Götze, Auguste (Pseudonym: Auguste Weimar) - Leipziger Frauenporträts
Auguste Götze, 1888 © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Literatur
- Musik
- Tanz/ Theater
geboren/ gestorben
24. Februar 1840 (Weimar) - 29. April 1908 (Leipzig)
Zitat
"[...] denn die Künstler sind es, die ihr Publikum bilden müssen [...] das gerecht und an rechter Stelle seinen Beifall spendet."
(Auguste Götze in: "Ueber den Verfall der Gesangskunst." 1880)
Kurzporträt
Auguste Götzes "Gesangs- und Opernschule" in Dresden und ab 1889 in Leipzig erlangte als Ausbildungsstätte hervorragender Sängerinnen Weltruf. Auch als Schriftstellerin, Musik- und Theaterkritikerin war sie erfolgreich.
Herkunftsfamilie
- Vater: Carl Franz Götze (10.05.1814 Neustadt an der Orla - 02.04.1888 Leipzig), Geiger, Sänger, Musikpädagoge (1855 Professor, 1853-1867 Gesangslehrer am Leipziger Konservatorium)
- Mutter: Karoline Götze, geborene Müller (09.04.1812-09.03.1847 in Weimar), Schauspielerin und Sängerin
Biografie
Ida Augusta wuchs in einem musikalisch-künstlerisch geprägten Elternhaus auf. Der Vater war zunächst Violinist in der Weimarer Hofkapelle und dann Tenor, der als erster den Tannhäuser und Lohengrin in Weimar sang. Die durch eine Lähmung ans Bett gefesselte Mutter verstarb sehr früh.
Die musikalische Ausbildung der begabten Auguste durch den Vater war sehr fordernd. Im Sinne eines Ausgleichs, "als ob ein geheimer Zug die Seele des Kindes vorzugsweise zur Dichtkunst ziehe" (La Mara), schrieb Auguste bereits mit acht Jahren ihr erstes kleines Schauspiel "Esther oder die Liebe zum Volke". Keine Darstellung über Auguste Götze kommt umhin zu betonen, dass Franz Liszt, ein enger Freund ihres Vaters, dieser Aufführung der kleinen Augusta beiwohnte und begeistert applaudierte.
Parallel zum Besuch der Bürgerschule erhielt sie intensiven Klavier- und Gesangsunterricht beim Vater - zunächst in Weimar, 1853 bis 1859 in Leipzig. Trotz dieses enormen Pensums entstanden weitere kleine Dramen sowie erste treffende Musikkritiken über die erlebte Gesangskunst in Leipzig. Als Liszt im November 1860 an Franz Götze schrieb: "Die künstlerische Begabung Deiner Tochter ist eine so seltene als ausgesprochene" und er möge "zum Beginn ihrer natürlichen, fast unabweisbaren künstlerischen Laufbahn seinen Konsens [...] erteilen", begann die Bühnen- und Konzertsaalkarriere der Auguste Götze. Ihre Debütauftritte in Jena und Weimar, die Franz Liszt persönlich am Klavier begleitete, wurden vom Publikum gefeiert. Augustes Sängerinnenkarriere stagnierte, als ihre Stimme vorübergehend aus Überanstrengung versagte; sie arbeitete deshalb als Schauspielerin und debütierte erfolgreich am 11. Dezember 1861 in der Titelrolle der Holteischen "Lenore" am Weimarer Hoftheater; Auftritte in Hamburg und Würzburg folgten.
Die vollständige Ausheilung ihres Stimmleidens im Frühjahr 1863 ermöglichte ihr dann die ungebremste Gesangskarriere, nach ihrer bewussten Entscheidung aber nicht auf der Opernbühne, sondern im Konzertsaal. Ihrer "reservierten Natur" (La Mara) entsprach die Konzertatmosphäre besser.
So feierte sie - "die deutsche Marchesi" - als Liedersängerin ersten Ranges in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien glänzende Erfolge. Ihre ausgeglichene Altstimme war nach den Ohrenzeugen jener Zeit von seltener Tiefe, Weichheit und Wohllautfülle, ihre Vortragsweise geist- und seelenvoll. Schumann und Schubert waren ihre Lieblingskomponisten, aber sie brachte auch die Lisztschen Lieder und Melodramen als eine der ersten in die Konzertsäle. Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach erhob Auguste Götze 1865 per Dekret zur "Großherzoglichen Kammersängerin" - auch, um sie weiterhin an Weimar zu binden. Dennoch ging sie im Dezember 1865 nach Dresden, wo sie 1870 als anerkannte Gesangspädagogin am Konservatorium unter Vertrag genommen wurde. Nach langjährigem Drängen ihrer Schülerinnen gründete sie am 1. Oktober 1875 ihre eigene "Gesangs- und Opernschule". Zu den Bühnen- und Konzertsängerinnen, die durch ihre Schule nationale und internationale Berühmtheit erlangten, gehörten unter anderem Fanny Moran-Olden, Luise Reuther, Anna Smith, Anna Beck-Radecke, Alice Roon, Clara Polscher und Mary Howe. Molly von Kotzebue (1848-1932) war zunächst ihre Schülerin und wurde 1885 Teilhaberin der "Götze-Kotzebueschen-Schule".
Unbemittelte unterrichtete Götze zum Teil unentgeltlich, musste aber als unverheiratete Frau zunächst ihre eigene wirtschaftliche Existenz sichern. So vereinbarte sie zum Beispiel mit der später weltberühmten Moran-Olden als Bezahlung für Gesangsunterrichtstunden, dass diese mit Beginn ihres Engagements sieben Prozent ihrer Opern- und Konzerteinnahmen der Lehrerin zukommen lässt.
Im Herbst 1889 verlegte Auguste Götze Wohnsitz und "Primadonnenfabrik" nach Leipzig. Molly von Kotzebue ging als Gesangslehrerin eigene Wege; in Leipzig war der Ruf von Augustes 1888 verstorbenem Vater als Gesangsbildner legendär; es gab vielfältigste Kontakte zur dortigen musikalischen Szene sowie zu ihren Verlegern. Es war eine Rückkehr in die alte Heimat und einstige Bildungsstätte. Auch ihre Leipziger "Privat-Gesangs- und Opernschule" entwickelte sich sehr vielversprechend. Gleichzeitig wirkte sie von 1891 bis 1895 als Gesangslehrerin am Leipziger Konservatorium. Zu ihren erfolgreichen Privatschülerinnen zählten Hermine d' Albert-Finck, die Deutsch-Amerikanerin Adrienne Kraus-Osborne, Lena Krull, Lucie Krall, Ada Colley, ebenso der Tenor Rudolf Heyne. Die öffentlichen Prüfungen und Soireen ihres Institutes waren gesellschaftliche Ereignisse. Ein Höhepunkt war die Lisztfeier am 4. Juni 1902 mit "zwei eigens für Fräulein Götze von Liszt componierte Melodramen" (NZM).
Auguste Götze legte beim Gesangsunterricht viel Wert auf Stimmbildung, Analyse, Technik und Methodik. "Ihr feines Ohr, ihr scharfer Blick für die Schwächen und Vorzüge jeder Stimme verbürgen die Sicherheit ihrer Diagnose und machen sie bei ihrer mustergültigen Methode, in Verbindung mit einer feurigen Hingabe an die Sache und dem Idealismus einer echten Künstlernatur zu der auserwählten Lehrmeisterin, die sie ist." (NMZ, 1890).
Auguste Götze gab überarbeitete Auflagen von Lehrmaterialien heraus, publizierte Sammlungen eigener Übungen und fasste ihre Unterrichtsgrundsätze 1893 in einer vielbeachteten Broschüre zusammen: "Über den Verfall der Gesangskunst". Darin polemisierte sie gegen jene "Gesangstalente", die eine Perspektive "mühevoller Lehrjahre" ablehnten, stattdessen von einem "raschen [...] öffentlichen Wirken und Glänzen" träumten. Auch als Musikkritikerin für Zeitungen und Zeitschriften wie "Signale", "Deutsche Gesangskunst", Neue Musik-Zeitung trat sie hervor.
Unter dem Pseudonym "A. Weimar" schrieb Auguste Götze seit der Dresdner Zeit dramatische Werke, die auf deutschen und österreichischen Bühnen mit Erfolg gespielt wurden. Sie wagte sich an die Vollendung von Schillers "Demetrius". Die Reaktionen darauf waren durchgehend positiv. Druckausgaben ihrer Bühnenwerke erschienen in Leipziger Verlagen.
In Selma Deckner fand Auguste Götze ihre Wirtschafterin und Vertraute. Selma half in allen Lebensfragen und beim täglichen Überlebenskampf der berühmten, aber zunehmend von Krankheiten gezeichneten Künstlerin - auch durch mehrfache Darlehen. Auguste Götze gab Privatunterricht und schrieb, solange sie es gesundheitlich vermochte. Nach "schwerem Leiden" starb sie 68-jährig. Selma Deckner verdanken wir den Nachlass, der im Stadtgeschichtlichen Museum noch auf eine wissenschaftliche Auswertung wartet. Auguste Götze wurde am 3. Mai 1908 in der VIII. Abteilung des Neuen Johannisfriedhofs Leipzig beigesetzt.
Werke
Als Buch erschienen:
- Vittoria Accoramboni, Leipzig, Breitkopf & Härtel 1890 (Trauerspiel, 1878 verfasst, oft in Weimar aufgeführt).
- Demetrius, Dresden, E. Piersons Verlag 1897 (Drama nach Schillers Fragment, 1894).
- Zweimal Christnacht, Weihnachtsfestspiel/ Dramatisches Märchen in 8 Bildern, Leipzig O. Mutze 1885/1886.
Als Manuskript gedruckte dramatische Werke:
- Susanna Mountfort, Drama in fünf Akten, Berlin 1871 (aufgeführt im Hoftheater Dresden).
- Magdalena, Schauspiel in 4 Akten, Dresden 1879/1880 (aufgeführt auf fast allen deutschen Bühnen).
- Nur kein Blaustrumpf, Lustspiel 1881 (aufgeführt auf fast allen deutschen Bühnen).
- Schwiegerväter und Schwiegersöhne, Schwank 1880/1890.
- Eine Diplomatin, Lustspiel in 4 Akten, Dresden 1880/1882 (aufgeführt in Hamburg).
- Alpenstürme, Drama in einem Akt, Leipzig 1886 (aufgeführt in Hamburg).
- Wera, Schwank 1884 (aufgeführt in Berlin).
- Gräfin Osman, Drama 1884 (aufgeführt im Residenztheater Dresden).
- Eine Sühne, 1880/1890.
- Aufregende Verwandtschaft, Schwank 1882.
- Eine Heimfahrt, Drama in 4 Akten, Berlin 1884.
- Die weiße Frau, Lustspiel 1884.
- Schloß Raveneck, Schauspiel 1886.
- Im Bann auf Helgoland, 1893.
- Hohe Liebe, Schauspiel in 4 Akten, Leipzig 1894.
- Isolde, Drama in 5 Akten, Leipzig 1895.
Lehrmaterialien und gesangstheoretische Abhandlungen:
- Über den Verfall der Gesangskunst, Leipzig, Selbstverlag 1893.
- Neubearbeitungen der "Gesangschulen" von Winter (Leipzig, Bartholf Senff) und Concone (15 Gesangsübungen. Neu bearbeitet mit Varianten und italienischem Text. Versehen von Auguste Götze. Ries und Erler Berlin).
- Ausgewählte Gesangsstudien. Herausgegeben von Auguste Götze. C. F. Peters, Leipzig 1899.
Adressen in Leipzig
- 1854: Johannesgasse 6 (beim Vater)
- 1855: Windmühlenstraße 37 (beim Vater; anschließend 1865-1889 Dresden)
- 1890: Lessingstraße 14, Parterre
- 1898: An der Pleiße 2 E (umbenannt in Thomasring), 1. Etage
- 1900: Dorotheenplatz 1, 2. Etage
- 1906: Schreberstraße 14 , 1. Etage
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- La Mara, Augusta Götze, in: Musikalische Studienköpfe, 5. Band., Die Frauen in der Tonkunst der Gegenwart. 3. neu bearbeitete Auflage Leipzig, Breitkopf und Härtel ohne Jahrgang [1904], Seiten 199-213.
- Das literarische Leipzig, Leipzig 1897, Seiten 91-92.
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig: Nachlass Auguste Götze (Umfangreiche Sammlung von Fotos, Briefen, Schriftstücken, Tagebuchaufzeichnungen, Manuskripten und Zeitungsausschnitten von beziehungsweise an und über Auguste Götze sowie ihre Schülerinnen; Dokumente durch ihre Haushälterin Selma Deckner an das Museum gelangt).
- Der Leipziger, Illustrierte Wochenschrift, Jahrgang 1908, Nummer 6 vom 08.02.1908 und Nummer 19 vom 09.05.1908.
- Neue Zeitschrift für Musik (NZM), Jahrgang 1 (1880), Nummer 12 vom 15.05.1880; Jahrgang 11 (1890), Nummer 8 vom 15.04.1890; Jahrgang 69 (1902), Nummer 26 vom 18.06.1902.
- Illustrirte Zeitung, Nummer 2948 vom 28.12.1899, Seite 909 - 910 sowie Nummer 3384, Seite 883.
- Götze, Franz: "Fünfzehn Jahre meiner Lehrtätigkeit am Conservatorium der Musik zu Leipzig und mein Verhältniß zum Direktor Herrn Advokat Schleinitz", Streitschrift von 1868.
Autor: Dr. Manfred Leyh, 2016