Brenner, Bettina - Leipziger Frauenporträts
Bettina Brenner, links im schwarzen Kleid, im Erholungsheim des Jüdischen Frauenbundes in Wyk auf Föhr (1920er Jahre) © Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) Hamburg, Sign. Bilddatenbank 18-014 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Frauenbewegung
- Politik
- Soziales
- Religion
geboren/ gestorben
6. Dezember 1877 (Breslau) - 11. Dezember 1948 (Viña del Mar, Valparaíso Province, Valparaiso, Chile)
Zitat
"... wenn es auch heute Gottlob schon zum 'guten Ton' gehört, sich jüdisch zu bekennen, so ist doch auch in den Reihen der jüdischen Bevölkerung die Zahl der unerweckten Frauen noch erschreckend groß."
(Blätter des Jüdischen Frauenbundes BJFB* V, 9. September 1929).
Kurzporträt
Bettina Brenner war von 1924 bis 1934 Vorstandsvorsitzende des Jüdischen Frauenbundes Deutschlands sowie Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Frauen. 1929 wählte sie der Weltkongress jüdischer Frauen zu einer der Vizepräsidentinnen und zum Exekutivmitglied des von ihr mit initiierten Weltbundes Jüdischer Frauen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Simon Pfeffer (1846-1910);
- Mutter: Rosa Pfeffer, geborene Bielski (1851-1939);
- Geschwister:
- Margarethe Bial (geborene Pfeffer; 1875 Breslau -1944 Viña del Mar, Provinz Valparaíso, Region Valparaíso, Chile)
- Käthe Sternberg (geborene Pfeffer; 1883 Breslau -? Viña del Mar, Provinz Valparaíso, Valparaíso, Chile)
- Elly Pfeffer (1888-1895)
- Hans Kurt Pfeffer (1893 Breslau-1954 Santiago/Chile)
- Ilse Apt (geborene Pfeffer; 20.11.1895-22.10.1979 San Francisco, Kalifornien, USA)
- Erwähnt werden auch zwei Ehen Bettina Brenners: 1. mit Ludwig Wolfes, 2. mit Emanuel Adolf Brenner (nach www.geni.com/people).
Biografie
Bettina Brenner, am 06.12.1877 in Breslau geboren, über deren Kindheit/ Jugend, Umzug nach Leipzig und Ehen nichts Näheres bekannt ist, gehörte seit 1916 zum Vorstand des Jüdischen Frauenbundes (JFB). 1922 wurde sie in Nachfolge von Mathilde Goldschmidt und Bertha Levy Erste Vorsitzende der Leipziger JFB-Ortsgruppe, die 1910 aus einem Bündnis des Israelitischen Frauenvereins, des Vereins "Ruth" und des "Israelitischen Spar- und Versicherungsvereins für schulentlassene Mädchen" entstanden war. Brenner initiierte in Leipzig die Gründung einer Nähstube für arbeitslose Frauen und Mädchen, war Mitglied des Leipziger Israelitischen Frauenvereins, Mitgründerin und Zweite Vorsitzende des Vereins Israelitischer Kindergarten, Tagesheim e.V. sowie seit 1924 bis 1934 Vorsitzende des JFB-Gesamtvorstandes.
1925 legte Brenner ihre Leipziger Ämter nieder und ging nach Berlin, wo sich einerseits die Geschäftsstelle des JFB befand, und wo sie andererseits für die Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland wirkte.
"Der Fortzug dieser ungemein rührigen, tatkräftigen und klugen Frau verursacht eine fühlbare Lücke im jüdischen Leben Leipzigs. ... besonders ihrer Initiative verdanken unsere jüdischen Frauen das aktive und passive Wahlrecht zur Gemeindesitzung... Die hiesige Ortsgruppe des 'Jüdischen Frauenbundes' erlebte unter ihrem unermüdlichen Vorsitz einen bedeutsamen Aufschwung ihrer Stellung und ihrer Arbeitsgebiete; der 'Jüdische Kindergarten'... entfaltete sich unter ihrer Führung zu einem unentbehrlichen Faktor unserer jüdisch-sozialen Arbeit. Auch gehörte sie dem Vorstande des 'Israelitischen Frauenvereins' an ... die örtliche 'Erziehungskonferenz' als Auftakt der großen jüdischen Erziehungskonferenz (1923), die Mittelstandshilfe waren Beweise ihres tiefen Verständnisses für soziale Notwendigkeiten und ihres großen organisatorischen Geschicks." (Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde, I, 1925; Nummer 11, Seite 3)
1927 kehrte sie nach Leipzig zurück. Sie engagierte sich erneut in der Gemeinde- und Vereinsarbeit und war Kuratoriumsvorsitzende des 1926 gegründeten JFB-Kindererholungsheims für tuberkulös-gefährdete Kinder in Wyk auf Föhr.
1924 bis 1934 wirkte Bettina Brenner in der Nachfolge Bertha Pappenheims als Vorsitzende des Gesamtvorstandes des JFB mit damals rund 50.000 Mitgliedern. Mit dem Führungswechsel geht auch eine politische Kursänderung einher. Hatte Bertha Pappenheim eine Öffnung des JFB für zionistische Ideen abgelehnt, war Bettina Brenner schon länger auf lokaler Ebene mit zionistischen Frauenverbänden in Kooperation und so wurden zionistische Verbände nun Teil des organisatorischen Spektrums. In einem waren Pappenheim wie Brenner sich grundsätzlich einig: beide wollten deutsch-jüdische Frauen dabei unterstützen, ihre jüdische Identität zu stärken und in einer überwiegend christlichen Mehrheitsgesellschaft selbstbewusst zu leben.
In Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus lud Bettina Brenner als JFB-Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Frauen (BDF) Vertreterinnen christlicher Frauenverbände und Vereine der BDF-Generalversammlung vom 07.-10.10.1931 und Frauen der JFB-Versammlung vom 11.-12.10.1931 - beide in Leipzig - zu einer anschließenden Zusammenkunft ein. Der JFB rief hier erstmals "direkt zur Abwehr des Antisemitismus auf" und versuchte "zu diesem Zwecke eine Brücke der Verständigung und eine Basis der Zusammenarbeit mit Frauen anderer Konfessionen, denen er sich in der sozialen Arbeit verbunden" fühlte, zu schmieden. Margarete Berent wies in dieser Sitzung auf "die verwandten Schicksalszüge der Frauenbewegung und des Judentums hin", da in Zeiten wirtschaftlicher Not und politischer Turbulenzen Frauen und Juden zuerst bedroht und gefährdet sind. Agnes von Zahn-Harnack, seit 1931 BDF-Vorsitzende, hielt Antisemitismus "für Deutschland unwürdig und unklug" und stimmte für die gewünschte engere Zusammenarbeit (Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung, 7. Jahrgang Nummer 11). Zahn-Harnack und Brenner luden am 28.01.1932 erneut zu einem Treffen christlicher und jüdischer Frauen ein. "Dass überall Wert auf die Initiative und Führung christlicher Frauen gelegt werden soll", hielt Zahn-Harnack für unerlässlich, damit in der Öffentlichkeit deutlich würde, dass Antisemitismus kein jüdisches Problem ist, sondern alle angeht (Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung, 7. Jahrgang Nummer 12, Dezember 1931, Seite 8).
Am 10.05.1933 erfolgte die formelle Austrittserklärung des JFB aus dem BDF: "Wenn wir daher aus der Organisation ausscheiden, die bisher die Deutsche Frauenbewegung verkörperte, so bleiben wir damit im Grunde der Frauenbewegung, die auch ein Fundament unseres Bundes ist, verbunden. Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß auch jüdische Frauen es waren, die der Deutschen Frauenbewegung von Anbeginn an nicht nur angehörten, sondern sie schöpferisch beeinflussten. Die Namen von Henriette Goldschmidt, Jeanette Schwerin, Lina Morgenstern, Josephine Levy-Rathenau, Jenny Apolant, Alice Salomon sind aus der Frauenbewegung nicht fortzudenken. Sie leben auch in unseren Reihen als Trägerinnen der Idee fort, die uns Frauen die Wege zu Bildung und Beruf bahnten ... und wir scheiden mit einem schmerzlichen Gefühl." (Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung VI, 1933, Seite 11 und folgende)
Ab 1931 betrieb Bettina Brenner eine jüdische Pension im thüringischen Friedrichroda, die dem rassistischen Mob beim Novemberpogrom 1938 zum Opfer fiel. Von 1934 bis zur Zwangsauflösung 1939 übernahm Ottilie Schönewald den Vorsitz des JFB. Nach der Enteignung und "Arisierung" ihres Hauses emigrierten Bettina Brenner und ihre Mutter 1939 nach Santiago de Chile, wo auch einige ihrer Geschwister Zuflucht und neue Heimat fanden, und wo sie mit 71 Jahren im Jahre 1948 verstarb.
Werke
- Brenner, Bettina: Ortsgruppe Leipzig. In: Jüdischer Frauenbund. Protokoll d. V. Delegiertenversammlung am Sonntag, den 28. Januar 1917, (Berlin 1917), 24.
- Brenner, Bettina: Jüdischer Frauenbund, Ortsgruppe Leipzig In: Leipziger jüdische Zeitung. (I,1922) 12, 2 und folgende
- Brenner, Bettina: Zukunftsaufgaben der Jüdischen Tuberkulosefürsorge. In: Zedakah (1926) 2, 48 und folgende
- Brenner, Bettina: Die Frau in der Gemeinde. In: Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung (IV, 1928) 1, 6.
- Brenner, Bettina: Zum 25jährigen Bestehen des Jüdischen Frauenbundes. Die Arbeit des Jüdischen Frauenbundes in Deutschland. In: Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig (V, 1929) 23, 2 und folgende
- Brenner, Bettina: Wozu braucht der JFB Ortsgruppen? In: Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung (V, 1929) 5, 6 und folgende
- Brenner, Bettina: 15 Jahre Israelitischer Kindergarten In: Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde. Leipzig (VI, 1930) 2, 4.
- Brenner, Bettina; Ollendorff, Paula: Der J.F.B. an die Reichsarbeitsgemeinschaft der Landesverbände jüdischer Gemeinden zur Frage des Reichsverbandes der deutschen Juden und der Jüdischen Weltkonferenz. In: Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung (VIII, 1932) 7, 8.
- Brenner, Bettina: Bund Deutscher Frauenvereine. In: Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung (VIII, 1932) 11, 8.
Adressen in Leipzig
- 1920-1926 Ferdinand-Rohde-Straße 22 (Brenner, Adolf, Kaufmann; vermutlich der Ehemann Bettina Brenners; das Datum der Heirat ist bisher aber nicht nachgewiesen. Es ist unklar, ob und ab wann Bettina Brenner hier wohnte), für M. & H. Brenner, Galanterie- und Spielwarengroßhandlung, Lagerhofstraße 2, Inhaber Adolf Brenner (1923 ohne Firma M. & H. Brenner)
- 1926 Ferdinand-Rohde-Straße 22
- 1927-1930 ohne Leipziger Adressbuch-Eintrag
- 1931-1933 Gustav-Adolf-Straße 19
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- 2022 stand ihr Name auf der von der AG Frauenprojekte initiierten Liste mit über 80 Vorschlägen für weibliche Straßennamen in Leipzig, die der Stadt übergeben wurde.
- 11.09.2022 Gegenwart aus Tradition gestalten. Jüdische Frauenperspektiven in Leipzig. Symposium & Workshops des Netzwerkes Jüdisches Leben Leipzig und von Bet Debora Berlin mit Erinnerungen an Henriette Goldschmidt (1825-1920), Bettina Brenner (1877-1948), Edith Mendelssohn Bartholdy (1882-1969), Louise Ariowitsch (1856-1939), Gertrud Herrmann (1896-1942 deportiert), Gerda Taro (1910-1937), Felicia Hart (1903-1976), Alice Seiffert (1897-1976) (alle aus dem Frauen online-Portal) und andere mehr
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Greven-Aschoff, Barbara: Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894-1933. Göttingen 1981.
- Fassmann, Irmgard Maya: Jüdinnen in der deutschen Frauenbewegung 1865-1919. Hildesheim/ Zürich/ New York 1996.
- Kaplan, Marion: Die jüdische Frauenbewegung in Deutschland. Organisationen und Ziele des Jüdischen Frauenbundes 1904-1938. Hamburg 1981.
- Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Bonn 1993.
- Omran, Susanne: Frauenbewegung und 'Judenfrage'. Diskurse um Rasse und Geschlecht nach 1900. Frankfurt/ New York 1999.
- Reinicke, Peter: Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes (JFB) - Bettina Brenner (1877-1948). Seite 115-123. In: Sabine Hering; Jüdische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien. Frankfurt am Main 2006.
- Reinicke, Peter: Bettina Brenner. Seite 107. In: Hugo Maier: Who is Who der Sozialen Arbeit. Freiburg im Breisgau 1998.
- Sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/search/quick?query=Bettina+Brenner
- Weissberg, Yvonne: Der Jüdische Frauenbund in Deutschland 1904 - 1939: zur Konstruktion einer weiblich-jüdischen Kollektiv-Identität. Zürich 2016. (https://doi.org/10.5167/uzh-150729)
- Rapp, Jeanett: Von Jüdin für Jüdin. Die soziale Arbeit der Leipziger Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes und ihrer Mitgliedsorganisationen bis zum Ende der Weimarer Republik. Berlin, Freie Universität Berlin, Dissertation, 2011
- Ulbricht, Gunda: „Kommt den Frauen mit Ernst entgegen.“ Politik jüdischer Frauen in Sachsen 1904 bis 1989. In: Frauen in Sachsen. Politische Partizipation in Geschichte und Gegenwart. Herausgegeben von Werner Rellecke, Susanne Schötz, Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, Dresden 2022
Autorin: Esther Jonas-Märtin, 2019/2023