Blum, Louise Eugenie (geborene Günther) - Leipziger Frauenporträts
Eugenie Blum als Witwe, um 1850. Lithografie von August Hunger © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventarnummer: Porträt L 47. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Frauenbewegung
- Politik
geboren/ gestorben
13. Februar 1810 (Penig an der Mulde) - 15. März 1874 (Leipzig)
Zitat
"Erziehe unsere - jetzt nur Deine Kinder zu edlen Menschen, dann werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen [...] Betrachte unsere Kinder als theures Vermächtniß, mit denen Du wuchern mußt, und ehre so Deinen treuen Gatten."
(Aus dem Abschiedsbrief Robert Blums aus Wien an seine Frau Eugenie vom 9. November 1848. Quelle: Ralf Zerback: Robert Blum. Eine Biografie, Leipzig 2007, Seite 290)
Kurzporträt
Eugenie Blum war die Gefährtin Robert Blums, als dieser zum Führer der sächsischen Demokratiebewegung im Vormärz wurde. Auch nachdem Blum zum Märtyrer der Revolution geworden war, blieb sie der Demokratie- und Frauenemanzipationsbewegung verbunden und erzog die vier unmündigen Kinder im Geiste des Vaters.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Georg Günther (? - 21.10.1834), Kattunfabrikant in Penig, später Prag, während der Befreiungskriege Stadt- und Schlosshauptmann in Penig
- Mutter: ? (? -23.10.1836)
- drei ältere Schwestern
- Bruder: Johann Georg Günther (1808-1872), Schriftsteller und Journalist, Mitstreiter und Freund von Robert Blum, Vertreter der sächsischen Demokratiebewegung und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Biografie
Eugenie Günther wuchs als jüngstes Kind einer Kattunfabrikantenfamilie zunächst in Penig auf. Da die Familie infolge der Befreiungskriege in wirtschaftliche Bedrängnis geriet und die Fabrik geschlossen werden musste, siedelte sie 1820 nach Prag über. Hier fand der Vater als Faktor einer Kattunfabrik Anstellung, machte sich später aber wieder selbständig. Eugenie erhielt anfangs in einer Klosterschule der Ursulinen, dann gemeinsam mit Bruder Georg von einem gelehrten Juden Privatunterricht. Da für Mädchen keine weiterbildenden Schulen existierten, konnte sie nach der Konfirmation nur noch autodidaktisch Wissen erwerben. Im Bekanntenkreis wurde "Günthers Jenny" für eine halbe Gelehrte gehalten. Später erledigte sie mit großer Selbstverständlichkeit die Buchhaltung im aufblühenden väterlichen Unternehmen. Nach dem Tod des Vaters 1834 musste die Fabrik, die nach dem Willen des Vaters der Sohn übernommen hatte, allerdings bald geschlossen werden. Bruder Georg, der in Leipzig studiert hatte und Historiker werden wollte, fehlte das nötige Geschäftswissen.
Jenny unterstützte die Familie, indem sie sich eine Stelle als Erzieherin in einer Kaufmannsfamilie suchte. Nach dem Tod der Mutter übersiedelte sie 1837 mit einer älteren Schwester nach Leipzig. Hier bot ihnen der Bruder, der inzwischen die Redaktion der bei Brockhaus erscheinenden liberalen "Deutschen Allgemeinen Zeitung" übernommen hatte, ein neues Zuhause. Dort lernte sie Vertreter der sich formierenden vormärzlichen Oppositionsbewegung kennen, unter anderem Robert Blum. Gemeinsam mit ihren Geschwistern nahm sie an seiner ersten Hochzeit 1838 mit Adelheid Mey teil, die bereits vier Monate später infolge einer Fehlgeburt verstarb. Blum stürzte sich noch stärker in die politische Arbeit und verkehrte häufig im Hause seines Freundes Georg Günther. Bald entstand eine Neigung zwischen ihm und Eugenie.
Von Mai bis Dezember 1839 hielt sich Eugenie Günther in Kappel bei Chemnitz bei ihrer verheirateten jüngsten Schwester auf. Aus dieser Zeit existieren zahllose Liebesbriefe, nach Zerback das "intimste Zeugnis aus Blums Leben" - aus Jennys ebenfalls. Brieflich bat Blum sie, seine Frau zu werden, brieflich gab sie ihm ihr Ja-Wort. Die Trauung erfolgte am 29. April 1840 in der Dorfkirche von Thekla bei Leipzig. Blum hatte nun eine belesene, gebildete, politisch interessierte, ihn unterstützende Frau, eine Gefährtin, an seiner Seite. Während der ersten Ehejahre bewohnten sie ein einstöckiges Häuschen in der äußeren Vorstadt vor dem Ranstädter Steinweg. Hier trafen zu geheimen Beratungen prominente Literaten, Liberale und Demokraten zusammen, Gutzkow, Itzstein, Herwegh, Trützschler und andere. Eugenie verfolgte mit Begeisterung das Wirken ihres Mannes: in der geheimen Burschenschaft "Kochei", im Hallgartenkreis, im Literatenverein, bei den Schillerfesten, auf Volksversammlungen. Blum war damals noch Theatersekretär, agierte aber bereits als Herausgeber demokratischer Blätter, so der "Sächsischen Vaterlandsblätter", in denen 1843/44 mit einer Artikelfolge von Louise Otto die deutsche Frauenemanzipationsbewegung ihren publizistischen Anfang nahm.
Seit 1847 entwickelte Louise Otto eine Freundschaft zu Blum und seiner Familie. Da letztere rasch wuchs, kaufte Blum mit finanzieller Unterstützung seiner Freunde 1844 ein größeres Haus in der Eisenbahnstraße. Als Leipziger Hausbesitzer durfte er nun das Bürgerrecht erwerben. Damit war er in der Kommune wahlberechtigt und wählbar - zwei Jahre später sollte er Stadtverordneter sein. Rhetorisch begabt, entwickelte sich Robert Blum zum populären Führer der sächsischen Demokratiebewegung, vor allem nach dem sogenannten Leipziger Gemetzel von 1845 und im Kontext der religiösen Dissidentenbewegung des Deutsch-Katholizismus, deren Leipziger Gemeinde er begründete. Eugenie Blum trat der Bewegung nicht bei. Sie konnte ihre religiösen Ansichten innerhalb der evangelischen Kirche leben.
1847 gründete Blum die Verlagsbuchhandlung Blum & Co., die unter anderem ein "Staatslexicon für das Volk" herausgab. Die finanzielle Situation der Familie mit vier kleinen Kindern [Hans (1841-1910), Richard (1842), Johann Robert Alfred (1844-1845), Ida (1845) und Alfred (1847)] blieb indes schwierig. Das galt auch während der Revolution 1848, als Robert Blum als einer der Vize-Präsidenten des Vorparlaments und als Abgeordneter Leipzigs im Paulskirchenparlament in Frankfurt am Main wirkte. Nur zweimal noch, Mitte August, als Blum in Leipzig vor seinen Wählern Rechenschaft ablegte, und Mitte Oktober, als er sich als Leiter einer Delegation der demokratischen Fraktion der Nationalversammlung auf der Durchreise nach Wien befand, sah Eugenie ihren Mann. Mit der rechtswidrigen, unter Bruch seiner Abgeordnetenimmunität erfolgten Verurteilung und Hinrichtung am 9. November 1848 in Wien wurde Robert Blum zum Märtyrer der Revolution. Der nun einsetzende Kult um ihn als "Heiland der Freiheit" ließ ihn zum populärsten deutschen Politiker des 19. Jahrhunderts vor dem Reichsgründer Otto Fürst von Bismarck werden.
Jenny Blum erfuhr vom Tod ihres Mannes am Morgen des 13. November durch einen beauftragten Freund. Ein Sturm der Entrüstung brach in ganz Deutschland und insbesondere in Leipzig los; an zahlreichen Orten wurden Trauerversammlungen veranstaltet. Tausende kondolierten ihr, sandten Blumen und Gedichte. Diese Anteilnahme mochte sie trösten, eine Überführung der Leiche ihres Mannes erreichte sie nicht. Erst am 6. Dezember 1848 erhielt sie seinen Scheidebrief. Er wurde umgehend in unzähligen Zeitungen sowie als Gedenkdruck als einer "der großen Prosatexte der deutschen Geschichte" veröffentlicht. Überall in Deutschland fanden Geldsammlungen zur Unterstützung der Familie Robert Blums statt. Dadurch sowie den Verkauf von Devotionalien und Trauerreden kam ein Vermögen zusammen, das der Familie eine materiell sorgenfreie Existenz ermöglichte - zum ersten Mal.
Jenny konnte zunächst die beiden älteren Söhne in ein Schweizer Erziehungsinstitut in die Nähe von Bern geben. Sie selbst wollte in Leipzig ein Mädchen-Institut eröffnen, erkrankte jedoch schwer. Letztlich folgte sie mit den beiden jüngeren Kindern den Söhnen in die Schweiz. Hierzu dürfte die nach der Niederschlagung der Revolution einsetzende Repressions- und Restaurationspolitik wesentlich beigetragen haben. So war der anlässlich des ersten Todestages von Robert Blum 1849 gegründete demokratische Blum-Verein bereits ein Jahr später wegen "staatsgefährlicher Tendenzen" verboten und sein Vermögen beschlagnahmt worden. Als Vereinsmitglied hatte Jenny Spenden für die Kinder verhafteter, ausgewiesener oder getöteter Revolutionäre entgegengenommen und die Kinder ermutigt, die Erinnerung an ihre Väter zu bewahren. Pfarrer Franz Rauch, der zum Todestag Robert Blums die Gedenkpredigten hielt, geriet in Untersuchungshaft. Auch Louise Ottos "Frauen-Zeitung", in der Eugenie Blum 1849/50 mehrfach mit Artikeln vertreten war, durfte nach Verabschiedung eines reaktionären Pressegesetzes im Dezember 1850 nicht mehr in Sachsen erscheinen.
Erst 1865 kehrte Eugenie Blum nach Leipzig zurück, wo ihr ältester Sohn Hans einen eigenen Hausstand begründete. 1867 bis 1869 lebte sie in Amerika. Sie hatte die Braut ihres dort lebenden zweiten Sohnes übers Meer begleitet und ihren Bruder Georg sowie ihre älteste Schwester wiedergetroffen, die nach der niedergeschlagenen Revolution emigriert waren. Die letzten Lebensjahre verbrachte sie im Kreise ihrer Leipziger Kinder und Enkel. Bereits 1870 an einem asthmatischen Leiden erkrankt, starb sie am 15. März 1874. Louise Otto-Peters zufolge war Jenny Blum zwar nicht Mitglied des ADF geworden, unterstützte aber dessen Bestrebungen. Sie teilte auch in diesem Punkt ganz die Auffassungen ihres Mannes, der den Frauen das Recht zugebilligt hatte, im Dienste des Fortschritts zu wirken.
Adressen in Leipzig
- 1840: "Kleine Funkenburg" in der Frankfurter Straße
- 1844: Eisenbahnstraße 8
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Louise Otto, Blicke in die Runde (Die Wittwe Robert Blums, Eugenie Blum, geborene Günther, starb am 15. März d. J. in Leipzig), in: Neue Bahnen, 1874, Nummer 8, Seite 59.
- Die Wittwe eines Freiheitskämpfers. Zum 9. November, in: Die Gartenlaube, herausgegeben von Ernst Keil in Leipzig, 1874, Heft 45, Seiten 726-730. Ohne Autorenangabe.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Louise Otto, Blicke in die Runde (Die Wittwe Robert Blums, Eugenie Blum, geborene Günther, starb am 15. März d. J. in Leipzig), in: Neue Bahnen, 1874, Nummer 8, Seite 59.
- Die Wittwe eines Freiheitskämpfers. Zum 9. November, in: Die Gartenlaube, 1874, Heft 45, Seiten 726-730. Ohne Autorenangabe.
- Hans Blum, Robert Blum. Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk, Leipzig 1878, insbesondere Kapitel 8: Neue Hoffnungen. Eugenie Günther, Seiten 117-140.
- Ralf Zerback, Robert Blum. Eine Biografie, Leipzig 2007.
- Peter Reichel, Robert Blum. Ein deutscher Revolutionär 1807-1848, Göttingen 2007.
- Robert Blum (1807-1848), Visionär, Demokrat, Revolutionär [Begleitbuch zur Ausstellung des Bundesarchivs], herausgegeben vom Bundesarchiv, bearbeitet von Martina Jesse, Berlin 2006.
- Manfred Hettling, Totenfeiern für Robert Blum, Frankfurt am Main 1998.- Susanne Schötz, "Alle für Eine und eine für Alle"? Zur Geschichte weiblicher Emanzipationsbestrebungen im 19. Jahrhundert in Leipzig, in: Unruhiges Leipzig, herausgegeben von Ulrich Brieler und Rainer Eckert (im Druck).
Autorin: Susanne Schötz, 2015