Schlosspark Lützschena
Das Rittergut Lützschena befand sich seit dem beginnenden 15. Jahrhundert im Besitz der alten sächsischen Adelsfamilie von Üchtritz. Die letzte Maximiliane E. S. von Klengel, geb. v. Üchtritz, hatte es 1804 an ihren Mann, den Rittmeister von Klengel veräußert, war aber nach dessen Tod 1816 aus finanziellen Gründen gezwungen, das Erbe auszuschlagen. Das Gut wurde 1822 versteigert und gelangte dadurch an den Kaufmann Maximilian Speck.
Schon 1685 wurde im Gut ein "Lustgarten" erwähnt. Ein 1743 eingestellter "Lustgärtner" betreute laut Dienstvertrag u. a. eine Orangerie. Ein Teil des später in die Parkgestaltung einbezogenen plastischen Schmucks (Jungfrau, Greis) stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dieser Zeit. Außerdem existierten verschiedene Obst- und Küchengärten sowie ein Hopfen- und Reisgarten.
Aus der Zeit des 1829 vom Bayrischen König geadelten Maximilian Speck von Sternburg sind keine Pläne des Parks mehr vorhanden. Doch die poetischen Schilderungen des Parkgründers und die Lithographien des Wieners Friedrich Loos geben ein recht genaues Bild von der Inszenierung der Parkszenerien. Vom Schloss aus, dessen heutige Gestalt erst 1864 entstanden, gelangt man über die Weiße Brücke, die das Parkentree bildet, auf einen Weg unterschiedliche Stationen: Mit der Statue einer Vestalin wurde an die Antike erinnert, der Rosenteich betonte die Naturverbundenheit, die Figur eines Greisses symbolisiert die Endlichkeit des Lebens. Verschiedene Bauwerke aus vergänglichen Material (so ein Strohturm oder eine zwischen Bäumen gespannte Plattform) unterstrichen die landschaftliche Idylle, Marienkapelle, Ex Voto und Einsiedelei waren als Glaubensbekenntnisse zu verstehen. Ein Blick über das Erschaffene ermöglicht dann ein Ruhesitz. In dessen Nähe befand sich das Türkische Entenhäuschen. Es ist wie der Ehrentempel einer der zahlreichen Verweise auf Sternburgs landwirtschaftliche Tätigkeit. Der Freundschaftstempel mit den Plastiken Amor und Psyche galt als Gleichnis für Freundschaft und Liebe.
Maximilian selbst nahm im Laufe der Zeit immer wieder Veränderungen vor: So wurde der Freundschaftstempel durch eine Büste Alexanders I. von Russland ersetzt, die, wie auch das Russische Haus, an seine Beziehungen zu Russland und den Zaren erinnern sollten. Weitere Ergänzungen waren das Familienbegräbnis und die Grabkapelle. Der restaurierte Diana-Tempel ist eine Zufügung von Maximilians Sohn Alexander. An der Wende zum 20. Jahrhundert veränderte man den Park erneut; vor allem die aus vergänglichen Material errichteten Bauten wurden entfernt oder durch zeitgemäße Konstruktionen ersetzt. Als folgenreich für die Parkgewässer erwies sich die von Harry Speck v. Sternburg, ab 1916 Majoratsherr, im Zusammenhang mit der Luppe-Regulierung veranlasste Absenkung des Grundwassers um einen Meter.
Nach 1945 erlebte der Park seinen Niedergang. Mit der Bodenreform parzelliert und zur Nutzholzgewinnung freigegeben, war sein ursprünglicher Charakter kaum noch auszumachen. Ein damaliger Parkbeirat konnte den Verfall nicht aufhalten. Als eine weitere Zergliederung des Parks und der Verkauf drohten, entschloss sich 1998 der Erbe des Familienbesitzes, Wolf-Dietrich Freiherr Speck v. Sternburg, die Anlage zurück zu erwerben, um sie mit der Gemeinde Lützschena und nach der Eingemeindung mit der Stadt Leipzig im Sinn des Gründers für die Öffentlichkeit zu erhalten und zu sanieren.
Bei der zukünftigen landschaftskünstlerischen Gestaltung werden mit Ausnahme einiger exemplarischer Parkarchitekturen, beispielsweise des Familienbegräbnisses, keine Rekonstruktionen historischer Objekte entstehen, vielmehr durch weiterführende künstlerische Ideen neue Akzente bei der Ausprägung des Charakters des Parks geschaffen werden. In der Auwaldstation am heutigen Parkeingang finden Besucher aktuelle Information zum Park, diesem bedeutenden Stück gelebter Leipziger Familiengeschichte.
Weitere Informationen
Zur Zeit Maximilian Speck v. Sternburgs bildeten Englische Gärten die Vorlage für neue Parkanlagen. Der Maler William Kent (1684-1748) hatte das Thema der "komprimierten Natur" in die Gartenkunst eingeführt. Daran orientierte sich der Lützschenaer Parkgründer: Die vorgefundende Situation sollte greinigt und präzisiert, jedoch nicht grundlegend verändert werden. Die Gliederung des Parks nach dramaturgischen Gesichtspunkten geht auf Gedanken von William Chambers (1723-1796) zurück: Der Wandel von Stimmungswerten - Fröhlichkeit, Nachdenklichkeit, Trauer, Hoffnung - prägte den Weg durch den Park. Parks in Wörlitz, Machern und von Alt-Leipzig boten weitere Anregungen. Sternburg, der die nach 1813 einsetztende politische Restaurationsphase miterlebte, gestaltete seinen Park zwar mit Elementen der Trauer, aber nicht resignativ. Er sah in der produktiven Tätigkeit des Einzelnen die Möglichkeit, die Welt zum Besseren zu wenden.
Maximilian Speck v. Sternburg, Freiherr v. Sternburg, war eine der beispielhaften Gründerpersönlichkeiten des frühen 19. Jahrhunderts in Sachsen. Durch Wollhandel und Schafzucht hatte er Vermögen erworben und hohes Ansehen gewonnen. Seinen bedeutenden Rang in der Geschichte der Stadt erlangte er vor allem als Kunstsammler und Mäzen. Dank der dem Urahn verpflichteten Haltung der Familie Speck v. Sternburg gelang es, seine herausragende Kunstsammlung für das Museum der bildenden Künste in Leipzig wie auch den Park in Lützschena zu erhalten. Es ist ein großer Verdienst Maximilian Speck von Sternburgs und seiner Nachkommen, persönlichen Erfolg und Besitz mit Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit zu verbinden.
Maximilian Speck wurde am 30. Juli 1776 als Sohn eines Jägers und Gastwirtes in Gröba bei Riesa geboren. 1791 trat er eine Lehre in Leipzig als Handelsgehilfe an und begann, fünfzehnjährig und wenig vorgebildet, seinen Wissensdrang zu folgen und sich auf beeindruckende Weise autodidaktisch zu bilden. Fünf Jahre später war er bereits Französisch- und Englischkorrespondent in der Beyerschen Wollhandlung. Bald wurde er Teilhaber im Unternehmen und zuständig für die Gründung ausländischer Niederlassungen; er begann, ganz Europa zu berreisen. Sehr bewusst nahm er dabei die Kultur- und Kunstentwicklung seiner Zeit auf. 1807 wurden ihm die Leipziger Bürgerrechte verliehen. 1811 heiratete er die Tochter des Leipziger Senators und Seitenwarenhändlers Christian Hänel von Cronenthall, Charlotte Elisabeth. Sein eigenes Handelshaus gründete er 1818, weit über Leipzig hinaus bekannt als Specks Hof. Der Gründerbau musste 1908 zwar dem vom Architekten Emil Franz Hänsel entworfenen prachtvollen modernen Mustermessehaus weichen. Doch der Name blieb.
1822 kaufte Maximilian Speck von Sternburg das Gut Lützschena und begann mit der Anlage des Parks, zunächst mit Meliorationsarbeiten, dem Verfüllen von Lehmgruben und dem Hochwasserschutz. In ihren Grundzügen war die Anlage bereits um 1825 vollendet. Sternburgs Ziel war ein harmonisch in die Aue eingebetter Lanschaftspark, der seinem eigenen Lebensgefühl Ausdruck verleihen sollte. 1825 berief Alexander I. Maximilian Speck mit der Bitte nach Russland, seine Erfahrungen im Aufbau von Musterschäfereien und Pflanzenschulen einzubringen. Für seine Leistungen wurde er in den Ritterstand und vier Jahre später durch den König Ludwig I. von Bayern in den erblichen Freiherrrenstand erhoben, als Dank für sein Engagement zum Nutzen der Güter in Fürstenried und St. Veit. In seinen späten Lebensjahren widmete sich Maximilian Speck v. Sternburg der Korrespondenz mit den zahllosen Akademien, denen er angehörte, sowie seiner Kunstsammlung. Er starb am 22. Dezember 1856 in seinem Leipziger Haus, dem Specks Hof.