamer Hochschule der Künste abgeschlossen.
Ihr jüngstes Werk konzentriert sich auf den kritischen generationsübergreifenden Dialog mit der Untersuchung der Konversation als Performance. Zu diesen Arbeiten gehören: „Body of Knowledge“, eine Arbeit, die Jugendliche dazu einlädt, Gespräche mit Erwachsenen über ihre Fragen zum Körper und zur Körperpolitik zu führen (präsentiert u.a. in der Residenz des Schauspiel Leipzig 2022, bei BUDA, Belgien 2020, SICK! Festival, Manchester 2019, Liveworks Festival, Sydney 2019, Spielart Festival München 2019); „Sex and Death“ - eine intime Begegnung, die von Performern in ihren Siebzigern geführt wird (Festival of Live Art, Arts House 2016, Victorian Seniors' Festival 2016, Modestraat, Amsterdam 2019), „Dybbuks“ - ein feministisches Gespräch mit den Toten (Chamber Made 2018), „For the Time Being“ - eine medial vermittelte, generationenübergreifende Begegnung (Auawirleben Festival, Bern 2020, Kammerspiele, München 2020, Far Fabrique, Nyon 2020, West Kowloon, Hong Kong 2021).
Einige dieser Produktionen wurden als Reaktion auf die Pandemie adaptiert („Sex and Death and the Internet“, in Auftrag gegeben vom Darwin Festival und Sydney Festival im Rahmen der Major Festivals Initiative im Jahr 2020 und „Body of Knowledge - At Home“ in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Theater Spektakel und dem Kampnagel Sommerfestival, 2020). „Body of Knowledge - At Home“ wurde für das Impulse Theater Festival 2021 ausgewählt und auch in Singapur und Wien präsentiert.
Samara Hersch arbeitet regelmäßig mit der Künstlerin Lara Thoms zusammen. Gemeinsam engagieren sie jugendliche Aktivisten, um die Aufführung alternativer Geschichten zu erforschen. Ihre Projekte hinterfragen die Vorstellung von Erwachsenen als Experten und stellt die Stimmen junger Menschen in den Vordergrund, die nationale Geschichten und Identitäten neu erzählen. Ihre Arbeit „We All Know What's Happening“ (Arts House, Melbourne 2017, Campbeltown Arts Centre, 2018, Vitalstatistix, Adelaide 2019, Noorderzon Festival, Niederlande 2019 und Theater Spektakle, Zürich 2019) gewann den ZKB-Jurypreis und den Publikumspreis am Theater Spektakle, 2019 und den Green Room Award für die beste zeitgenössische und experimentelle Performance 2017.
Samara war "Female Director in Residence" am Malthouse Theatre (2013). Sie wurde mit dem British Council Realise Your Dream Award (2010) und dem Keith and Elisabeth Murdoch Travel Fellowship (2015) ausgezeichnet. Sie ist Teil des EU-Netzwerks ACT, Art Climate Transition.
Samara Hersch erkennt an, dass ihre Arbeit auf dem Land der Kulin Nation entwickelt und präsentiert wurde, deren Souveränität nie abgetreten wurde, und zollt den Ältesten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Respekt.