Adams Lehmann, Hope Bridges (Dr. med.) - Leipziger Frauenporträts
Hope Bridges Adams Lehmann im Jahr 1898 © Prof. Dr. Marita Krauss Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Frauenbewegung
- Medizin
- Politik
- Recht
- Soziales
geboren/ gestorben
17. Dezember 1855 (Halliford bei London) - 10. Oktober 1916 (München)
Zitat
"Die Frauenfrage ist die Männerfrage. Das war sie von jeher, das ist sie heute, das wird sie in aller Zukunft sein."
(aus: Das Weib und der Stier, siehe Quellenangaben unten)
Kurzporträt
Hope Bridges Adams Lehmann schloss 1880 als erste Frau an der Universität Leipzig ein Medizinstudium mit Staatsexamen ab, wurde erste praktische Ärztin und Gynäkologin Münchens, engagierte sich als Friedensaktivistin und trat für die Gleichberechtigung der Frauen ein.
Herkunftsfamilie
- Vater: William Bridges Adams (1797 in Madeley, Staffordshire - 1872 in Broadstairs), Ingenieur, Konstrukteur und Publizist
- Mutter: Ellen Adams, geborene Rendall, Lebensdaten unbekannt
- Halbbruder aus erster Ehe: William Alexander Adams (1821 in Quintero, Chile - 1896 in Gaines, Herefordshire, England), Ingenieur und Unternehmer
- Bruder: Walter Adams (1853 - ?)
Biografie
Hope, das jüngste Kind von William Bridges Adams und seiner dritten Frau Ellen, besuchte zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr das Bedford College, eines der ersten Colleges für Frauen. Nach dem Tod ihres Vaters, eines sozial engagierten Feministen und Presbyterianers, siedelte Hope Adams 1873 zusammen mit ihrer Mutter zunächst nach Dresden über. Ihre dort erworbenen Kenntnisse für den Lehrerinnenberuf wendete sie aber nie an. Zum Wintersemester 1876/77 schrieb sie sich als Gasthörerin an der Universität Leipzig ein. Unter den Leipziger Gasthörerinnen war Marie von Oertel aus Odessa seit 1875/76 neben Hope Adams die einzige Frau an der Medizinischen Fakultät. Beide Frauen teilten sich auch die unmittelbare Wohnnachbarschaft im medizinischen Viertel, und als Marie von Oertel ab dem Winter 1878/79 zum offiziellen Medizinstudium nach Bern wechselte, folgte ihr Hope Adams wenig später.
Die Leipziger Medizinische Fakultät war in den 1870er Jahren dem Frauenstudium gegenüber durchaus aufgeschlossen. Ein Senatsbeschluss jedoch verhinderte die reguläre Immatrikulation von Frauen. Dies geschah erst 1906, als sich 27 Studentinnen zunächst an der Philologischen und Medizinischen Fakultät offiziell immatrikulieren durften. Hope Adams war eine der Pionierinnen, welche an den reformerischen Bestrebungen der frühen Frauenbewegung und des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins partizipierte und sie ihr Leben lang privat und beruflich vertrat.
1880 gelang es der angehenden Ärztin, das medizinische Staatsexamen abzulegen. Weder die Fürsprachen des britischen Konsuls noch diejenigen der Kaiserin Augusta bewirkten zunächst eine Zulassung zum Examen; einzig die Kulanz der Professoren führte dazu, dass ihr ein Zeugnis ausgestellt wurde. Die Approbation als Ärztin und der Doktorgrad blieben ihr jedoch verwehrt. Zur Promotion wich sie nach Bern aus. 1881 legte Hope Adams in Dublin die britische Abschlussprüfung ab und erhielt daraufhin die Approbation als Ärztin. Seit 1881 praktizierte sie als dritte akademisch qualifizierte Medizinerin in Deutschland, und zwar - ohne deutsche Zulassung - als "Kurpfuscherin". Erst 1904 wurden ihr infolge politischer Interventionen der bayrischen Staatsregierung das deutsche Staatsexamen anerkannt und das Tragen des Doktortitels nachträglich gestattet.
Hope Adams hielt sich seit Juni 1881 in Frankfurt am Main auf. Dort heiratete sie 1882 Otto Walther, mit dem sie bis 1886 eine Praxis als Allgemeinmedizinerin in Frankfurt am Main führte. Auch nach der Geburt der zwei Kinder Heinz 1884 und Mara 1886 übte sie ihren Beruf weiter aus, nachdem sie sich von einer Tuberkuloseerkrankung im Jahr 1891 durch Höhenluft, Wandern, Schonung und gezielte Gewichtszunahme heilen konnte. Diese Erfahrungen setzte das Ehepaar bis 1893 gemeinsam in einem modernen, noch heute bestehenden Lungensanatorium in Nordrach im Schwarzwald um. In Nordrach verliebte sich Hope Adams Walther in den zehn Jahre jüngeren Mediziner Carl Lehmann (1865-1915). Ein Jahr nach der Scheidung 1895 heirateten beide und arbeiteten gemeinsam in der Praxis Gabelsberger Straße 46 im Münchner Stadtteil Maxvorstadt.
Die verschiedenen Freundeskreise der Lehmanns zeigen ein breites Spektrum an politischer, medizinischer, sozialer und gesellschaftlicher Tätigkeit, die sich in persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften manifestierten. Auch mit ihrem zweiten Ehemann engagierte sich die sozialdemokratische Ärztin für die Verbesserung der medizinischen Versorgung der Armen und der Arbeiterbevölkerung, insbesondere der Frauen. Wie in ihrer Leipziger Zeit pflegte Hope Adams Lehmann auch in München Kontakte zur Frauenbewegung, unter anderem zu den "radikalen" Vertreterinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann. Sie war seit dem Studium ebenso befreundet mit Clara Zetkin, deren beiden Söhne oft bei den Lehmanns wohnten und pflegte Kontakte mit Lenin und August Bebel, dessen Werk "Die Frau und der Sozialismus" sie ins Englische übersetzte.
Ihre wichtigste Schrift war das 1896 veröffentlichte zweibändige Werk "Das Frauenbuch. Ein ärztlicher Ratgeber für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten". Darin vermittelte sie grundlegende und moderne Hinweise zur Gesundheitsfürsorge und zu medizinischem Grundwissen.
In der aufgeschlossenen bayrischen Hauptstadt der Jahrhundertwende plante Hope Adams Lehmann ein klassenübergreifendes Frauenkrankenhaus, das dem modernen Arzt-Patienten-Verhältnis den Weg ebnete. Originär und wegweisend waren auch ihre Ideen zur Kindererziehung. In einem bilingualen Kindergarten sollten bereits die Dreijährigen spielerisch mit Lesen und Schreiben vertraut gemacht werden.
Hopes Engagement für Geburtenkontrolle und für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbotes führten 1914 zu einer Anklage wegen des "fortgesetzten Verbrechens wider das Leben". Sie ging aus dem Prozess 1915 zwar straflos, aber moralisch und gesundheitlich angeschlagen hervor. Als im April 1915 ihr Mann Carl Lehmann im Ersten Weltkrieg an einer Blutvergiftung starb, verlor sie einen ihrer engsten Unterstützer, dem sie anderthalb Jahre später folgte.
Werke
- Hämoglobinausscheidung in der Niere. Inauguraldissertation (Dissertation der Medizin), Bern 1880; Leipzig 1880.
- Das Frauenbuch. Ein ärztlicher Ratgeber für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten. Band 1: Körperbau und Gesundheitspflege, Band 2: Krankenpflege. Stuttgart 1896.
- Die Gesundheit im Haus. Eine ärztliche Anleitung. Stuttgart 1899.
- Zahlreiche Artikel unter anderem in: "Sozialistische Monatshefte", "Neue Zeit", "Deutsche Medizinische Wochenschrift".
Adressen in Leipzig
- 1876-1880: Sidonienstraße 39/40 (heute: Paul-Gruner-Straße), Nürnberger Straße 55 und Sternwartenstraße 26
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Adamsweg seit 2009 in Leipzig-Probstheida (da keine Vornamen verwendet werden, nicht als Ehrung von Hope Bridges Adams Lehmann erkennbar)
- Ausstellung "Die Frau der Zukunft. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann 1855-1916" des Karl-Sudhoff-Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, der Medizinischen Fakultät und des Gleichstellungsbüros der Universität Leipzig im Operativen Zentrum des Universitätsklinikums AöR, Liebigstraße 20, 04103 Leipzig, vom 15.11.2005 bis 17.02.2006; Konzept und Organisation: Prof. Dr. Marita Krauss
- Eine Texttafel zu Hope Bridges Adams Lehmann in der Ausstellung "Leipziger Frauenbilder.#3G GattinGasthörerinGleichstellung" des Gleichstellungsreferates der Universität und des Universitätsarchivs Leipzig 2015
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Quelle Zitat: (aus: Das Weib und der Stier, in: Die neue Zeit: Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. - 19.1900-1901, 2. Band (1901), Heft 27, Seiten 4-14, hier Seite 5 siehe unter Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: Die neue Zeit - Online Edition, http://library.fes.de/.../).
- Marita Krauss: Hope. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann - Ärztin und Visionärin. Die Biografie. München 2009.
- Ortrun Riha: Hope Bridges Adams Lehmann. Zum 150. Geburtstag am 16. Dezember 2005. In: Volker Schulte (Red.): Jubiläen 2005. Personen, Ereignisse. 25 Kalenderblätter zu Jubiläen von Personen und Ereignissen der Universität Leipzig. Universität Leipzig, Pressestelle, Leipzig 2005. (PDF-Datei; Zugriff: 28.11.2016).
- Marita Krauss: "Die neue Zeit mit ihren neuen Forderungen verlangt auch ein neues Geschlecht". Die Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann und ihre Forderungen an die Frau des 20. Jahrhunderts. In: Frank Stahnisch, Florian Steger (Herausgeber): Medizin, Geschichte und Geschlecht. Körperhistorische Rekonstruktionen von Identitäten und Differenzen. Stuttgart 2005.
- Sabine Putzke: Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit. Eine Analyse der Reformdiskussion und der Straftatbestände in den Reformentwürfen (1908-1931). Berlin 2003.
- Marita Krauss: Die Frau der Zukunft. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann 1855 - 1916. Ärztin und Reformerin. München 2002.
- Marita Krauss: Die Lebensentwürfe und Reformvorschläge der Ärztin Hope Bridges Adams Lehmann (1855-1916). In: Elisabeth Dickmann, Eva Schöck-Quinteros (Herausgeberinnen): Barrieren und Karrieren. Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland.
- Dokumentationsband der Konferenz "100 Jahre Frauen in der Wissenschaft" im Februar 1997 an der Universität Bremen. Trafo Verlag Weist, Berlin 2000. Seiten 143-157.
- Erwin Dittler: Erinnerungen an Dr. Carl & Dr. Hope Bridges Adams-Lehmann und die Zeit unterm Sozialistengesetz. 1993 [1996].
- Christine Kirschstein: "Fortgesetze Verbrechen wider das Leben" Ursachen und Hintergründe des 1914 nach § 219 RSTGB eingeleiteten Untersuchungsverfahrens gegen die Münchener Ärztin Dr. Hope Bridges Adams-Lehmann. Frankfurt am Main 1992.
- Luise F. Pusch: Hope Adams Lehmann, in: FemBio. Frauen-Biographieforschung. URL: http://www.fembio.org/.../hope-adams-bridges-lehmann/ (Zugriff: 28.11.2016).
- Hope Bridges Adams Lehmann. URL: http://de.muvs.org/.../hope-bridges-adams-lehmann-1855-1916 (Zugriff: 28.11.2016).
- Hope Bridges Adams Lehmann. URL: https://de.wikipedia.org/... (Zugriff: 28.11.2016).
Autorin: Dr. Sandra Berndt, 2016