Bach, Anna Magdalena, geborene Wilcke - Leipziger Frauenporträts
Gedenktafel für Anna Magdalena Bach an der Superintendentur, Thomaskirchhof Leipzig © Gerlinde Kämmerer, 2011 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
geboren/ gestorben
22. September 1701 (Zeitz) - 27. Februar 1760 (Leipzig)
Zitat
"Zum steten Andenken u. Christlicher erbauung/ Schencket ihrem lieben Sohn dieses herrliche Buch/ Anna Magdalena Bachin gebohrne Wülckin/ Deine getreue und wohlmeinende Mamma/ Leipzigh d. 25 Decemb: 1749"
(Widmung von Anna Magdalena Bach in einer Bibel für ihren Sohn Johann Christoph Friedrich)
Kurzporträt
Anna Magdalena Bach, als Sopranistin ausgebildet und als Hofsängerin engagiert, war Johann Sebastian Bachs zweite Ehefrau, Mutter von dreizehn Kindern und seine Geschäftspartnerin. Gemeinsam standen sie einem großen Hauswesen vor, zu dem neben der Familie auch Privatschüler und Dienstpersonal gehörten.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Caspar Wilcke (um 1660-1731), Hof- und Feldtrompeter;
- Mutter: Margarethe Elisabeth geb. Liebe (um 1666-1746);
- Geschwister: Eva Maria (1687-1687), Anna Catharina (1688-1757), Johann Caspar (1691-1766), Johanna Christina (1695-1753), Erdmuthe Dorothea (1697-um 1760), Magdalena Wilhelmina (*evtl. 1719).
Biografie
Ungefähr an der Stelle der Superintendentur am Thomaskirchhof stand bis zum Abriss 1902 die Thomasschule, in der sich neben Alumnat und Unterrichtsräumen auch die Wohnungen des jeweiligen Rektors und Thomaskantors befanden. Ab Mai 1723 wurde dieses Gebäude für mehr als 27 Jahre die Heimstatt der Familie Johann Sebastian Bachs und seiner zweiten Ehefrau Anna Magdalena.
Als jüngstes Kind des Zeitzer Hoftrompeters Johann Caspar Wilcke und seiner Frau Margarethe Elisabeth geb. Liebe wurde sie am 22.09.1701 in Zeitz geboren. Später zog die Familie nach Weißenfels, wo der Vater ebenfalls als Trompeter am Hof wirkte. Anna Magdalena war von klein auf mit den Abläufen in einem Musikerhaushalt vertraut. Ihr Bruder wurde wie der Vater Trompeter; zwei Schwestern heirateten Musiker. Sie erhielt eine Gesangsausbildung und wurde 19-jährig als Sängerin am Hof des Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen engagiert, wo sie ein überdurchschnittliches Jahresgehalt bezog.
Am 03.12.1721 heiratete sie den 36-jährigen Hofcapellmeister Johann Sebastian Bach, dessen erste Frau Maria Barbara (1684–1720) im Vorjahr verstorben war. Diese hatte in dreizehn Ehejahren sieben Kinder zur Welt gebracht, von denen vier das Kleinkindalter überlebten. Anna Magdalena trat weiterhin als Sängerin auf. Dienstpersonal unterstützte bei der Versorgung des Hauswesens und der Kinder aus Bachs erster Ehe, der zwölfjährigen Catharina Dorothea (1708-1774), des elfjährigen Wilhelm Friedemann (1710-1784), des siebenjährigen Carl Philipp Emanuel (1714-1788) und des sechsjährigen Johann Gottfried Bernhard (1715-1739).
1723 zog die Familie nach Leipzig, wo Bach das Amt des Kantors der Thomasschule und des Musikdirektors der Stadt übernahm. Zuvor war das erste gemeinsame Kind zur Welt gekommen; ihm folgten zwölf weitere. Nur sechs dieser Kinder erreichten das Erwachsenenalter: Gottfried Heinrich (1724–1763), Elisabeth Juliana Friederica (1726–1781), Johann Christoph Friedrich, (1732–1795), Johann Christian (1735–1782), Johanna Carolina (1737–1781) und Regina Susanna (1742–1809).
Neben den Eltern Bach und ihren Kindern lebten in der Wohnung in der Thomasschule weitere Familienmitglieder, Privatschüler und Dienstpersonal. Gemeinsam mit ihrem Ehemann stand die Frau Capellmeisterin Anna Magdalena Bach einem Hauswesen vor, in dem sich auch große Teile des Erwerbslebens abspielten. Hier wurden Privatschüler unterrichtet und zum Teil beherbergt. Hier kopierte man von Bach komponierte Werke und machte sie so für die Kirchenmusiken und andere Auftritte verwendbar. Hier wurden die Kinder ausgebildet. Anrührende Beispiele liefert dafür das Clavier-Büchlein für Anna Magdalena Bach von 1725. Hier wurde geübt, ein Musikalienhandel betrieben, Instrumente wurden verliehen und verkauft. Anna Magdalena arbeitete in all diesen Bereichen mit und war für die reibungslosen Abläufe bei Abwesenheit ihres Mannes verantwortlich. Häusliche Arbeiten wurden durch Dienstpersonal verrichtet, die Säuglinge durch Ammen aufgezogen. Anna Magdalena trat auch weiterhin als Sängerin auf, wofür sie regelmäßig üben musste.
Carl Philipp Emanuel erinnerte sich 1775, dass die elterliche Wohnung durch die große Familie und die vielen Gäste, Verwandten, Schüler einem lebhaften Taubenhaus geglichen habe. In Briefen bezeichnet Johann Elias Bach, der eine Zeitlang Privatsekretär seines Onkels Johann Sebastian war, Anna Magdalena als „eine große Liebhaberin von der Gärtnerey“. Als er für sie um einen abgerichteten Hänfling bat, nannte er sie auch „eine große Freundin von dergleichen Vögeln“.
Nach dem Tod ihres Mannes verfügte Anna Magdalena Bach nicht mehr über die finanziellen Mittel, um ihrem Stand entsprechend zu leben. Das machte sie in der damaligen Gesellschaft unterstützungswürdig. Dass sie in größte Armut gefallen war, wird dadurch nicht belegt. Von der Universität und der Stadt erhielt sie regelmäßig Zuwendungen, die aber nur gezahlt wurden, wenn sie selbst zu ihrem Lebensunterhalt beitrug. Die beim Tod ihres Mannes 48-jährige Anna Magdalena sah sich in der Lage, die Verantwortung für ihre beiden jüngsten Töchter (acht und zwölf Jahre alt) und ihren ältesten Sohn, den 26-jährigen geistig behinderten Gottfried Heinrich, zu übernehmen.
Es war für Johann Sebastian Bach rechtlich nicht möglich, Anna Magdalena als Alleinerbin einzusetzen. Die Kinder erhielten zwei Drittel des Erbes, die Ehefrau ein Drittel sowie einen großen Teil der Gegenstände, mit denen sie im täglichen Leben Umgang hatte, die sogenannte Gerade, ein wesentliches Vermögen der Hinterlassenschaft. Sie beantragte die Verwaltung der Erbanteile ihrer unmündigen Kinder mit der Pflicht zur jährlichen Rechenschaftslegung. Die Antragsformulierung „mit der Verzicht, nicht wieder zu heyrathen“ war dabei keine Verpflichtung, nie wieder eine Ehe einzugehen. Im Falle ihrer Wiederverheiratung hätte aber eine andere, unabhängige Person die Verwaltung des Erbes der unmündigen Kinder übernehmen müssen.
Bei der Erbteilung erwarb Anna Magdalena von den anderen Erben Einrichtungsgegenstände für einen Haushalt, der auf mindestens sieben Personen eingerichtet war. Damit schuf sie die Voraussetzung, um möblierten Wohnraum zu vermieten als zusätzliche Erwerbsquelle. Als Witwe vertrieb sie zudem Musikalien. Mit ihrem Stiefsohn Carl Philipp Emanuel stand sie bis zu ihrem Tode in privatem und geschäftlichem Kontakt.
Am 27. Februar 1760 starb Anna Magdalena Bach. Sie wurde auf dem Johannisfriedhof beigesetzt.
Werke
Notenkopien von Kompositionen, vorzugsweise von Johann Sebastian Bach, darunter:
- Messe in h-Moll, BWV 232, Violoncello
- Matthäus-Passion BWV 244, Violino I (Chor I, außer Arie "Erbarme dich, mein Gott"), Continuo (Chor I und II, jeweils Dublette)
Dazu Werke verschiedener Komponisten im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach ab 1725
Gesamtübersicht der nachweislich von Anna Magdalena Bach kopierten Musikalien in: Maria Hübner, Anna Magdalena Bach. Ein Leben in Dokumenten und Bildern, Leipzig 2005.
Adressen in Leipzig
• ab 1723 Thomasschule auf dem Thomaskirchhof;
• 1731/1732 Hainstraße (während eines Umbaus der Thomasschule);
• um 1752 auf dem Neuen Kirchhof (der spätere Matthäikirchhof);
• 1760 Hainstraße.
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Gedenktafel für Anna Magdalena Bach seit 2001 an der Superintendentur (Thomaskirchhof 18): „22. September 1701 – Zeitz/ 27. Februar 1760 – Leipzig/Anna Magdalena Bach, geb. Wülckin/An diesem Ort lebte Anna Magdalena Bach, geb. Wilcke, von 1723 bis 1750. Die ehemals fürstliche Hofsängerin war die zweite Ehefrau von Johann Sebastian Bach und Mutter einer großen Kinderschar. Ihre Handschrift findet sich in einer Vielzahl von Notenmanuskripten Bachscher Kompositionen. Johann Sebastian hat seiner Frau die Notenbüchlein 1722 und 1725 gewidmet.“ Die Tafel wurde initiiert von einer Leipziger Frauengruppe um Dorothea Frischmann-Wolff.
- Bank für Anna Magdalena Bach seit 2004 (ursprünglich für den öffentlichen Raum konzipiert, nun in der Eingangshalle zum Bach-Museum, Thomaskirchhof 15/16, 04109 Leipzig), aus der Kunstaktion der GEDOK „Die Stadt ist weiblich – Eine Bank für eine Frau“. Entwurf: Isolde Hamm, Erika Schäfter. Initiiert 2004 von Brigitte Blattmann, Regina Seifert, Sophie Hentzschel und Karin Wegener. Seit der Einweihung der Bank erinnert die Initiativgruppe der GEDOK Gruppe Leipzig/Sachsen e. V. am 22. September jedes Jahres mit Ständchen und Konzerten an den Geburtstag von Anna Magdalena Bach.
Im Bach-Museum (Thomaskirchhof 15/16, 04109 Leipzig):
- Erwähnung auf dem Familienstammbaum, Autographe.
- 50. Kabinettausstellung „Johann Sebastians Frau Liebste: Anna Magdalena Bach zum 300. Geburtstag“ vom 12.09.2001 bis zum 13.01.2002.
- Kabinettausstellung „Anna Magdalena Bach · Fanny Hensel · Clara Schumann – Drei Künstlerinnen im Blick“ vom 23.08.2019 bis zum 19.01.2020.
Anna-Magdalena-Bach-Schule (Grundschule der Stadt Leipzig, Manetstraße 8) seit März 2014.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Hübner, Maria: Anna Magdalena Bach. Ein Leben in Dokumenten und Bildern. Mit einem biographischen Essay von Hans Joachim Schulze. 2. Aufl., Leipzig 2005.
- Spree, Eberhard: Die verwitwete Frau Capellmeisterin Bach. Studie über die Verteilung des Nachlasses von Johann Sebastian Bach (Dissertation 2018). Verlag Klaus-Jürgen Kamprad, Altenburg 2019.
- Spree, Eberhard: Die Frau Kapellmeisterin Anna Magdalena Bach. Ein Zeitbild. Verlag Klaus-Jürgen Kamprad, Altenburg 2021.
- Maria Hübner: Frauen der Bach-Familie. Verlag Klaus-Jürgen Kamprad, Altenburg 2021.
Autor/-innen: Gerlinde Kämmerer/ Dr. Eberhard Spree (2013/2021)