Karg-Gasterstädt, Klara Elisabeth Prof. Dr. phil. (geborene Gasterstädt) - Leipziger Frauenporträts
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Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Wissenschaft
geboren/ gestorben
9. Februar 1886 (Gröditz) - 24. August 1964 (Leipzig)
Zitat
"Leben muß der Wortforscher mit seinem Stoff, in ihn hineinhorchen, denn auch die Wörter sind froh, wenn sie von dem Geheimnis ihres Wachstums erzählen können. Aber sie verlangen eine geduldige Hand und ein zum Horchen bereites Ohr..."
(Gertraud Müller: Nachruf "Elisabeth Karg-Gasterstädt. 9.2.1886 - 24.8.1964". In: Sächsische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): Jahrbuch 1963-1965, Berlin 1967, Seite 329)
Kurzporträt
Elisabeth Karg-Gasterstädt, international angesehene Sprachwissenschaftlerin und Lexikografin sowie erste planmäßige Professorin der Universität Leipzig, machte sich vor allem durch ihre Forschungen zur althochdeutschen Sprache einen Namen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Carl Gasterstädt, Diplom-Ingenieur und Direktor der Gröditzer Zellulosefabrik der Firma Kübler & Niethammer (gest. am 29.09.1923 in Dresden)
- Mutter: Sophie, geborene Schönleber, Hausfrau
- Bruder: Dr. Johannes Gasterstädt (1888-1937, Verantwortlicher bei Junkers in Dresden für die Schwerölmotorenentwicklung)
Biografie
Die Germanistin Klara Elisabeth Karg-Gasterstädt wurde 1952 zur ersten planmäßigen Professorin der Universität Leipzig ernannt und legte vor allem mit ihren Arbeiten für das Althochdeutsche Wörterbuch einen Grundstein für die germanistische Forschung. Bis heute gilt ihr Wirken in Leipzig als wegweisend für die internationale Sprachgeschichtsforschung. Die Sächsische Akademie der Wissenschaften wählte sie nach ihrer Emeritierung im Jahr 1955 als eine der ersten Frauen zum ordentlichen Mitglied der philologisch-historischen Klasse. Obwohl Elisabeth Karg-Gasterstädt zu keiner Zeit einer politischen Partei angehörte, wurde sie 1961 zu ihrem 75. Geburtstag mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR ausgezeichnet - eine Ehre, die einer Frau zu dieser Zeit recht selten zuteil wurde. Dennoch ist ihr beruflicher Werdegang nicht nur von Erfolgen geprägt, vielmehr spiegelt er auch die begrenzten Karrieremöglichkeiten von Akademikerinnen in Ost und West bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wider.
Geboren wurde Elisabeth Gasterstädt 1886 als Tochter schwäbischer Eltern im sächsischen Gröditz bei Riesa. Ihre berufliche Laufbahn begann mit dem Besuch eines höheren Lehrerinnenseminares in Stuttgart. Einige Jahre der Berufstätigkeit folgten, bis sie in Tübingen das Studium der Germanistik und der Neueren Sprachen aufnahm. Als sie 1915 an die Universität Leipzig wechselte, wurde der berühmte Philologe Eduard Sievers (1892-1922) ihr wissenschaftlicher Lehrer und Mentor. Da in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg viele Stellen unbesetzt blieben, hatten erstmals auch Studentinnen die Möglichkeit, einer akademischen Berufstätigkeit nachzugehen, und so ernannte Sievers sie zur Bibliothekarin. Diese Anstellung behielt sie auch, nachdem ihre männlichen Kommilitonen aus dem Krieg zurückgekehrt waren. 1920 wurde sie mit einer Studie "Zur Entstehungsgeschichte des Parzival" promoviert und zur Assistentin am Germanistischen Institut berufen. Neben ihrer Mitgliedschaft in der Sächsischen Prüfungskommission für das höhere Schulfach brachte Elisabeth Gasterstädt ab 1932 zusammen mit Theodor Frings (1886-1968), dem langjährigen Ordinarius für Philologie in Leipzig und Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, die bis heute existierende renommierte Fachzeitschrift "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur" heraus (http://www.digizeitschriften.de).
Trotzdem konnte sich Elisabeth Gasterstädt nicht habilitieren; die Karriereaussichten für junge Akademikerinnen blieben weiterhin schlecht. Nachdem sie 1922 den Leipziger Volkskundler, Germanisten und Mundartenforscher Dr. Fritz Karg (1892-1970) geheiratet hatte, galt sie im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung außerdem als sogenannte Doppelverdienerin. Wegen des Verbotes des doppelten Einkommens für Verheiratete wurde ihre Entlassung 1933 schließlich unausweichlich. Nach ihrer Scheidung ein Jahr später konnte sie jedoch, wenn auch vorerst nur ehrenamtlich, wieder Lehrveranstaltungen am Germanistischen Institut übernehmen.
Wenig später fiel ihr dann eine Aufgabe zu, die ihr weiteres Schaffen und Wirken bestimmen sollte - die Bearbeitung eines umfassenden Wörterbuches zum Althochdeutschen, ein Projekt mit dem Charakter eines Jahrhundertwerkes, dessen Vollendung bis heute die Aufgabe von Leipziger Sprachwissenschaftler/-innen ist. Seit 1935 arbeitete Elisabeth Karg-Gasterstädt an diesem von Theodor Frings und ihr begründeten Vorhaben, das den gesamten frühdeutschen Sprachwortschatz vom 8. bis zum 11. Jahrhundert umfasst (awb.saw-leipzig.de).
In den folgenden knapp dreißig Jahren verfasste sie weit über 4000 Wörterbuchartikel und brachte regelmäßig Berichte unter dem Titel "Aus der Werkstatt des Althochdeutschen Wörterbuchs" heraus, in denen sie sich mit Einzelfragen der Lexikologie wie der Wortbildung oder dem Bedeutungswandel der Wörter, auseinandersetzte. Während des Zweiten Weltkrieges überführte sie gemeinsam mit ihrer studentischen Hilfskraft Ingeborg Reps das umfangreiche Zettelmaterial des Wörterbuches nach Altenburg ins Thüringische Staatsarchiv. Im Schutz der Kellerräume des Schlosses war es Elisabeth Karg-Gasterstädt möglich, ihre Arbeiten fortzusetzen, wenngleich nur mit der allernötigsten Fachliteratur ausgerüstet. Zielstrebig widmete sie sich in dieser entbehrungsreichen Zeit der weiteren Konzeption und der Umsetzung "ihres" Wörterbuches.
Nach dem Kriegsende erhielt sie schließlich im Januar 1946 ihre alte Anstellung als Oberassistentin am Institut zurück. Mit ihrer Lehrtätigkeit wurde sie neben anderen Forscherpersönlichkeiten wie Hermann August Korff (1882-1963), Hans Mayer (1907-2001) und ihrem wissenschaftlichen Weggefährten Theodor Frings zu einer der tragenden Säulen der germanistischen Ausbildung in Leipzig. In Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen wurde sie 1952 zur ersten Professorin mit vollem Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig ernannt. Ihr Werdegang am Germanistischen Institut gilt bis heute als beispielhaft.
Elisabeth Karg-Gasterstädt widmete sich bis zu ihrem Lebensende im August 1964 voll und ganz dem Althochdeutschen Wörterbuch. So sagte sie 1955 in ihrem Gelöbnis zum Eintritt in die Sächsische Akademie der Wissenschaften: "Ich brauche nicht zu versichern, daß ich alles, was mir in meinem Leben noch an Zeit und Kraft geschenkt wird (...) für mein Althochdeutsches Wörterbuch einsetzen werde."
Werke
eine Auswahl:
- Zur Entstehungsgeschichte des Parzival, Dissertationsschrift, Halle/ Saale 1925.
- Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Band. 1 (bearbeitet und herausgegeben von Elisabeth Karg-Gasterstädt/ Theodor Frings): A-B (1952-1968, Reprint 2007), Band 2 (herausgegeben von Rudolf Große): C-D (1970-1997, Reprint 2007), Band 3 (Herausgegeben von Rudolf Große): E-F (1971-1985, Reprint 2007), Band 4 (herausgegeben von Rudolf Große): G-J (1986-2002, Reprint 2007), Band 5 (herausgegeben von Gotthard Lerchner, Hans Ulrich Schmid): K-L (2002-2009), Band 6 (herausgegeben von Hans Ulrich Schmid): M - N (2009-2015), Band 7 (herausgegeben von Hans Ulrich Schmid): O, P, Q, R (2015-2019), Band 8 und folgende (herausgegeben von Hans Ulrich Schmid): S (2019 und folgende), Berlin: Akademieverlag (bis 2013), de Gruyter (seit 2014). Bearbeiterin und Herausgeberin nur von Band 1, von Band 2 bis Band 8 und folgende dann Begründerin.
- Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding. Die Geschichte eines Wortes, Berlin 1958.
- Die Minnesinger in Bildern der Manessischen Handschrift (Nachwort), Frankfurt am Main/ Leipzig: Insel-Verlag, 1962-1992.
- Mitherausgeberin der Zeitschrift "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur", Band 60-90, Halle 1936-1968.
Adressen in Leipzig
- bis 1958: Lampestraße 4 (3. Obergeschoss)
- bis 1964: Grassistraße 40 (Erdgeschoss)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Grabstätte auf dem Südfriedhof in Leipzig
- Vaterländischer Verdienstorden in Silber, 1961
- Professorenkatalog der Universität Leipzig / Catalogus Professorum Lipsiensium: https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/KargGasterstaedt_672
- https://research.uni-leipzig.de/agintern/CPL/PDF/KargGasterstaedt_Elisabeth.pdf (PDF 175 KB)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Bulitta, Brigitte: Elisabeth Karg-Gasterstädt, in: Mittelhochdeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, Band 21, Bonn 2014, Seite 276-280.
- Emmerich, Brigitte: Karg-Gasterstädt, Klara Elisabeth, in: Sächsische Biografie, herausgegeben vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V.: http://www.isgv.de/saebi/ (Artikel erstellt am 05.05.2011; Abruf 29.10.2019).
- Lux, Anna: Die Leipziger Germanistik von der Novemberrevolution bis zur frühen DDR im Vergleich mit den Germanistischen Instituten in Berlin und Jena, Leipzig 2011.
- Lux, Anna: Räume des Möglichen: Germanistik und Politik in Leipzig, Berlin und Jena, Stuttgart 2014.
- Müller, Gertraud: Nachruf "Elisabeth Karg-Gasterstädt. 9.2.1886 - 24.8.1964", in: Sächsische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): Jahrbuch 1963-1965, Berlin 1967, Seite 327-329.
- Öhlschläger, Günther und andere: Leipziger Germanistik, Berlin/ Boston 2013.
- https://archiv.saw-leipzig.de/personen/elisabeth-karg-gasterstadt.
Autorinnen: Dr. Brigitte Bulitta und Lilli Bernitzki, 2019