Migrantenbefragung in Leipzig
Migrantenbefragung 2020
Leipzig wird immer internationaler. Zum Jahresende 2020 lebten 96.719 Personen mit einem Migrationshintergrund in der Stadt. Das entspricht einem Anteil von 16 Prozent an der Bevölkerung. Um Näheres über die Lebenslagen dieser sehr heterogenen Bevölkerungsgruppe zu erfahren, hat die Stadt Leipzig von November 2020 bis Februar 2021 im Rahmen einer Befragung umfangreiches Datenmaterial erhoben.
Die Befragung ist nach 2016 die zweite dieser Art in Leipzig. Die nun vorliegenden Ergebnisse geben Auskunft zur soziodemografischen und sozioökonomischen Situation dieser Bevölkerungsgruppe. Sie sind eine wichtige Datengrundlage für städtische Planungen und für die Ausrichtung von Integrationsmaßnahmen.
Meinungsbild zu städtischen Themen
Bisher fehlen Daten zur soziodemografischen und sozioökonomischen Situation der Leipziger migrantischen Bevölkerung, die für städtische Planungen und zur Ausrichtung von Integrationsmaßnahmen wichtig sind. Um diese Lücke zu schließen, sind die Befragungsergebnisse der nun abgeschlossenen Migrantenbefragung ein wichtiger Baustein. Gleichermaßen kann ein Meinungsbild der Migrantinnen und Migranten zu wichtigen städtischen Themen wiedergegeben werden.
„Mit dieser zweiten Migrantenbefragung haben wir eine erste Möglichkeit, Vergleiche zur Situation von vor vier Jahren zu ziehen“, erläutert die Leiterin des Referates Migration und Integration, Manuela Andrich. „Leipzig ist in dieser Zeit noch internationaler geworden. Ein Einblick in die Lebenssituation der in Leipzig lebenden Migrantinnen und Migranten ermöglicht eine zielorientierte Entwicklung von Maßnahmen, die besser auf den Bedarf der Menschen mit internationaler Geschichte in Leipzig zugeschnitten sind. Die in der Befragung erwähnten Benachteiligungs- und Diskriminierungserfahrungen wiegen schwer, insbesondere in einer Stadt, die sich als weltoffen bezeichnet. Hier gilt es, sich für eine Gesellschaft der Offenheit und für ein Vielfaltsbewusstsein starkzumachen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der derzeitigen pandemischen Krisensituation“, resümiert die Integrationsbeauftragte der Stadt.
Viele Befragte aktiv in Vereinen und ehrenamtlich engagiert
20 Prozent der Befragten geben an, in einem Verein, Verband, einer ehrenamtlichen Initiative oder einer Partei aktiv zu sein. Die beliebtesten Partizipationsmöglichkeiten bieten Vereine und Verbände, 14 Prozent der Migrantinnen und Migranten besitzen eine entsprechende Mitgliedschaft. Acht Prozent engagieren sich in einer ehrenamtlichen Initiative, während nur zwei Prozent Mitglied in einer Partei sind.
Mit Abstand am häufigsten genannt werden kommunale Probleme, die sich dem Thema Verkehr zuordnen lassen: 45 Prozent aller Migrantinnen und Migranten nennen Aspekte aus diesem Themenkomplex. Auch in der Kommunalen Bürgerumfrage 2020 wurde unter den Befragten mit deutscher Staatsangehörigkeit mit 47 Prozent ein ähnlich hoher Wert ermittelt.
Fragebogen in 19 Sprachen
Pandemiebedingt wurde die Befragung kontaktlos über einen Mix aus Online-Befragung, schriftlicher Befragung und Telefoninterviews realisiert. Für die Befragung standen 19 verschiedene Sprachvarianten des Fragebogens zur Verfügung. Die Ergebnisse repräsentieren die 25 zahlenmäßig stärksten Herkunftsgruppen in Leipzig. Im Stichproben- und Befragungsdesign wurde eine Unterteilung in insgesamt sechs Herkunftsgruppen vorgenommen, die sich im Wesentlichen an der bereits in der ersten Migrantenbefragung 2016 vorgenommen Differenzierung orientiert. Folgende Gruppen wurden gebildet:
- Russland, Ukraine, Kasachstan
- Osteuropa: Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Serbien, Polen
- ausgewählte OIC-Länder und Syrien: Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Marokko, Türkei
- Fernost: Vietnam, Indien, China
- Südeuropa: Griechenland, Portugal, Spanien, Italien
- Westeuropa und USA: Vereinigtes Königreich, Österreich, Vereinigte Staaten, Frankreich
Migrantenbefragung 2016
"Leipzig wächst nicht nur dynamisch, es wird auch internationaler", betonte Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning bei der Vorstellung der Befragungsergebnisse der vom Referat für Migration und Integration sowie dem Amt für Statistik und Wahlen durchgeführten Studie am 3. Januar 2017.
Mit dieser hat die Stadtverwaltung erstmals die Lebenswelten von Leipzigerinnen und Leipzigern mit Migrationshintergrund detailliert in den Blick genommen. "Beinahe 13 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger haben einen Migrationshintergrund, dass heißt entweder sie selbst oder ihre Eltern kommen aus dem Ausland. Die aus der Befragung gewonnenen Informationen helfen uns, besser Teilhabe zu ermöglichen aber auch gezielte Anforderungen zu stellen."
Von den 73.042 Personen mit Migrationshintergrund, die zum Zeitpunkt der Untersuchung (Stichtag 31.03.2016) in Leipzig lebten, kamen die meisten aus der Russischen Föderation, gefolgt von Syrien, Polen, der Ukraine und Vietnam. Insgesamt leben in Leipzig Migrantinnen und Migranten aus 175 (heute existierenden) Ländern. Zur Befragung wurden fünf Stichprobengruppen nach Herkunftsregionen gebildet:
- Osteuropa und Kasachstan
- Türkei, Syrien, Irak, Tunesien, Afghanistan, Marokko und Syrien
- China, Vietnam, Indien
- Südeuropa (Italien, Griechenland, Portugal, Spanien)
- Westeuropa und USA (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Österreich, Vereinigte Staaten)
Für diese Auswahl an Herkunftsländern wurden Erhebungsbeauftragte mit Sprachkompetenz für insgesamt 16 verschiedene Sprachen verpflichtet. Ihre Aufgabe war es, die 2.000 zufällig ausgewählten Migrantinnen und Migranten der oben genannten Gruppen aufzusuchen und um ein Interview zu bitten. Nicht alle der Ausgewählten erklärten sich zu einem Gespräch bereit. Letztlich betrug der Rücklauf 35,6 Prozent. Die ausgewiesenen Gesamtergebnisse (alle Befragten) bilden somit nicht die Gesamtheit der Migrantinnen und Migranten in Leipzig ab, was aufgrund der ausgewählten Herkunftsgruppen auch nicht der Anspruch der Studie ist.
Die Unterschiede innerhalb der einzelnen Migrantengruppen sind größer als zwischen Leipzigerinnen und Leipzigern mit und Leipzigerinnen und Leipzigern ohne Migrationshintergrund. Das Bildungsniveau der Befragten liegt deutlich über dem Durchschnittsniveau in ihren Herkunftsländern. Im Vergleich zur Leipziger Gesamtbevölkerung 2015 ist der Anteil an Akademikern mit 47 Prozent doppelt so hoch. Der Anteil an (noch) Unqualifizierten ist im Vergleich zur Stadt Leipzig mit 28 Prozent ebenfalls doppelt so hoch. Die Hälfte der Befragten ist erwerbstätig. 13 Prozent sind arbeitslos. Die größten Probleme bei der Arbeitssuche stellen für die Befragten mit 58 Prozent die Sprache und mit 27 Prozent die Anerkennung von Berufsqualifikationen und Berufserfahrung dar.
Der Median des Nettoäquivalenzeinkommens liegt bei 863 Euro und damit deutlich niedriger als der für die Gesamtstadt ermittelte Wert von 1.343 Euro (Kommunale Bürgerumfrage 2015). Etwa zwei Drittel aller Befragten leben gemeinsam mit einem Partner beziehungsweise einer Partnerin. Bei 38 Prozent mit Partnerin oder Partner handelt es sich um eine Partnerin oder einen Partner ohne Migrationshintergrund.
Rund 80 Prozent der Befragten sind (sehr) zufrieden mit ihrem Leben. Die Lebenszufriedenheit und Zukunftssicht ist in allen Altersgruppen höher als im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 2015.
96 Prozent der Befragten sind nicht in Deutschland geboren. Migrantinnen und Migranten aus Osteuropa und Kasachstan sind sogar zu 99 Prozent nach Deutschland immigriert. Für jeden Vierten ist Leipzig der erste Wohnstandort in Deutschland. Die deutsche Sprache ist bei rund einem Drittel der Befragten die Sprache, die am häufigsten zu Hause gesprochen wird. Am häufigsten wird in Haushalten mit einem deutschen Partner oder einer deutschen Partnerin deutsch gesprochen. 94 Prozent haben Kontakt zu Deutschen ohne Migrationshintergrund, am häufigsten durch Bekannte und Freunde. Der Kontakt zwischen Menschen mit und Menschen ohne Migrationshintergrund wird von den Befragten als "sehr gut" oder "normal nachbarschaftlich" bewertet.
Von 23 aufgeführten Leipziger Institutionen sind die Leipziger Verkehrsbetriebe sowie die Bürgerämter am bekanntesten. Den Migrantenbeirat kennt etwa jede beziehungsweise jeder Vierzehnte der Befragten.
Benachteiligungen werden nur von einer Minderheit der Migrantinnen und Migranten in allen genannten Lebensbereichen wahrgenommen ‒ am häufigsten bei der Arbeitssuche.
Die Befragten sind mit den städtischen Lebensbedingungen generell zufriedener als die Gesamtbevölkerung. Das gleiche trifft auf die Zufriedenheit mit dem Kita-Angebot zu - bei allen Migrantengruppen. Der Anteil an Personen, die mit dem Arbeitsplatzangebot in Leipzig zufrieden sind, ist unter den befragten Migrantinnen und Migranten höher als in der Gesamtbevölkerung. Alle Herkunftsgruppen sind mit der Möglichkeit, die eigene Religion auszuüben, zu sehr großen Teilen zufrieden. Mit dem Straßenzustand ist hingegen weniger als die Hälfte zufrieden.
Das größte Problem in Leipzig sehen die Befragten in Kriminalität und Sicherheit. Probleme sehen sie auch im Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen, der Integration und der Flüchtlingszuwanderung.
Neun von zehn Befragten bewerten öffentliche Behörden, insbesondere des Bildungsbereichs, positiv. Etwas seltener, aber auch mehrheitlich zufrieden sind sie mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter. Mehr als die Hälfte hat Anmerkungen und Wünsche an die Stadt Leipzig. Verbesserungswünsche werden am häufigsten im Zusammenhang mit Ämtern geäußert, insbesondere bezüglich Verständigung und Terminvergabe.