Gottsched, Luise Adelgunde Victorie (geborene Kulmus) - Leipziger Frauenporträts
Porträt der Luise Gottsched (1713-1762), deutsche Dichterin, um 1750 von Elias Gottlob Haußmann © Universitätsbibliothek Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Wissenschaft
- Literatur
- Bildung/ Pädagogik
geboren/ gestorben
11. April 1713 (Danzig, Gdańsk) - 26. Juni 1762 (Leipzig)
Zitat
"Nein, bester Freund! Nie werden Sie mich durch Geschenke gewinnen. Wenn die Vorzüge des Verstandes und Herzens nichts bey mir ausrichten; so werden alle Schätze der Welt mir gleichgültig seyn, so magnetisch diese Kraft auch bei vielen seyn mag."
(Brief an Gottsched, 7. Januar 1731)
Kurzporträt
Luise Gottsched war durch ihre bedeutenden Übersetzungen, eigene Dichtungen und Dramentexte sowie durch ihre Briefe wesentlich an der Verbreitung frühaufklärerischer Philosophie beteiligt. Als "gelehrtes Frauenzimmer" agierte sie selbstbewusst als Managerin und Organisatorin der eigenen und der Werke ihres Mannes.
Herkunftsfamilie
- Vater: Dr. med. Johann Georg Kulmus (1680-1731), königlicher Leibarzt;
- Mutter: Katharina Dorothea, geboren Schwenk (?-1734), Kaufmannstochter
- Halb-Geschwister:
- Renate Dorothea Kulmus (1715-1718)
- Charlotte Elisabeth Kulmus (1717-1718)
- Johann Adam Kulmus (?-?)
Biografie
Luise Gottsched war nicht ausschließlich Gehilfin ihres Mannes Johann Christoph Gottsched (1700-1766), Professor der Poesie, Logik und Metaphysik an der Universität Leipzig. Ihre unschätzbare Mitarbeit in Form von vielfältigen Korrespondenzen, Abschriften und Übersetzungen sowie ihre eigenständigen Untersuchungen und Beiträge, die als Teil in den monumentalen (Gemeinschafts-)Projekten ihres Mannes unter seinem Namen miterschienen, zeugen von ihrer außerordentlich guten Bildung und von einem intensiven partnerschaftlichen Austausch.
Als Frau eines Universitätsprofessors war Luise Gottsched trotz Kinderlosigkeit mit einem arbeitsintensiven Haushalt, der Verantwortung für das Hauspersonal und die finanzielle Verwaltung betraut. Die lebenslang mietfreie Wohnung im "Goldenen Bären" war offen für zahlreiche Besucher (Gelehrte, Studenten, Nutzer der Professorenbibliothek, Tischgäste), hinzu kam die Bewirtschaftung eines Gartens. Ganz dem Zeitgeist entsprechend scheint es so, als passte sich Luise Gottsched als Helferin ihres Mannes den standesgemäßen Vorstellungen von der Rolle der Frau an. Gottsched unterstützte die Weiterbildung seiner Frau stetig; so lernte sie Latein, nahm Unterricht in Kompositionslehre und lauschte hinter der geöffneten Tür des Vorlesungssaals seinen Vorlesungen über Rhetorik und Dichtkunst.
Erziehung, Ausbildung, Freunde und das Leben in der weltoffenen Hansestadt Danzig vermittelten der Arzttochter viele differenzierte Eindrücke. Ihr modernes und intellektuelles Elternhaus und das soziale Milieu der Familie ermöglichten Luise zusammen mit ihrer kulturell aufgeschlossenen Mutter bereits in jungen Jahren die Lektüre antiker und zeitgenössischer Texte. Über den Vater, Familienangehörige und Freunde war sie mit Medizin und Naturwissenschaften vertraut. Darüber hinaus hatte sie Unterricht in Mathematik, Geographie, Zeichenkunst, Philosophie, nahm am öffentlichen Katechismusunterricht teil und erlernte verschiedene Musikinstrumente. Gottsched, den sie seit 1729 kannte und mit dem sie im Briefwechsel stand, beeinflusste sie nach der Heirat 1735 vor allem in der Literatur. Die gute Spracherziehung (Englisch, Französisch) ermöglichte ihr in den folgenden drei Jahrzehnten die aktive Partizipation an den gelehrten Diskursen der Zeit.
In Leipzig, einer Stadt der Handelsbourgeoisie, wo das Ehepaar nach der Heirat wohnhaft war, pflegte Luise Gottsched Kontakte zu Universitätsangehörigen und Ratsmitgliedern sowie mit dem Adel. Im Jahrhundert der Geselligkeit galten Kommunikation und Vernetzung als Voraussetzung der Entwicklung und Verbreitung der Aufklärung. Das Lebensumfeld der Gottscheds war durch die Salonkultur und durch verschiedene Orden beziehungsweise Vereinigungen bestimmt. Diese Formen waren die Felder des kulturellen und politischen Einflusses. Luise Gottsched war wie ihr Mann Angehörige der Societas Aletophilorum, des Ordens der Aletophilen, einer Aufklärungsgesellschaft um den Begründer Graf Ernst Christoph von Manteuffel, eine stark durch den Adel beeinflusste Vereinigung, die die Leibniz-Wolffsche Philosophie verbreiten wollte. Im Zusammenhang mit diesem Beziehungsnetzwerk ist auch das teilweise anonym erschienene schriftstellerische Werk der Gottschedin zu sehen.
Die gemeinsame Bibliothek der Eheleute versammelte mehrere Tausend Werke, darunter die gesamte klassische Komödie, zeitgenössische französische und englische Komödien und Dramen in Originalausgaben. Als Übersetzerin hat Luise Gottsched wesentlich an der Verbreitung der frühaufklärerischen bürgerlichen Moral und rationalen Philosophie in Deutschland mitgewirkt. Und als solche gleichermaßen literarisch-fiktional ihre Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben verbreitet. Ihre eigenen Lustspiele widerspiegeln die Lebendigkeit der Geschlechterdiskurse, orientieren sich dabei an Gegebenheiten des wohlhabenden Bürgertums und Kleinadels, verhandeln Normen und Abweichungen mit selbstbewussten, redegewandten jungen Protagonistinnen.
Gottscheds Poetik sah das Dichten nach festen Regeln vor. In ihren Übersetzungen aus dem Französischen und Englischen hielt sich Luise Gottsched häufig nur formal daran und entwarf inhaltlich ihre eigenen.
In ihren vielfältigen Rollen war Luise Gottsched eine Vermittlerin von übernommenem philosophischen Wissen, die dieses rezipierte Wissen auch im Alltag umzusetzen versuchte. Die Gottschedin verfügte über breite philosophische, religiöse und literarische Kompetenzen. Sie trat in ihren Texten - angefangen von Gedichten, über Satiren, Parodien, Komödien bis hin zum philosophischen Essay oder Dialog, Briefen sowie Übersetzungen, Kommentaren, Anmerkungen und Artikeln - besonders für die Emanzipation der Wissenschaft, für Toleranz und Emanzipation sowie gegen Aberglauben und Dogmatismus der lutherischen Orthodoxie ein. Als eigenständige Autorin und gemeinsam mit ihrem Mann nutzte Luise Gottsched weitblickend die Anfang des 18. Jahrhunderts zur Verfügung stehenden Medien und Institutionen der literarisch-wissenschaftlichen Öffentlichkeit, um ihre Standpunkte zu veröffentlichen. Neben Émilie du Châtelet (1706-1749) war sie die zweite Frau, die mit der Münze der Minerva ausgezeichnet wurde.
Dass ihr am Ende ihres Lebens nur resignierende Kommentare zum einstigen aufklärerischen Anspruch blieben, hat die Forschung in Bezug auf Ideal und Wirklichkeit der Ehe (Untreue Gottscheds) sowie in der zeitgenössischen Politik (Siebenjähriger Krieg) treffend auf den Punkt gebracht: Privat, politisch und literarisch erleidet sie "Schiffbruch"; physischer und psychischer Zerfall greifen ineinander; im Alter von nur 49 Jahren verstirbt sie.
Werke
- Anonym: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke, 1736.
- Der Zuschauer, 1739-1743 (Übersetzung der Zeitschrift "The Spectator" von Joseph Addison und Richard Steele).
- Die ungleiche Heyrath, 1743.
- Die Hausfranzösinn oder die Mammsell, 1744.
- Herrn Alexander Popens Lockenraub, 1744 (Übersetzung aus dem Englischen).
- Das Testament, 1745.
- Der Witzling, 1745.
- Der Aufseher oder Vormund, 1745 (Übersetzung aus dem Englischen).
- Die Lustspiele der Gottschedin. Herausgegeben von Reinhard Buchwald und Albert Köster. Zwei Bände. Leipzig 1908/09.
- Deutsche Schaubühne. Reprint. Stuttgart 1972.
- Historisches und Critisches Wörterbuch von Pierre Bayle. 1732-1744 (Mitarbeit).
- Beyträge zur Critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit. 1732-1744 (Mitarbeit).
- Die vernünftigen Tadlerinnen (Mitarbeit).
Adressen in Leipzig
- 1735-1762: Wohnung im "Goldenen Bären", erstes Obergeschoss, am Alten Neumarkt, im Haus des Verlegers Breitkopf (heute Universitätsstraße)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Ölporträt von Elias Gottlob Haußmann (siehe oben) in der Leipziger Universitätsbibliothek, Beethovenstraße
- Gedenktafel für Johann Christoph Gottsched und Luise Adelgunde Victorie Gottschedin seit 2004 (Universitätsstraße gegenüber Kupfergasse) seit 2000
- Adelgunde-Gottsched-Weg, 04329 Leipzig, seit 2000 (?)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Cornelia Caroline Köhler: Gelehrte Frauen der Frühen Neuzeit in Leipzig. In: Leipziger Stadtgeschichte. Jahrbuch 2011. Herausgegeben von Markus Cottin, Detlef Döring, Gerald Kolditz. Markkleeberg 2012, Seiten 47-102.
- Marie Hélène Quéval: Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Philosophie und Religion. In: Frauen, Philosophie und Bildung im Zeitalter der Aufklärung. Herausgegeben von Sabine Koloch. Berlin 2010, Seiten 187-218.
- Diskurse der Aufklärung. Luise Adelgunde Victorie und Johann Christoph Gottsched. Herausgegeben von Gabriele Ball. Wiesbaden 2006.
- Detlef Döring: Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713-1762). In: Sächsische Lebensbilder. Herausgegeben von Gerald Wiemers. Leipzig 2003, Seiten 213-246.
- Leipziger Frauengeschichten. Ein historischer Stadtrundgang. Herausgegeben von Gerlinde Kämmerer und Annett Pilz. Leipzig 1995.
- Briefe der Frau Louise Adelgunde Victorie Gottsched gebohrne Kulmus. Drei Bände. Dresden 1771-72. Unveränderte Ausgabe Königsberg 1778. Leicht gekürzte Neuausgabe: Louise Gottsched
- "mit der Feder in der Hand". Briefe aus den Jahren 1730-1762. Herausgegeben von Inka Kording. Darmstadt 1999.
- Der Frau Luise Adelgunde Victoria Gottschedinn, geboren Kulmus, sämmliche Kleinere Gedichte, nebst dem... Ihr gestifteten Ehrenmaale, und Ihrem Leben, herausgegeben von Ihrem hinterbliebenen Ehegatten. Leipzig 1763.
- Gaby Pailer: Luise Adelgunde Victoria Gottsched in der biographischen Konstruktion. In: 1000 Jahre Danzig in der deutschen Literatur. Studien und beiträge. Herausgegeben von Marek Jaroszewski.
- Gdanks 1998, Seiten 45-60.
- Luise F. Pusch und Susanne Kord: Luise Gottsched (1713-1762), in: Elke Frederiksen (Herausgeberin): Women writers of Germany, Austria, and Szitzerland. An annotated bio-bibliographical guide. New York 1989, Seiten 160-170.
- Luise F. Pusch: Luise Adelgunde Victorie Gottsched, in: http://www.fembio.org Zugriff am 03.11.2015). (enthält zahlreiche Links zu Literatur von und über Luise Gottsched)
- Zur Geschichte der Universität Leipzig: Frauen und Universität im Jahrhundert der Aufklärung: Luise Adelgunde Victorie Gottsched, in: https://research.unileipzig.de (Zugriff am 03.11.2015).
Autorin: Sandra Berndt, 2015