Claus, Clara (geborene Schmidt) - Leipziger Frauenporträts
"Frau Claus, Juni 1874" (wahrscheinlich Clara Claus) © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung Wehnert-Beckmann Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Frauenbewegung
- Musik
- Soziales
geboren/ gestorben
11. Februar 1843 (Posen) - 15. März 1922 (München)
Zitat
"[...] daß ich doch eigentlich die erste Veranlassung gegeben für die vereinte Wirksamkeit von Luise (sic!) Otto und meiner Schwester [Auguste Schmidt]."
(Vor dreißig Jahren, Neue Bahnen, 1896)
Kurzporträt
Clara Claus wirkte als Sängerin, Rezitatorin, Gesangslehrerin und Chorleiterin für den Leipziger Frauenbildungsverein sowie den Frauengewerbeverein und bis 1892 zugleich als Lehrerin am von Steyberschen Institut. Mit der erfolgreichen Leitung des Vereins "Hauspflege" 1901 bis 1915 wurde sie zu einer Pionierin der sozialen Hilfsarbeit und Sozialfürsorge in Leipzig.
Herkunftsfamilie
- Vater: Friedrich Schmidt (1790-1863), preußischer Artillerieoffizier
- Mutter: Emilie Schmidt geborene Schöps (1802-1876)
- Geschwister:
- Marie (geboren 1832, taubstumm, verstarb noch im Kindesalter)
- Auguste Schmidt (1833-1902), Schulvorsteherin, neben Louise Otto-Peters die bedeutendste Führerin der deutschen Frauenbewegung ihrer Zeit
- Anna Schmidt (1837-1908), verwitwete Schmidt, Lehrerin, aktiv in Frauenvereinen
- Julius Schmidt (1825-1894), Jurist
- Maximilian Georg Schmidt (1835-1876), Polizeioffizier
Biografie
Clara Claus, geborene Schmidt sei "[...] wenn auch nur unbewußt und zunächst wohl auch ungewollt - die eigentliche Begründerin der deutschen Frauenbewegung gewesen", schrieb Jenny Schwabe 1913 in den "Neuen Bahnen" anlässlich des 70. Geburtstages von Clara Claus. Sie erinnerte daran, dass eine "warme Besprechung " eines Gesangsvortrages von Clara Schmidt im Februar 1865 durch Louise Otto-Peters in der "Mitteldeutschen Volks-Zeitung" die "äußere Veranlassung" für deren Begegnung mit Auguste Schmidt bildete. Die weiteren Entwicklungen und die Früchte der Zusammenarbeit von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt, besonders der Frauenbildungsverein und der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF), sind außerordentlich und deutschlandweit bedeutsam. Clara Claus ist jedoch mit einem eigenen, spezifischen Beitrag in der Geschichte der Stadt Leipzigs wirksam geworden.
Amalie Clara Pauline Hedwig Schmidt wurde am 11. Februar 1843 in Posen geboren. Trotz unruhiger politischer Zeiten im preußischen Teil Polens erlebte sie inmitten der Geschwister eine glückliche Kindheit. Während die Eltern den älteren Schwestern eine Lehrerinnenausbildung ermöglichten, fielen Claras Gesangsstimme und ihre Musikalität besonders auf und so wurde sie auf eine Sängerinnenlaufbahn vorbereitet. In Breslau, dem Wohnort der Familie nach der Pensionierung des Vaters, betrieb sie erste Gesangsstudien. 1863, nach dem Tod des Vaters, siedelte sie mit ihrer Mutter und Schwester Anna zur bereits in Leipzig wirkenden Schwester Auguste um.
Am Leipziger Konservatorium war sie Schülerin bei Franz Brendel und nahm Privatunterricht bei Professor Franz Götze, laut Jenny Schwabe dem "berühmtesten Gesangsmeister seiner Zeit", sowie später auch noch kurzzeitig bei Dr. Gunz in Hannover. Einige Zeugnisse ihrer musikalischen Ausbildung finden sich in den Akten in der heutigen Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig. Als Altistin trat sie so erfolgreich auf, dass sie Mitte Februar 1865 in ihrem ersten großen Konzert mit dem Vortrag von Schubert-Liedern das Interesse der Musikkritikerin Louise Otto-Peters weckte. Ihre Auftritte als Sängerin und Rezitatorin und später auch ihr Wirken als Organisatorin, Chorleiterin und Gesangslehrerin in beziehungsweise für die Abendunterhaltungen des Leipziger Frauenbildungsvereins sind in den "Neuen Bahnen" oft positiv reflektiert worden.
Am 16. April 1873 heiratete sie in der Nikolaikirche den aus Dorpat (Estland, damals Teil des Russischen Reiches) stammenden Musikdirektor an der Leipziger Singakademie und Organisten an der Johanniskirche Carl Johannes Ferdinand Claus (1837-1882, Sankt Petersburg). Als Ehefrau blieb sie im Unterschied zu vielen anderen Künstlerinnen als Sängerin, Gesangslehrerin und Chorleiterin aktiv. So leitete sie zum Beispiel in der Generalversammlung des Frauenbildungsvereins 1875 die Chorgesänge der Schülerinnen der Fortbildungsschule des Frauenbildungsvereins.
Am 28. August 1876 wurde die Tochter Margarethe geboren. 1878 verließ Clara Claus mit ihrem Mann Leipzig, als dieser an die evangelisch-lutherische Sankt-Katharinen-Gemeinde nach dem russischen Sankt Petersburg berufen worden war. Dort kam ein Sohn zur Welt, der aber im Kleinkindalter verstarb. Als Clara am 14. November 1882 auch ihren Mann verlor, kehrte sie 1883 mit ihrer Tochter nach Leipzig zurück, obwohl sie auch in Petersburg als Gesangslehrerin hätte weiterarbeiten können.
Im von Steyberschen Institut ihrer Schwester Auguste unterrichtete sie fortan wieder als Gesangs- und Musiklehrerin, leitete nebenbei die musikalische Ausgestaltung der Abendunterhaltungen des Frauenbildungsvereins, wurde im 1888 gegründeten Leipziger Lehrerinnenverein aktiv und organisierte darin die Gruppe der Musiklehrerinnen, gab Musikunterricht im von Henriette Goldschmidt gegründeten Kindergärtnerinnen-Seminar des Vereins für Familien- und Volkserziehung und nebenher noch private Gesangsstunden.
Nach Rückzug aller Schmidt-Schwestern aus dem von Steyberschen Institut (1892) und der fast einjährigen Auszeit in Italien 1892/1893 verlagerte sich das Hauptwirkungsfeld von Clara Claus in die meist ehrenamtliche Lehrtätigkeit in den verschiedenen Kursen des 1892 gegründeten Frauengewerbevereins, wo sie Französisch und Gesang unterrichtete.
Dem Frauenbildungsverein blieb sie weiterhin verbunden, war kurzzeitig zweite Vorsitzende dieses Vereins, obwohl sie sich nun vornehmlich dem Aufbau der Hauspflege widmete. Wie in verschiedenen anderen deutschen Städten gründete sich 1900 in Leipzig ein Verein "Hauspflege", zunächst als Abteilung des Frauenbildungsvereins, später als selbstständiger Verein. Clara Claus wurde 1901 dessen Vorsitzende. Sie verstand es, ehrenamtliche Mitstreiterinnen zu gewinnen, Spenden zu sammeln, Zuschüsse vom Rat der Stadt zu beantragen und über Lobbying auch genehmigt zu bekommen. Der Verein beschäftigte Pflegerinnen, die vor allem bei Krankheit oder erneuter Niederkunft der Mütter in armen Familien unterstützend wirkten (Krankenpflege, Kinderversorgung, Hauswirtschaft). Dem Engagement von Clara Claus war es zu danken, dass andere verwandte Vereine wie der "Wöchnerinnenverein", der Verein "Fürsorge für erkrankte Arbeiter", der "Elisabeth-Verein" und der "Israelitische Frauenverein" dem Hauspflegeverein Geldmittel zukommen ließen.
Die Verantwortlichen im Rat der Stadt erkannten die wichtige soziale Hilfsarbeit des Vereins "Hauspflege". Die zunächst geringen städtischen Zuschüsse (500 Mark jährlich) wurden erhöht auf jährlich 2.000 Mark. Der Verein bekam im "Armenamt" der Stadt, Thomasring 11, kostenlos einen Raum zur Verfügung gestellt, in dem täglich von 9 bis 11 Uhr Sprechzeit war. Im Oktober 1910 waren zum Beispiel 62 Aufsichtsdamen und 88 Pflegerinnen in der Hauspflege tätig. Clara Claus unternahm persönlich viele Hausbesuche, kannte die Situation in den Problemfamilien "vor Ort". Mit der Anstellung von alleinstehenden Frauen als Pflegerinnen, die dadurch einen "bescheidenen Erwerb fanden, der es ihnen ermöglichte, sich selbst zu erhalten und Anspruch auf eine Invalidenrente zu gewinnen" (Geschäftsbericht Verein "Hauspflege" vom März 1911), war im gewissen Sinne ein doppelter Nutzen für unterstützungsbedürftige Frauen in Leipzig erreicht worden.
Die aufopferungsvolle Arbeit von Clara Claus im sozialen Bereich zeigte sich auch im Verein "Mädchenschutz" (Bahnhofsmission), der 1914 in den Verein "Bahnhofshilfe" überging. Einen wichtigen Schritt zur Professionalisierung der sozialen Hilfsarbeit errangen Clara Claus und andere engagierte Leipzigerinnen durch eine Petition aller Frauenvereine Leipzigs Ende 1906 an den Rat der Stadt. Dadurch konnten 1908 städtische Armenpflegerinnen berufen, ebenso "Vormünderinnen" und Frauen in der Jugendfürsorge beschäftigt werden. Dieses geschulte Personal stammte fast ausschließlich vom Verein "Hauspflege".
Persönliche Ehre wurde Clara Claus 1912 durch die Verleihung der "Friedrich-August-Medaille" in Silber "zur Anerkennung verdienstlicher Leistungen" durch den sächsischen König Friedrich August III. zuteil. Im Jahr darauf wurde anlässlich ihres 70. Geburtstages eine Sammlung unternommen, an der sich viele Leipziger Frauenvereine und Privatpersonen beteiligten. Der pekuniäre Erfolg ermöglichte eine "Clara-Claus-Stiftung" ins Leben zu rufen, die in erster Linie zur Unterstützung der Pflegerinnen diente. Sie war auch inzwischen wie ihre Schwestern Ehrenmitglied im Leipziger Lehrerinnenverein und bei der schon 1892 von Johanna Brandstetter mit einem Kapital von 10.000 Mark gestifteten "Geschwister-Schmidt-Stiftung" für unterstützungsbedürftige Lehrerinnen ebenfalls mit gewürdigt worden.
Krankheit und Alter machten auch Clara Claus zunehmend zu schaffen. Die Vorstandsarbeit im Verein "Hauspflege" musste sie daher einschränken und trat krankheitsbedingt im März 1915 vom Vorsitz zurück, wurde wegen ihrer Verdienste zur Ehrenvorsitzenden gewählt. Ein persönliches Dank- und
Anerkennungsschreiben des Oberbürgermeisters Dr. Dittrich vom 16. März 1915 zeugt nochmals von der hohen Wertschätzung für ihre Leistungen in der sozialen Hilfsarbeit in Leipzig.
Clara Claus erholte sich zur Kur in Bad Kösen, war zeitweilig in Wiesbaden erreichbar und verbrachte ihre letzten Lebensjahre bei Tochter Margarethe, die damals in München lebte. Dort starb Clara in der Nacht vom 15. zum 16. März 1922 und wurde in München eingeäschert. Die Urne wurde laut Münchner Friedhofsunterlagen nach Leipzig gesandt; in Leipzig findet sich kein Nachweis für deren Verbleib. Ihr Name aber wurde mit auf dem Grabstein ihrer berühmten Schwester Auguste eingemeißelt, in deren Grab schon ihre Schwester Anna mit beigesetzt worden war.
Neben der Anzeige im Vereinsblatt des Allgemeinen Deutschen Hausbeamtinnenvereins erinnerten zwei kleine Todesanzeigen in der Leipziger Tagespresse an Clara Claus: eine von Leipziger Frauenvereinen und die andere von Tochter Margarethe, die als Pianistin wirkte, später nach Leipzig zurückkehrte, wo sie hochbetagt am 5. Februar 1972 starb.
Adressen in Leipzig
- 1865-1867: Nürnberger Straße 1, 3. Etage
- 1868/69 und 1870/71 kein Eintrag
- 1872/1873: Königsstraße 22 (heute Goldschmidtstraße), 1.-3. Etage
- 1874-1878: Kurze Straße 2, 3. Etage (nach Heirat)
- 1883: Nordstraße 12, 1.-4.Etage (nach Rückkehr aus Sankt Petersburg, wieder mit Auguste und Anna Schmidt), nach der Umnummerierung von 1885: Nordstraße 23
- ab Sommer 1893: Grassistraße 33, 1. Etage
- ab 1902: Haydnstraße 3, 2. Etage
- ab 1905: Kronprinzenstraße 3 (heute: Kurt-Eisner-Straße), 2. Etage
- 1909-1915: Fockestraße 25, 1. Etage
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Grabstein der Schmidt-Schwestern im Lapidarium Alter Johannisfriedhof
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Clara Claus: Vor dreißig Jahren, in: Neue Bahnen, 1896, Jahrgang 31, Seite 50.
- Clara Claus: Die Versammlung des Bundes englischer Frauenvereine in Canada in Toronto, in: Neue Bahnen, 1896, Jahrgang 31, Nummer 10, Seiten 87-89.
- J[enny] Schwabe: Frau Clara Claus, geb. Schmidt zu ihrem 70. Geburtstag, in: Neue Bahnen, 1913, 48. Jahrgang, Nummer 4, Seiten 27-28.
- Leipziger Lehrerinnenverein. Festrede zur 25. Jubel-Feier. Gehalten am 26. Januar 1913 von Rosalie Büttner, Leipzig 1914.
- Martha Schmidt-Goßrau: Auguste Schmidt, Leipzig 1933.
- Beate Klemm: Drei bemerkenswerte Schwestern. Auguste, Anna und Clara Schmidt, in: Leben ist Streben. Das erste Auguste-Schmidt-Buch, herausgegeben von Johanna Ludwig, Ilse Nagelschmidt und Susanne Schötz, unter Mitarbeit von Sandra Berndt, Leipzig 2003, Seiten 85-101.
- Manfred Leyh: Das "Nest der Frauenbewegung" in Leipzig. Zum Wirken der drei Schwestern Auguste, Anna und Clara Schmidt, in: ebenda, Seiten 69-84.
- Alfred E. Otto Paul: Der neue Johannisfriedhof in Leipzig, Leipzig 2012.
- Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, 20.251, Polizeimeldebücher der Stadt Leipzig, Nummer 139, Claus, Seite 1 b (Film 18016)
- Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig, Bibliothek/Archiv, A, I.3, Inskriptions-Nummer 1080 (1863-1865).
- Kirchliches Archiv Leipzig, Kirchenbücher der Gemeinde Sankt Nicolai, Trauungen 1873, Seite 30.
- Stadtarchiv Leipzig, Kapitel 35, Nummer 27 Band 1 Frauenbildungsverein, Beiheft 2 (darin unter anderem Berichte des Vereins "Hauspflege"); Kapitel 35 Nummer 350 Acta den Verein "Bahnhofshilfe in Leipzig" betreffend und Kapitel 35, Nummer 1781 Akten des Polizeiamtes betreffend den Frauenbildungs-Verein und den Verein "Hauspflege".
Autor: Dr. Heiner Thurm, 2015, überarbeitet 2017