Hipp, Jutta - Leipziger Frauenporträts
Jutta Hipp am Piano © Hajo Hipp Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Kunst
geboren/ gestorben
4. Februar 1925 (Leipzig) - 7. April 2003 (Queens/New York, USA)
Zitat
"[...] Aber für uns ist Jazz eine Art Religion. Wir mussten wirklich dafür kämpfen [...]"
(zitiert nach Haberkamp/melodiva)
Kurzporträt
Die bedeutende Jazz-Pianistin Jutta Hipp war auch Malerin, Zeichnerin, Fotografin und Designerin. 1955 erhielt die First Lady of European Jazz als erste Europäerin und erste weiße Instrumentalistin einen Plattenvertrag beim renommierten USA-Label Blue Note Records, wo in kurzer Folge drei Alben von ihr erschienen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Karl Julius Hipp, Revisionsingenieur
- Mutter: Hulda Elisabeth Hipp, geborene Grassmann (19.03.1894-?)
- ein Bruder
Biografie
Seit 2011 gibt es in Leipzig den Jutta-Hipp-Weg, benannt nach der Jazzpianistin, Lyrikerin und Künstlerin, die am 4. Februar 1925 in Leipzig geboren wurde und ihre ersten 21 Lebensjahre hier verbrachte. Initiiert hatte diese Straßenbenennung die Jazzhistorikerin Katja von Schuttenbach, die sich seit langem mit dem Leben der Allround-Künstlerin beschäftigt.
Jutta Hipp wuchs in Leipzig-Süd und Markkleeberg auf, in einer Zeit politischer Umbrüche, die ihr Leben prägten. In den 1930er-Jahren besuchte sie die Rudolf-Hildebrand-Schule in Connewitz (damaliger Standort) und erhielt privat klassischen Klavierunterricht.
Jazzmusik hörte Jutta Hipp erstmals um 1940, als ihr Freund, der Kunststudent Ingfried Henze, sie zu einem Abend des Hot Club mitnahm. In Privatwohnungen wurden illegal Jazz-Platten sowie die verbotenen Radiosender BBC London und Hilversum gehört. Zum Club gehörten unter anderem der spätere Jazzgitarrist und Musikdozent Thomas Buhé und Frohwalt "Teddie" Neubert, in dessen elterlichen Wohnung in der Hardenbergstraße bald private Sessions stattfanden, bei denen er Schlagzeug spielte, Buhé Klarinette, Hipp Klavier und Maria Rausch sang. Hipp war von der nonkonformistischen Einstellung im Club angetan: "Ich trug immer blaue Seidenstrümpfe mit einer roten Naht und mit einem roten Herzen auf dem Knie [...] Und da ich wie alle Teenager anders sein wollte, ging ich oft einen ganzen Häuserblock lang rückwärts, um zu sehen, ob sich jemand aufregte, und um ihn dann anzulächeln." (Brief vom 22.04.1989 an M.H. Kater). Sie begann wieder Klavierunterricht zu nehmen und sie komponierte. Ihre Vorbilder waren Jazzpianisten wie Teddy Wilson, Fats Waller und Art Tatum. 1942 bis 1945 studierte sie an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (heute: Hochschule für Grafik und Buchkunst) Zeichnen und Malerei. Sie war Meisterschülerin bei Prof. Walter Buhe, dem Vater von Thomas Buhé.
Die Hot Club-Treffen fanden manches Mal auch bei Bombardierungen statt. Die Luftangriffe trafen Hipps unmittelbares Lebensumfeld. Dem schwersten im Dezember 1943 fielen 1.800 Menschenleben und rund 15.000 Gebäude, besonders im Stadtzentrum und in der Südvorstadt, zum Opfer. Ein weiterer Luftangriff im Februar 1944 zerstörte Teile von Connewitz und des Musikviertels.
Nach der Besetzung der Stadt durch amerikanische Einheiten Mitte April 1945 erklang in deren Hauptquartier "Hotel Fürstenhof" Jazz, der Armeesender AFN sendete Jazzmusik und öffentliche Jazz-Auftritte waren möglich. Anfang Juli 1945 wurde Leipzig Teil der sowjetischen Besatzungszone. 1946 verließ Jutta Hipp mit ihrem damaligen Verlobten Teddie Neubert und Thomas Buhé ihre Heimatstadt Richtung Westen. Sie spielten in Tanzlokalen und amerikanischen Offiziersclubs am Tegernsee. Später trat Hipp mit Hans Koller unter anderem in München auf. Ihren 1948 geborenen Sohn Lionel übergab sie einem Kinderheim, da sie sich nicht in der Lage sah, ihn selbst zu versorgen.
Ab 1952 spielte Jutta Hipp in der Hans Koller Band in Frankfurt am Main, die 1953 mit dem Dizzy Gillespie Quintet durch Deutschland tourte. Rundfunkaufnahmen und Auftritte beim Deutschen Jazzfestival folgten. 1953 wurde Hipp in der männerdominierten Szene knapp vor Paul Kuhn zur besten deutschen Jazzpianistin gewählt. 1953 bis 1955 trat sie mit ihrem eigenen Quintett in Deutschland, Schweden, Dänemark und Jugoslawien auf. Sie war erfolgreich als Protagonistin des "Cool Jazz Frankfurter Prägung" mit eigenem Stil.
Im November 1955 ging Jutta Hipp auf Einladung des Musik-Managers Leonard Feather nach New York. Schon im Februar war ihre 1954 in Frankfurt eingespielte Schallplatte bei Blue Note erschienen. 1956 wurde sie mit Peter Ind (Kontrabass) und Ed Thigpen (Drums) für sechs Monate im "Hickory House Club" engagiert, erhielt als erste Europäerin einen Blue Note-Plattenvertrag und nahm in drei Monaten drei Schallplatten auf. Sie spielte auch mit Paul Motion, James Moody, John Coltrane, Charlie Mingus und anderen. 1957 folgte eine Südstaaten-Tournee. Aber: "Der Rückgang der Engagements, Lampenfieber, Existenzangst und ein massives Alkoholproblem führen zu der Entscheidung, einen ganz normalen Job als Schneiderin in einer Kleiderfabrik anzunehmen [...] Ab dieser Zeit gewöhnt sie sich das Nachtleben, das Trinken und schließlich das Klavierspielen ganz ab. Vom Druck befreit fühlt sie sich besser und wendet sich der Malerei zu, bleibt aber eine enthusiastische Jazz-Hörerin und -Kennerin, und verlagert ihre Kreativität in die Malerei." (Haberkamp, melodiva). Ihre Zeichnungen von Jazzmusikern wurden zum Beispiel im "JazzPodium" veröffentlicht.
2002 erhielt sie von Blue Note 40.000 Dollar Tantiemen für wieder aufgelegte Platten. Am 7. April 2003 starb Jutta Hipp 78-jährig in Queens/ New York, USA.
Zum Jazzfest Berlin 2012 erinnerte das Projekt "Remembering Jutta Hipp" von Jazzpianistin Julia Hülsmann, Klarinettist Rolf Kühn, der einst über Jutta Hipp in Leipzig zum Jazz fand, und Saxophonist Joe Lovano an sie. 2013, zu Hipps 10. Todestag, folgte Ilona Haberkamps Projekt "Cool is hipp is cool: a tribute to Jutta Hipp". Haberkamp hatte 2011 auch die Straßenbenennung musikalisch begleitet: mit Hipps Komposition "Horatio".
2023 vergibt der Jazzverband Sachsen e.V. erstmals den Jutta Hipp-Preis.
Werke
- Jutta Hipp and Her Quintet: New Faces - New Sounds from Germany (1955), Blue Note BLP 5056, (aufgenommen 1954 in Frankfurt/M. Mit Emil Mangelsdorff - Alto Saxophone, Hans Kresse - Bass, Karl Sanner - Drums, Joki Freund - Tenor Saxophone, Jutta Hipp - Piano).
- Jutta Hipp At the Hickory House Vol. 1 and 2 (1956), Blue Note 1515 und 1516.
- Jutta Hipp with Zoot Sims (1956), Blue Note (2008 neu aufgelegt).
- Mehr als 200 Aquarelle in Galerien und Privatbesitz in New York und Deutschland
Adressen in Leipzig
- 1925-1930: Windscheidstraße 35 (Leipzig-Connewitz)
- 1931-1936: Kaiser-Wilhelm-Straße 56 (heute August-Bebel-Straße), 1. Etage
- 1937-1946: Roseggerweg 3 (Markkleeberg-West)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- seit 2011 Jutta-Hipp-Weg in Leipzig-Meusdorf, mit Erläuterungstafel
- 27.1.2023 – 20.8.2023 Die Sonderausstellung „Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“ des Stadtgeschichtlichen Museum widmet Station 8 der Jazzmusikerin Jutta Hipp und dem Hot Club Leipzig.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Ilona Haberkamp: Jutta Hipp - Pianistin, Poetin und Malerin, eine wahre Blue Note Legende, In: Female music networking: www.melodiva.de/melodiva/melodiva-reports.php (Abruf 13.08.2014)
- Katja von Schuttenbach: Jutta Hipp, Jazz Podium, Juli/August 2006.
- http://www.vonschuttenbach.com/ (Abruf 12.08.2014)
- https://www.facebook.com/pages/Jutta-Hipp/148942215117356 (Abruf 12.08.2014)
- Booklet der CD "Cool is hipp is cool: a tribute to Jutta Hipp. Ilona Haberkamp Quartet feat. Ack van Rooyen; spec. guest Silvia Droste, 2013. Mit Zeichnungen, Gedichten und Interview-Auszügen.
- Michael H. Kater: Gewagtes Spiel: Jazz im Nationalsozialismus. Köln 1995.
- Thomas Buhé: Ein paar Takte voraus. In: Zwischen Zeiten Lebenszeit. Drei Leipziger Nikolaitaner Zeitzeugen im 20. Jh.: Rolf Benkert, Thomas Buhé, Martin Wehnert, Leipzig 2005.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Hot_Club_Leipzig (Abruf 13.08.2014)
- Jazzführer Edition Peters, Leipzig 1980.
- Haberkamp, Ilona: Plötzlich Hip(p). Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst. Hofheim am Taunus 2023.
Autorin: Gerlinde Kämmerer, 2014/2023