Häußer, Johanna - Leipziger Frauenporträts
Gedenktafel für das Ehepaar Häußer am Theodor-Körner-Haus in Leipzig-Großzschocher © Susanne Schötz Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Zivilcourage
geboren/ gestorben
31. Oktober 1783 (Großzschocher, heute zu Leipzig gehörend) - 2. März 1869 (Großzschocher, heute zu Leipzig gehörend)
Zitat
"Hannchen wusste, was sie tat, sie war Gattin und Mutter, eine glückliche junge Frau - aber eben darum dachte sie, dass es gut und wohl gehandelt sei, in dem jungen Helden der Braut den Bräutigam, den Eltern das Kind, dem Vaterlande den Befreier zu retten."
(Louise Otto-Peters über Johanna Häußer, in: Neue Bahnen 8/ 1869, Seite 58)
Kurzporträt
Johanna Häußer ist als Pflegerin und Mitretterin des bei Kitzen verwundeten jungen Dichters und Angehörigen der Lützower Freischar, Theodor Körner, in die Geschichte der Befreiungskriege und Leipzigs eingegangen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Christian Fritsche, Branntweinbrenner aus Großzschocher, Lebensdaten unbekannt
- Mutter: Johanne Rosine, geborene Friedrich, Lebensdaten unbekannt, aus Rückmarsdorf bei Leipzig
Biografie
Johanna Häußer wurde 1783 in Großzschocher bei Leipzig in der Familie eines Branntweinbrenners geboren. Ihre Lebensgeschichte liegt nahezu vollständig im Dunkeln. Das Wenige, das wir über sie wissen, stammt aus einem 1869 von Louise Otto-Peters publizierten Nekrolog in der Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins "Neue Bahnen" sowie aus den Kirchenbüchern Großzschochers.
Demnach war sie seit 1809 mit dem aus erster Ehe verwitweten Johann Friedrich Häußer, Gärtner des Gutes Großzschocher verheiratet; die Familie lebte im zum Schloss Großzschocher gehörenden Gutsgärtnerhaus nahe der Weißen Elster. Es ist denkbar, dass die Häußers darüber hinaus auch ein eigenes oder gepachtetes Stück Land bearbeiteten, denn von Johanna Häußer wissen wir, dass sie mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen den nahe gelegenen Leipziger Wochenmarkt aufsuchte. Damals war es üblich, dass vor allem die Bauern- und Gärtnerfrauen aus den Dörfern um Leipzig für den unmittelbaren Marktverkauf des erzeugten Obstes und Gemüses, von Eiern, Butter, Milch und Federvieh zuständig waren. Viel mehr ist über die Lebensumstände Johanna Häußers nicht bekannt. Bisher konnte lediglich ermittelt werden, dass sie im Laufe ihrer Ehe acht Kinder, drei Söhne und fünf Töchter, zur Welt brachte. Zur Familie gehörten vermutlich zwei weitere kleine Töchter ihres Mannes aus erster Ehe. Von diesen vielen Kindern überlebten sie nur wenige - als Johanna Häußer 1869 in hohem Alter starb, hinterließ sie zwei Töchter und eine Stieftochter sowie Enkel. Ihr Mann war bereits 1826 gestorben, sodass sie lange Jahre im Witwenstand verbrachte.
Wenn diese einfache Frau aus dem Volk dennoch eine gewisse Berühmtheit erlangte, dann weil sie im Juni 1813 den berühmten jungen Dichter Theodor Körner nach seiner ersten Verwundung gepflegt und zu seiner einstweiligen Rettung beigetragen hatte. Dieser war als gebürtiger Dresdner und Sachse dem Aufruf des preußischen Königs "An mein Volk" (17. März 1813) gefolgt und hatte sich dem Lützower Freikorps angeschlossen, um für die Befreiung Deutschlands von französischer Fremdherrschaft zu kämpfen. Die Lützower Freischar setzte sich hauptsächlich aus nichtpreußischen Staatsbürgern, darunter viele Studenten und Akademiker, zusammen. Ihr militärischer Beitrag war gering; als die Völkerschlacht im Oktober 1813 ausgetragen wurde, existierte sie schon nicht mehr. Dennoch ist der von ihr symbolisierte Wert des vereinten Kampfes junger Deutscher für die Befreiung des gemeinsamen Vaterlandes nicht zu unterschätzen. Vor allem in späterer Zeit ist diese Tatsache regelrecht mythisiert worden, wozu viele Lieder Theodor Körners beitrugen, die er als "Lützower" gedichtet hatte. Sie waren von seinem Vater 1814 unter dem Titel "Leyer und Schwert" veröffentlicht worden und wurden später in die Liederbücher der Gesangs- und Turnvereine aufgenommen.
In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur Rettung Theodor Körners im Juni 1813. Fakt ist, dass er am 17. Juni bei einem Gefecht mit französischen und rheinbündischen Truppen bei Kitzen verwundet wurde. Unter denjenigen, die ihn im Wald fanden und auf einer Trage, unter Laub und Reisig verborgen, in das nahe Gutsgärtnerhaus brachten, befand sich Johann Friedrich Häußer. Johanna Häußer übernahm nun die Versorgung und Pflege des Verwundeten. Das war gefährlich, weil auf die versprengten Lützower ein Kopfgeld ausgesetzt worden war und Besatzungstruppen im Dorf patrouillierten. Um Hilfe zu erhalten, schrieb Theodor Körner Briefe an seinen Jugendfreund Kunze in Leipzig und an seinen Vater. Die größte Schwierigkeit bestand allerdings darin, die Briefe nach Leipzig beziehungsweise zur weiteren Beförderung zu bringen. Da alle Männer, die in das französische besetzte Leipzig hineinkommen wollten, streng an den Stadttoren kontrolliert wurden, schlug Johanna Häußer vor, die Briefe bei einem Marktgang "zwischen Strumpf und Stiefeln" zu verbergen; ihre Körbe mochten visitiert werden, niemand würde etwas Verdächtiges vermuten. So geschah es. Mit Hilfe des Leipziger Freundes gelang es am 18. Juni 1813, Theodor Körner in Bauernkleidern mit einem Kahn auf dem Wasserweg nach Leipzig zu bringen. Von dort brach er einige Tage später auf. Er fiel wenig später am 26. August 1813 in der Nähe von Gadebusch.
Die mutige Tat der Familie Häußer blieb jedoch im Dorf in Erinnerung. Wohl auch deshalb, weil der Vater Theodor Körners Johanna Häußer als Dank einen silbernen Becher geschenkt hatte. Von diesem trennte sie sich auch nach dem Tod ihres Mannes nicht, als ihre Lebensverhältnisse schwieriger wurden.
Anlässlich des 50. Jahrestages der Völkerschlacht 1863 war an die Ereignisse von 1813 erinnert worden. In Leipzig fanden gleich zwei große Nationalfeste statt: Anfang August 1863 das dritte deutsche Turnfest und vom 17. bis 19. Oktober 1863 die zentrale Jubiläumsfeier zur Erinnerung an die "Leipziger Schlacht". Letztere sollte "das aufgeklärte und patriotische Bürgertum von ganz Deutschland" versammeln, so der Schriftsteller Robert Prutz, "um gemeinsam Hand anzulegen an den Bau deutscher Freiheit und Selbständigkeit". Deutschland war zwar 1813 von der Fremdherrschaft befreit worden, ein deutscher Nationalstaat aber existierte noch immer nicht. Zur Förderung des Nationalgedankens hatten 500 deutsche Städte beschlossen, auch die fünfzigste Wiederkehr des Todestages von Theodor Körner am 26. August 1863 feierlich zu begehen. In Leipzig nahm der Schillerverein die Organisation der Veranstaltung in die Hand. Louise Otto-Peters, die schon im Vormärz und während der Revolution von 1848/49 glühende Anhängerin der Nationalbewegung gewesen war, engagierte sich nun erneut für die Idee der deutschen Einheit. Aus ihrer Feder stammen Gedichte zur Erinnerung an die Leipziger Schlacht und an Theodor Körner, darunter ein Gedicht, das zur Gedenkfeier vorgetragen wurde. Sie widmete Theodor Körner ferner ein Gedenkblatt anlässlich seines 50. Todestages und das Libretto zur "vaterländischen Oper" "Leyer und Schwert oder Theodor Körner" von Wendelin Weißheimer. Gemeinsam mit Weißheimer besuchte sie im Frühjahr 1863 Johanna Häußer, um deren Einverständnis einzuholen, sie als Gestalt auf die Opernbühne zu bringen. Die Uraufführung 1872 erlebte Johanna Häußer nicht mehr.
Mit ihrer Opernfigur der Johanna Häußer, aber auch mit ihrem Nekrolog von 1869 ging es Louise Otto um die Gestaltung einer ihrer feministischen Grundüberzeugungen - der Idee, dass sich die Rolle der Frauen keinesfalls, wie dies im dominierenden Geschlechterdenken des 19. Jahrhunderts immer wieder postuliert wurde, auf das Wirken im Inneren des Hauses, in Ehe und Familie beschränken solle, sondern dass Frauen genauso wie Männern das Recht und die Pflicht zukomme, an den Angelegenheiten des Vaterlandes und der Menschheit mitzuwirken.
Adressen in Leipzig
- Gutsgärtnerhaus in Leipzig-Großzschocher (heute Theodor-Körner-Haus, Huttenstraße 22a)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Gedenktafel am Wohnhaus der Familie Häußer in der heutigen Huttenstraße in Leipzig-Großzschocher, errichtet 1865, noch zu Johanna Häußers Lebzeiten, vom Turnverein Großzschocher mit Windorf
- Aufnahme Johannas als handelnde Figur in der Oper "Leyer und Schwert oder Theodor Körner" (Libretto: Louise Otto, Musik: Wendelin Weißheimer)
- 1913 wurde im Haus anlässlich seines 100. Todestages ein "Körnerzimmer" eingerichtet.
- Häußerstraße, benannt nach dem Ehepaar Häußer, im Stadtteil Großzschocher
- Das Körnerhaus selbst ist noch zu DDR-Zeiten als Zeugnis ländlichen Bauens im 18. Jahrhundert und als Ort der Rettung Theodor Körners unter Denkmalschutz gestellt worden. Seit 1997 wird es vom Bürger- und Förderverein Körnerhaus Großzschocher e. V. aufwändig saniert und zu einer kulturellen Begegnungsstätte entwickelt.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Louise Otto-Peters, Johanna Häußer (Nekrolog). In: Neue Bahnen 8/ 1869, Seiten 57-59.
- Johanna Ludwig, Johanna Häußer (1783-1869). Gärtnersfrau, Pflegerin Theodor Körners. In: Leipziger Lerchen. Frauen erinnern, Erste Folge. Herausgegeben von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Leipzig. Beucha 1999, Seiten 8-9.
- Susanne Schötz, "Frauenschlacht" zu Leipzig. Anmerkungen zu Louise Otto-Peters in der Reichsgründungszeit. In: Volker Rodekamp (Herausgeber), Helden nach Maß. 200 Jahre Völkerschlacht bei Leipzig. Katalog zur Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, 4. September 2013-5. Januar 2014. Leipzig 2013, Seiten 47-54.
- Stefan-Ludwig Hoffmann, Mythos und Geschichte. Leipziger Gedenkfeiern der Völkerschlacht im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: François, Etienne et al (Herausgeber), Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich. Göttingen 1995, Seiten 111-132.
- Theodor-Körner-Haus und Bürger- und Förderverein Körnerhaus Großzschocher e. V.: www.koernerhaus-leipzig.de
Autorin: Susanne Schötz, 2014