Brendel, Elisabeth (geborene Tautmann) - Leipziger Frauenporträts
Elisabeth -Lysinka- Brendel, undatiert © Rechte Dritter bestehen nicht. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Frauenbewegung
geboren/ gestorben
27. August 1814 (St. Petersburg) - 15. November 1866 (Leipzig)
Zitat
"Eine solche Frau und an der Seite eines solchen Gatten, der von je her die vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter anerkannte, musste wohl befähigt sein, ihren Einfluss auch über die Grenzen ihrer Häuslichkeit hinaus zu erstrecken ..."
(Louise Otto-Peters, 1867)
Kurzporträt
Elisabeth Brendel wirkte als Konzertpianistin und Musiklehrerin in Leipzig. Sie unterstützte die vor allem durch Liszt und Wagner vertretene "neudeutsche Richtung" in der Musik, förderte in ihrem Salon junge Künstler/-innen und war Gründungsmitglied des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) 1865.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Christian Tautmann (Lützen 1786 - 28.03. 1870, Leipzig ), Kaufmann
- Mutter: Anna, geb. Jastrebilow (1798 - 1848)
- Bruder: Nikolai (St. Petersburg 1817 - 1860 Dresden), Cellist
Biografie
Elisabeth - russische Koseform Lysinka - Tautmann kam am 27. August 1814 in St. Petersburg als Tochter des deutschen Kaufmanns Johann Christian Tautmann zur Welt. Ihre Mutter Anna, eine Russin, bestimmte, dass die Kinder russisch-orthodox getauft wurden.
In Moskau, der nächsten Lebensstation der Familie, setzte Elisabeth beim irisch-britischen Komponisten John Field (1782-1837) ihre in Petersburg begonnene musikalische Ausbildung fort und trat erstmals öffentlich als Klaviersolistin auf. Mit der Umsiedlung der Familie nach Deutschland vervollkommnete Lysinka ihre musikalischen Fähigkeiten unter anderem bei Ludwig Berger (1777-1839) in Berlin, gab Konzerte in Wien, München und Dresden. Der Münchner philharmonische Verein ernannte sie zum Ehrenmitglied.
1839 ließ sich ihr Vater in Dresden nieder. Hier lernte sie Dr. Carl Heinrich Brendel kennen, der sich später in Verehrung für Liszt "Franz" nannte. Brendel hatte mit einer medizinphilosophischen Dissertationsschrift 1840 den Doktortitel erworben. Er betätigte sich mit Schwerpunkt Musik und Kunst als Schriftsteller, Historiker, Journalist, Redakteur und akademischer Lehrer. Dabei kam ihm zustatten, dass er Klavierunterricht bei Friedrich Wieck (1785-1873) genommen hatte. Brendel hielt musikhistorische Vorträge und untermalte diese am Klavier. Diesen Part übernahm 1843 in Dresden und 1844 Lysinka Tautmann. Brendel war nicht nur begeistert von ihrem Klavierspiel, er verliebte sich auch in sie. Es folgten die Verlobung und am 28. November 1844 in Dresden die Heirat.
Das junge Paar zog nach Leipzig, da Franz Brendel von Robert Schumann (1810-1856) die in Leipzig verlegte "Neue Zeitschrift für Musik" erworben hatte und ab 1. Januar 1845 deren Redaktion übernahm. Mit dieser bedeutendsten deutschen Musikzeitschrift setzte sich Brendel dezidiert für die "neudeutsche" Musikrichtung ein.
Elisabeth Brendel trat am 23. Januar 1845 zum letzten Mal öffentlich im Gewandhaus auf, mit einem selten gehörten, mit viel Beifall bedachten Fieldschen Klavierkonzert. Ihre Technik sei "höchst sauber und bis ins Einzelne ausgearbeitet". Ihre "nervöse Aufregung", "Ängstlichkeit und Kränklichkeit" aber führten zum Rückzug von der öffentlichen Bühne. Anlässlich der Tonkünstlerversammlungen in Leipzig 1847 und 1849 sowie weiterer geschlossener Veranstaltungen trat sie aber gelegentlich auf: unter anderem im Rahmen der von ihrem Mann initiierten musikhistorischen Vorlesungen der "Damen-Academie" 1850 in Leipzig. Louise Otto (1819-1895), die seit dem Vormärz zum Freundeskreis der Brendels gehörte und bei ihren Aufenthalten in Leipzig oft bei diesen wohnte, unterstützte dieses Vorhaben in ihrer "Frauen-Zeitung" und hob auch den Klavierbeitrag von Elisabeth Brendel hervor. Diese konzertierte 1858 vor ausgewählten Freunden und Gästen in einem speziell für sie für Klavier bearbeiteten Zyklus Lisztscher symphonischer Stücke.
Es war auch ein Glücksfall, dass sie nur noch in nichtöffentlichen Konzerten wirkte, hatte sie doch nun mehr Möglichkeiten, mit ihren hervorragenden musikalischen und pädagogischen Fähigkeiten viele Klavierschülerinnen auszubilden und einen Salon zu pflegen, der einen "anregende(n) Sammelplatz für alle musikalischen, den Fortschritt huldigenden Elemente", für Künstler ersten Ranges wie Liszt, Bülow und andere, aber auch für Kunstnovizen oder Kunstfreunde bot.
Lina Ramann (1833-1912), die bekannte Musikpädagogin und -schriftstellerin, schwärmte noch Jahrzehnte später von ihrer Klavierlehrerin Elisabeth Brendel. Nicht nur der Unterricht, sondern die Atmosphäre und Diskussionen mit einer musikphilosophischen Botschaft, die von beiden Ehepartnern gleichermaßen ausging, übten Wirkung auf Schülerinnen wie Salongäste aus.
Aus der Sicht gebildeter, fortschrittlicher Frauen und Männer lebte das Ehepaar Brendel Mitte des 19. Jahrhunderts eine Ehe, die nicht den üblichen Geschlechterrollenklischees entsprach. Beide waren hochgebildet und kultiviert, beruflich und gesellschaftlich aktiv. Franz Brendel vertrat die völlige Gleichberechtigung der Geschlechter und förderte weibliche Talente auf dem Gebiet der Musik. Die Leitung des Haushaltes und des Salons lag aber in den Händen seiner Frau, und selbst kinderlos hatten sie zudem eine Pflegetochter - Auguste Heinicke - angenommen.
Das weitgespannte geistige Interesse und ihre profunde Allgemeinbildung mit besonderem Blick auf die Beteiligungsmöglichkeiten des weiblichen Geschlechtes barg auch eine Kraftquelle für Elisabeth Brendel in Zeiten gesundheitlicher Probleme. Sie gehörte zum Kreis des "Unschuldbundes", dessen Teilnehmerinnen sich in Leipzig-Reudnitz bei Louise Otto-Peters trafen, wie die Musiklehrerin Clara Claus berichtete. Elisabeth Brendel war an der Seite von Louise Otto-Peters, Ottilie von Steyber und Auguste Schmidt, als diese 1865 den Frauenbildungsverein und den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF) in Leipzig gründeten, zählte sie doch zu den Frauen, die die Gleichberechtigung nicht als Ausnahme für sich, sondern generell für das weibliche Geschlecht forderten.
Zunehmende Krankheit verhinderte ihr aktiveres Wirken im ADF. Nach monatelangem Leiden starb sie am 15. November 1866 in Leipzig, ihr Mann zwei Jahre später. Beide wurden auf dem Donatfriedhof in Freiberg/Sa. beigesetzt. Nekrologe in der "Neuen Zeitschrift für Musik" und den "Neuen Bahnen" würdigten ihre Lebensleistung. Paradoxerweise führte der in seiner Zeit außergewöhnliche Einsatz von Franz Brendel für die Frauenemanzipation dazu, dass er im Vergleich zu seiner Frau in seiner Zeit und durch die heutigen Genderforscher/-innen viel stärker wahrgenommen wurde und wird.
Adressen in Leipzig
- 1844 Zuzug aus Dresden
- 1845-1860 Mittelstraße 1 (nach Umnummerierungen gleiches Haus unter Nummer 4 [ab 1852] und Nummer 24 [ab 1858] geführt)
- 1861-1864 Lange Straße 2, II
- 1865-1866 Kreuzstraße 7, II
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Biografisches Porträt in "Leipziger Lerchen. Frauen erinnern", 3. Folge 2002.
- Hinweis auf Elisabeth Brendel in der interaktiven Stadtkarte "Auf den Spuren von Louise Otto-Peters und der Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Leipzig" (Station 13)
- http://www.louiseottopetersgesellschaft.de/index.php?id=rundgang).
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Ludwig, Johanna: Elisabeth Brendel (1814-1866). Pianistin, Klavierlehrerin, Gründungsmitglied des AdF, in: Leipziger Lerchen. Frauen erinnern. 3. Folge, LOUISEum 11. Herausgegeben von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. Leipzig. Beucha 2002, Seite 10-19.
- Bick, Martina: "Franz Brendel", in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, herausgegeben von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 Stand vom 27.2.2014. URL: http://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Franz_Brendel [zuletzt abgefragt: 26.10.2018].
- L.[ouise] O.[tto]: Elisabeth Brendel, in: Neue Bahnen, 1867, Jahrgang 2, Nummer 2, Seite 11 und folgende (Gedenkartikel).
- dieselbe: Lina Ramann, in: ebenda, 1884, Jahrgang 19, Nummer 10, Seite 73-77.
- L.[ina] Ramann: Erinnerung an Louise Otto, in: ebenda, 1896, Jahrgang 31, Nummer 6, Seite 48 und folgende
- Claus, Clara: Vor dreißig Jahren, in: ebenda, 1896, Jahrgang 31, Nummer 6, Seite 50.
- "St.": Nekrolog. Elisabeth Brendel, in: Neue Zeitschrift für Musik, 1866, Nummer 48, Seite 411.
- Brendel, Franz: Gegenwart und Zukunft des weiblichen Geschlechts. In: Anregungen für Kunst, Leben und Wissenschaft. Band II. Leipzig, 1857. Seite 91.
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger, 24.11.1866 (Todesnachricht Elisabeth Brendel) und 27.11.1868 (Traueranzeige für Franz Brendel von Pflegetochter Auguste Hennicke).
Autor: Dr. Heiner Thurm, 2018