Büttner, Rosalie - Leipziger Frauenporträts
Rosalie Büttner, um 1912 © Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Frauenbewegung
geboren/ gestorben
23. Februar 1846 (Elbing/ West-Preußen) - 17. Juni 1914 (Leipzig-Gohlis)
Zitat
"Mehr Lehrerinnen sind angestellt worden in Volksschulen und höheren Schulen, in unteren und höheren Klassen; sie genießen eine bessere Vorbildung durch das Seminar und die Universität."
(Büttners Bilanz 1913)
Kurzporträt
Die Oberlehrerin Rosalie Büttner war 1888 Mitbegründerin und bis zu ihrem Tod 1914 Vorsitzende des Leipziger Lehrerinnenvereins, der erfolgreich für die Verbesserung der pädagogischen und wissenschaftlichen Ausbildung sowie der materiellen Lage der Lehrerinnen sorgte.
Herkunftsfamilie
Der Vater war promovierter Oberlehrer, die Mutter Volksschullehrerin.
Biografie
Rosalie Büttner wurde am 23. Februar 1846 in Elbing/ Westpreußen geboren. Ihre berufstätigen Eltern vermittelten ihr ein Frauenbild, das nicht allein auf das bürgerliche Glück einer Ehe ausgerichtet war. In ihrer Vaterstadt besuchte sie eine private höhere Mädchenschule und bereitete sich privat auf das Lehrerinnen-Examen vor, das sie 1865 in Danzig ablegte. Sie begann ihre Laufbahn als Hauslehrerin, arbeitete an der höheren Töchterschule in Elbing, wechselte danach an eine Privatmittelschule in Berlin.
Ab 1869 unterrichtete sie einige Jahre an der städtischen höheren Mädchenschule in Schneidemühl/ Provinz Posen. 1872 wurde sie als dritte Lehrerin an der höheren Bürgerschule für Mädchen, einer Volksschule, am Thomaskirchhof in Leipzig angestellt, die 1877 den höheren Lehranstalten, Realschulen und Seminaren gleichgestellt wurde und nach dem Umzug in das neue Gebäude am Schletterplatz (ab 2011 Gaudigplatz) 1878 den Namen Höhere Schule für Mädchen erhielt. Mehr als vierzig Jahre wirkte sie an dieser Schule sowie an der Städtischen II. Höheren Mädchenschule in der Döllnitzer Straße (heute Lumumbastraße), die 1907 durch den Reformpädagogen Hugo Gaudig (1860-1923) eröffnet wurde. Von 1907 bis 1913 unterrichtete Rosalie Büttner hier als Oberlehrerin und Fachlehrerin für englische Sprache, deren Qualifikation sie sich nach einem längeren Sprachbildungsaufenthalt 1895 in England erwerben konnte. Sie erprobte neue Lehrmethoden, gab ein Lehr- und Lesebuch für den Englischunterricht an höheren Schulen heraus, das sie auf Wunsch der Schulbehörde in Leipzig auch für die Bürgerschule entwarf und dessen IV. Teil den Studenten an der Universität empfohlen wurde. Gaudig ermöglichte ihr die Teilhabe an der Gestaltung des Unterrichts, in dessen Mittelpunkt das Gaudig'sche Modell der geistigen Arbeit zur Schulung des Denkens, das Prinzip der Selbsttätigkeit der Schülerinnen stand. Die Lehrerinnen waren ihren männlichen Kollegen gegenüber gleichberechtigt.
Da das geltende "Lehrerinnen-Zölibat" ihr nicht erlaubte, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, wählt sie den Weg einer Frauengemeinschaft statt einer Ehe. Sie fand in ihrer Kollegin Josephine Friederici (gestorben 1904), langjährige Vorsitzende der Leipziger Ortsgruppe der Allgemeinen deutschen Krankenkasse für Lehrerinnen, die Freundin, mit der sie einen gemeinsamen Hausstand gründete. 1875 wurde diese Lebensgemeinschaft durch ihre Schwester Mathilde komplettiert, die als Vorsteherin der Büttner'schen höheren Töchterschule in Leipzig-Gohlis, Georgstraße 8 (heute: Hahnekamm), ihren Wirkungskreis fand. Von entscheidender Bedeutung für Rosalie Büttners weiteres Leben wurde die Begegnung mit Auguste Schmidt (1833-1902), der Leiterin des von Steyber'schen Instituts, einer privaten Töchterschule in Leipzig. Die Mitbegründerin des Leipziger Frauenbildungsvereins im März 1865 und des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) im Oktober des gleichen Jahres hatte starken Einfluss auf die Entwicklung Rosalie Büttners, die eine ihrer treuesten Anhängerinnen und Mitarbeiterinnen wurde.
Frauenbildungsverein und ADF kämpften für die ökonomische Selbständigkeit, die freie Berufswahl, Entwicklungs- und Ausbildungschancen der Frauen. Der ADF richtete Petitionen an die Sächsische Kammer und das preußische Kultusministerium, um Seminare für und die Anstellung von Volksschullehrerinnen einzufordern, die in der Regel ihren männlichen Kollegen vorbehalten waren, um als wissenschaftliche Lehrerinnen an den staatlichen höheren Mädchenschulen Einfluss auf die Erziehung von Mädchen nehmen und an Universitäten studieren zu können.
Angeregt durch den Frauentag des ADF 1887 in Augsburg beschlossen Rosalie Büttner, Käthe Windscheid (1859-1943), Sprachlehrerin an der Teichmann'schen Privatschule, und Ida von Ungern-Sternberg, in Leipzig einen Lehrerinnenverein sowie eine Stellenvermittlung für Lehrerinnen zu gründen, die diese in der pädagogischen und wissenschaftlichen Ausbildung sowie bei der Verbesserung ihrer materiellen Lage unterstützen sollten. Der Aufruf Rosalie Büttners, Hedwig Dans, Josephine Friedericis, Alma Zetzsches und Käthe Windscheids zur Gründung hatte eine unerwartet große Resonanz und am 23. Januar 1888 fand die Gründung des Leipziger Lehrerinnenvereins in der städtischen Höheren Schule für Mädchen am Schletterplatz statt. In ihrer Begrüßungsrede ging Rosalie Büttner auf die gegenwärtige ungeklärte Lage der Lehrerinnen in der Gesellschaft ein, auf ihre nicht gleichberechtigte Stellung gegenüber den männlichen Kollegen. Der Drang nach höherer Vorbildung und Bildung seien die Antriebe und Gründe der Lehrerinnen, gemeinsam für eine bessere Zukunft einzutreten. 53 Lehrerinnen traten dem Verein bei, also die Hälfte aller Pädagoginnen an privaten und öffentlichen Schulen Leipzigs. Unter der Leitung Rosalie Büttners wurde der Leipziger Lehrerinnenverein zum Podium der Weiterbildung und des Kampfes um die Gleichberechtigung gegenüber den männlichen Kollegen.
Aus der lokalen Stellenvermittlung für Lehrerinnen entwickelte sich eine zentrale Stellenvermittlung für Sachsen unter der Leitung von Ida von Ungern-Sternberg. Der Leipziger Lehrerinnenverein förderte 1891 die Gründung eines Frauengewerbevereins; 1894 eröffnete er ein Heim für Lehrerinnen in der Hohen Straße 35, wobei Rosalie Büttner besonders Johanna Brandstetter (1849-1906) für ihr finanztechnisches Engagement dankte. Von 1882 bis 1912 führten Lehrerinnen mit Unterstützung der Stadt Leipzig Sonntagsunterhaltungen für entlassene Volksschülerinnen und jugendliche Arbeiterinnen durch, aus denen sich 1904 die Gruppe Jugendfürsorge des Lehrerinnenvereins entwickelte.
Zur Feier des 25-jährigen Bestehens des Leipziger Lehrerinnenvereins 1913 verwies Rosalie Büttner mit Stolz auf die Erfolge des Vereins, der den Lehrerinnen einen Platz in der Gesellschaft erkämpft hatte: "Mehr Lehrerinnen sind angestellt worden in Volksschulen und höheren Schulen, in unteren und höheren Klassen; sie genießen eine bessere Vorbildung durch das Seminar und die Universität."
Rosalie Büttner starb im Alter von 68 Jahren am 17. Juni 1914 kurz nach ihrer Pensionierung.
Der Vorstand des Leipziger Lehrerinnenvereins würdigte sie in seinem Nachruf: "Sie war die Begründerin unseres Vereins und seine langjährig bewährte Führerin. Schlicht und anspruchslos, mild, freundlich und sonnig ihr Wesen, und ihr Wirken war von dem Wunsche beseelt, das Ansehen des Lehrerinnenstandes zu heben und zu wahren und der Allgemeinheit zu dienen. Alle, die ihr nahe kamen, wusste sie aus reicher Lebenserfahrung heraus mütterlich zu beraten, zu selbstlosem Streben zu ermutigen und für die Ideale zu begeistern. Wir werden sie schmerzlich vermissen und werden ihr immerdar in Liebe und Verehrung gedenken." Ihre Nachfolgerin wurde Magdalena Focke, die den Leipziger Lehrerinnenverein bis 1918 leitete.
Werke
- Lese- und Lehrbuch der englischen Sprache in Anlehnung an die direkte Methode 1-3, Leipzig 1909.
- Die Lehrerin: Forderungen, Leistungen, Aussichten in diesem Berufe, Leipzig 1890.
- Frauenberufe. Die Lehrerin, Leipzig 1899.
- Leipziger Lehrerinnenverein. Festrede zur 25. Jubel-Feier. Gehalten am 26. Januar 1913 von Rosalie Büttner, Selbstverlag des Vereins, Leipzig 1914.
- Die Werke von Rosalie Büttner sind in der Universitätsbibliothek Leipzig einzusehen.
Adressen in Leipzig
- 1873: Waisenhausstraße 37 (heute Liebigstraße)
- 1876: Sophienstraße 13 (heute Shakespearestraße)
- 1881: Fürstenstraße 7 (heute Audorfstraße)
- 1884: Brandvorwerkstraße 87
- 1885: Brandvorwerkstraße 22
- 1887: Hauptstraße 34 (heute Menckestraße)
- 1890: Wiesenstraße 12 (heute Fechnerstraße)
- 1892: Lange Straße 70 (heute Eisenacher Straße)
- 1904: Georgstraße 8 (heute Natonekstraße)
- 1906: Georgstraße 2 (heute Natonekstraße)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Leipziger Lehrerinnenverein. Festrede zur 25. Jubel-Feier. Gehalten am 26. Januar 1913 von Rosalie Büttner, Selbstverlag des Vereins, Leipzig 1914.
- Polizeipräsidium Leipzig, Nummer 1419, Leipziger Lehrerinnen-Verein betr., 1888-1918, Staatsarchiv Leipzig.
- Leipziger Neueste Nachrichten, Nummer 169, 20.06.1914.
- "Neue Bahnen", Louise-Otto-Peters-Archiv Leipzig.
- Bärbel Steinhöfel: Lehrerinnen im Umfeld von Hugo Gaudig, in: Festschrift: Hugo Gaudig - Architekt einer Schule der Freiheit, Internationales Symposium aus Anlass des 150. Geburtstages von Hugo Gaudig, Leipzig 2010.
Autorin: Gisela Licht, 2014