Bergmann, Eva-Maria - Leipziger Frauenporträts
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
28. Februar 1941 (Sprottau, Schlesien) - 24. Juli 2016 (Leipzig)
Zitat
"[...] ich möchte auch meine Phantasie, die in mir steckt, in Bildern raus lassen. Ich will auch malen - das, was ich sehe, was ich erlebe, was ich empfinde. Ich bin auch voller Poesie und Phantasie - ich will auch malen!"
(Lebensbericht, 1999)
Kurzporträt
Eva-Maria Bergmann, Schülerin von Heisig und Tübke, Bewunderin Albert Eberts, malte ihre eigene fantastische Welt, malte die Schönheit und die Wunder des Lebens.
Herkunftsfamilie
- Vater: Helmut Bergmann, Kaufmann/ Grubenarbeiter (08.06.1911 Fraustadt - 1985/86 Roitzsch)
- Mutter: Anna Bergmann, Schneiderin (18.02.1907 Primpkenau, Schlesien - 09.04.1969 Roitzsch)
Biografie
Malerin zu werden, das war in Eva-Maria Bergmanns Familie, die aus Schlesien flüchten musste, nicht selbstverständlich. Nur die Mutter unterstützte die junge Frau, die sich nach dem Abitur aufmachte, um von 1960 bis 1965 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig zu studieren. Bernhard Heisig bezeichnete sie als wichtigen Lehrer, vor allem aber Werner Tübke, von dessen Kunstauffassung sie maßgeblich geprägt wurde. Er schickte sie ins Museum der bildenden Künste, um dort die Malweise der alten Meister zu begreifen. Damals entstanden ihre ersten neusachlich zu nennenden Porträts. Tübke machte sie auch mit den Bildern Albert Eberts bekannt, der als Heizer gearbeitet hatte und als naiver Künstler galt, und "war so Feuer und Flamme für diese Bilder, als handelte es sich um Neuentdeckungen der Alten Niederländer", erinnerte sich Eva-Maria Bergmann. Auf seinen Rat hin besuchte sie den kranken Mann in Halle, sah die poetischen Bilder in seinem Haus, die ihren Intentionen entsprachen und ihre Phantasie beflügelten. Laternenfest, Fasching, Landschaften an der Saale, Hutgeschäfte, Alltagsszenen. Das "Feuerwerk" faszinierte sie besonders und sie sagte sich, "ich möchte auch einmal so ein schönes Bild malen".
Nach dem Studium war sie zu ihren Eltern ins Dorf zurückgekehrt, hatte jedoch ihr Zimmer bei Frau Kluge in Leipzig behalten, und arbeitete, um Geld zu verdienen, an der Grundschule von Roitzsch halbtags als Zeichenlehrerin. Dort fand die Künstlerin ihre Modelle. Das Lindenau-Museum Altenburg erwarb ihre Zeichnung "Bildnis einer alten Frau" von 1973. Eva-Maria Bergmann notierte dazu: "Ihr Gesicht war vom Wetter zerfurcht[,] und ein Kopftuch verhüllte das weiße Haar... Und ihr Lächeln begrüßte mich jeden Morgen. Die alte Frau wurde mir vom Sehen schon lieb, und der Wunsch entstand in mir, sie zeichnen zu müssen. Und so wie sie war zeichnete ich sie - ruhig und gut mit strahlenden Augen und lächelndem Mund, der nicht verbissen war durch des Lebens Leid, sondern freundlich erzählte von des Lebens Freude." Die mit energischer Plastizität in feinen Grautönen formulierte Bleistiftzeichnung der Künstlerin wirkt überhaupt nicht spektakulär, ein Sinnbild von Ruhe und Harmonie, so als würde damit dem zu jener Zeit geforderten "sozialistischen Realismus" entsprochen. Doch darum ging es ihr nicht. Sie war ganz unpolitisch; auf sich selbst konzentriert, beobachtete sie die Menschen um sie herum und wollte Freude bereiten.
Von nun an malte Eva-Maria Bergmann ihre eigene phantastische Welt, die Schönheit und die Wunder des Lebens, von Menschen und Landschaft, sie malte und zeichnete auf zarte Weise diese kleine Welt mit Feuerwerk, Zirkus, Hochzeits- und Faschingsfesten, maskierten Gestalten, Karnevals- und Märchenprinzessinnen, Kinder- und Laternenfesten, als Rundbilder ein Selbstbildnis an der Staffelei, Adam und Eva oder die Jahreszeiten, in Wörlitz erlebt. Zu ihrem Œuvre gehören Szenen im Theatercafé, ein Bauernmarkt in Bulgarien, märchenhafte Liebespaare, die an indische Miniaturen erinnern, Bäume, impressionistisch zart blühend, herb im Herbst, kahl im Winter, ihre zwei Katzen.
Als ihre Mutter 1969 gestorben war, zog sie ganz fort aus Roitzsch und konnte in Belgern unterrichten, bis sie 1971 die Kündigung erhielt, weil ihr, der Arglosen, politische Unzuverlässigkeit unterstellt wurde. Nun stand sie ganz ohne Einkünfte da. Einen Markt für ihre kleinen Kunstwerke gab es in der DDR nicht. 1973 erhielt sie eine Beschäftigung an der Leipziger Oper, als "Scheuerfrau", wie sie in ihrem Lebensbericht bemerkte. Durch den Einspruch des Künstlerverbandes wurde ihr die Kostümabteilung des Schauspielhauses zum Wirkungsfeld und anregend für ihr künstlerisches Schaffen. Theater, Opern, Konzerte, die ganze Welt der Musik erschloss sich ihr. Hier fand sie Menschen, die ihre kleinen Bilder nicht nur schätzten und liebten, sondern hin und wieder dafür Geld ausgaben. Eva-Maria Bergmann brauchte Zuspruch und Hilfe anderer Menschen. Die gaben ihr Professor Rolf Reuter, damals Generalmusikdirektor des Leipziger Opernhauses und danach der Komischen Oper in Berlin, Karl Krug, Leiter der Radierwerkstatt an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Eva und Erwin Strittmatter, der Schauspieler Friedhelm Eberle, ihr Kommilitone und langjähriger Freund Klaus Großmann und später der Pianist Norman Shelter, Gisela Baronin von Keyserlingk, die Musikerin Anna Niebuhr.
Das Glück des Augenblicks bannte die Malerin in edler Farbigkeit auf Pappe, Holz, Stoffreste, Möbelplatten. Und sie erfüllte damit ein Vermächtnis von Albert Ebert, nicht aus Sentimentalität, sondern, weil sie der Auffassung war, diese Kunstart müsse erhalten werden. Ihre Bilder fanden sich seit 1969 in den Ausstellungen des Künstlerverbandes, dem sie angehörte, in Leipzig, Dresden, Kiew, Altenburg, Frankfurt/ Oder und sie hängen in so mancher Wohnung.
Werke
- Bildnis Frau Nestler, 1964, Öl, Privatvesitz
- Bildnis Hannelore Scholz, 1964, Öl auf Baumwollnessel, 67,5x49,5 Zentimeter (Kat. Die bessere Hälfte 2015) Bes.: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- Cousine und Frau Andrae, 1965, Öl, Privatbesitz (in Leipziger Blätter als "Selbstbildnis mit Mutter" bezeichnet und 1969 datiert)
- Feuerwerk im Wörlitzer Park, 1967, Öl auf Hartfaser., 39,7x33,4 Zentimeter, Besitzer: MdbK Leipzig
- Kinderfest in Roitzsch - eine Kindheitserinnerung, 1967, Öl
- Märchenhaftes Liebespaar, 1967, Öl, Privatbesitz
- Bildnis Helga Hirsemann, 1969, Öl, 22x20 Zentimeter, (9. KA Leipzig 1974) in die USA verkauft
- Zigeunerin, 1970, Öl, 20x10 Zentimeter (8. KA Leipzig 1972)
- Faschingspaar, 1970, Öl auf Pappe, 16x10 Zentimeter Zentimeter (8. KA Leipzig 1972)
- Fasching, 1970, Öl auf Pappe, 16x24 Zentimeter
- Laternenfest an der Saale, 1971, Öl auf Pappe, 26x86 Zentimeter (8.KA Leipzig 1972)
- Der große Fackelumzug in Belgern, 1971, Öl auf Holz, 28x86 Zentimeter
- Feuerwerk, 1973, Öl, 40x37 Zentimeter (9. KA Leipzig 1974)
- Fackelumzug, 1973, Öl, 25x50 Zentimeter (9. KA Leipzig 1974)
- Selbstbildnis als Faschingsprinzessin, 1973, Öl, 12x7 Zentimeter (9. KA Leipzig 1974)
- Selbstbildnis mit Kirche, 1975, Öl, 20x26 Zentimeter (Künstlerverzeichnis 1994)
- Liebestraum, 1976, Öl, Privatbesitz
- Zigeunerhochzeit in Bulgarien, 1977 Öl, Bes.: Galerie Junge Kunst Frankfurt/Oder)
- Stillleben Rote Blume, 1980, Öl, Besitzerin: Eva Strittmatter
- "Unser letztes Weihnachten 1944 in unserer Heimat Sprottau in Schlesien, gemalt 1980", Öl, 1980
- Ein Maskenball, 1981, Öl, 26x36 Zentimeter (IX. KA/DDR Dresden 1982/83)
- Ein Maskenball, 34,5x45,5 Zentimeter, Besitzer: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- Im Atelier, 1983, Öl, d 23,5 Zentimeter, Prof. Friedhelm Eberle Leipzig (VIII. KA /DDR Dresden 1977/78, 11. KA Leipzig 1985)
- Kinderfest in Roitzsch, 1986, Öl, 38,5 x 63 Zentimeter, Privatbesitz (X. KA/DDR, Dresden 1987/88)
- Im Theater-Café, 1986, Besitzer: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- Bauernmarkt in Bulgarien, 1987/88, Öl auf Holz, Privatbesitz (Künstlerverzeichnis ohne Datum [2005])
- Hochzeitszug in Roitzsch - Kindheitserinnerung (Dorfhochzeit in Roitzsch bei Bitterfeld, 1992, Mischtechnik in Öl auf Hartfaserplatte, 37x49 Zentimeter, Privatbesitz ("zeitgleich" 1997)
- Hohe Brücke im Wörlitzer Park, [Öl, 1993/94], Privatbesitz
- Der Zirkus ist da, 1993, Öl, Privatbesitz
- Die vier Jahreszeiten, 1994, Öl-Mischtechnik/ Leinwand auf Möbelplatte, 40x40 Zentimeter ("zeitgleich" 1997)
- Laternenfest an der Saale - Kindheitserinnerung, 1995, Öl-Mischtechnik/Leinwand auf Spanplatte, 27x39 Zentimeter, Bes.: Uta und Jürgen Kothe, Leipzig (Katalog "zeitgleich" 1997 des BBKL)
- Masken im Herbst, 1996, Öl, Besitzer: Prof. Norman Shettler
- Feuerwerk bei der Oberburg/ Laternenfest in Halle Giebichenstein, 1996, Mischtechnik auf Leinwand und Möbelplatte, 40x40 Zentimeter, Bes.: Universität Leipzig Inv.-Nr.: 0997/90, (Kat. "zeitgleich"1997 des BBKL)
- Das Kind auf der Schaukel, [1996, Öl,] Rundbild, Privatbesitz
- Adam und Eva, 1998, Öl (kleines Rundbild) Privatbesitz
- Im Theatercafé bei einer Silvesterparty, 1998, Öl auf Holz, 50 x 40 Zentimeter, Bes.: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig, (Abb. Katalog "Figur")
- Blühende Baum, 1998, Öl, Besitzerin: Eva Strittmatter
- Die Blumenfrau, 1999, Bes.: Eva Strittmatter
- Dame mit Fächer /Maskenprinzessin, 1999, Öl, dm 38,5 Zentimeter, Bes.: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- Maskenpaar, 1999, Öl, Bes.: Prof. Friedhelm Eberle, Leipzig
- Herbst, [1999], Öl, Privatbesitz
- Die tanzenden Bäume, 2000, Privatbesitz
- Herbstlandschaft mit der Kirche von Roitzsch, 2000
- Blühender Birnbaum, 2001, Öl (auf Webseite BBKL Vorort Ost)
- In der Pause, 2001, Öl, 34,7x19 Zentimeter, Bes.: Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- In einem Wiener Café, 2001 Öl, Privatbesitz
- Karusselle im Herbst, [2002], Öl, 29x24 Zentimeter
- Winter, 2004, Öl auf Holz, Privatbesitz
- Phantasie, 2008, Öl, Besitzer: Galerist Peter Müller
- In der Pause bei einem Jour fix bei Frau von Kaiserlingk in Markkleeberg, 2009, Öl, 28x41 Zentimeter, Privatbesitz
- Dirigentenbild, Jun Märkl und MDR-Orchester, Musik: Schönberg "Pelius und Melisande", Öl auf Holz, 2010, Privatbesitz
- Zwei Katzen, 2012, Öl, Privatbesitz
- Abendstimmung beim Hotel Zum Eichenkranz, [2013, Öl], 30x40 Zentimeter, (Galerie - Quadriga vom 5.4.2013)
- [Blumenstand zw. Hochhäusern], 2013, Öl, Privatbesitz
- Abendstimmung Hochhaus, 2014, Öl
- Großstadt abends ("So sehe ich die Großstadt"), 2014, Öl auf Hartfaser, 48,7x22,7 Zentimeter, Besitzer: BBKL
- Der Kuss, 2015, Öl auf Hartfaser, Privatbesitz
Adressen in Leipzig
- 1960 bis 1982: Schmidt-Rühl-Straße 14
- 1982 bis 2011: Löbauer Straße 105
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Renate Florstedt: Teils zart korrekt, teils packend bewegt. In: Mitteldeutsche Neueste Nachrichten vom 17.06.1966.
- Katalog Bezirksausstellung Leipzig 1969. Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, Verband Bildender Künstler Leipzig. 1969, unpaginiert.
- Katalog 8. Kunstausstellung Leipzig 1972. Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, Verband Bildender Künstler Leipzig. 1972, Seite 12.
- Katalog 9. Kunstausstellung Leipzig 1974. Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, Museum der bildenden Künste. 1974, Abbildung Seite 44, Seite 145.
- Katalog 2 Ausgewählte Handzeichnungen von Künstlern der DDR. Herausgeber: Galerie am Sachsenplatz Leipzig. 1976, Seite 6, Seite 8 (Abbildung).
- Katalog "Zeichnung im Bezirk Leipzig". Herausgeber: Staatliches Lindenau-Museum Altenburg, 1977, Seite 11, 42, 136 (Abbildung).
- Katalog VIII. Kunstausstellung der DDR, Dresden 1977/78. Herausgeber: Zentrum für Kunstausstellungen der DDR 1977, Seite 106 (Abbildung).
- Eine ganz große Wand voll Miniaturen. Wir stellen vor: Werke der VIII. Kunstausstellung in Dresden. In: LVZ vom 01.11.1977.
- Katalog 10. Kunstausstellung Leipzig 1979. Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, VEB E.A. Seemann Verlag. 1979, Seite 33.
- Katalog 100. Verkaufsausstellung 98 - 99 - 100, Galerie am Sachsenplatz (Herausgeber) 1982, Seite 26, 27, 33.
- Katalog IX. Kunstausstellung der DDR, Dresden 1982/83. Hrsg.: Ministerium für Kultur der DDR, VBK-DDR. 1982, Seite 210 (Abbildung).
- Katalog 11. Kunstausstellung Leipzig 1985. Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, Verband Bildender Künstler Leipzig. 1985, Seite 158.
- Erwerbungen 1978 - 1985. Malerei, Plastik, Aquarelle, Handzeichnungen. Teil 1. Herausgeber: Galerie Junge Kunst Frankfurt/Oder, 1986, Seite 12.
- Katalog X. Kunstausstellung der DDR, Dresden 1987/88. Herausgeber: Zentrum für Kunstausstellungen der DDR, 1987, Seite 68 (Abbildung).
- Katalog Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 1945-1989. Seite 234.
- Bildende Künstler in Leipzig. Herausgeber: Neuer Leipziger Kunstverein, Passage-Verlag 1994, Seite 14 (Abbildung).
- Katalog "Zeitgleich". Herausgeber: Bund bildender Künstler e. V., 1997, Seite 12 (Abbildung), 76.
- Katalog "Figur". Herausgeber: Bund bildender Künstler e. V., 1999, unpaginiert (Abbildung).
- Eva-Maria Bergmann: Lebensbericht, handschriftlich, 1999.
- Katalog "Handzeichnung und Kleinplastik". Herausgeber: Bund bildender Künstler e. V., 2002, Seite 13 (Abbildung), 71.
- Bildende Künstler in Leipzig. Herausgeber: Neuer Leipziger Kunstverein, art.media Verlag ohne Datum [2005], Seite 18 (Abbildung).
- Dietmar Eisold: Lexikon Künstler der DDR. Berlin: Verlag Neues Leben, 2010, Seite 379/380.
- Die bessere Hälfte. Malerinnen aus Leipzig. Herausgeber: Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, 2015, Seite 10 (Abbildung).
- Rita Jorek: Auf den Flügeln der Phantasie. Die Malerin Eva-Maria Bergmann. In: Leipziger Blätter 71, Passage-Verlag, Herbst 2017, Seite 92 bis 95, (10 Abbildung).
Autorin: Rita Jorek, 2018