Kaufmann-Heinze, Rosemarie - Leipziger Frauenporträts
Rosemarie Kaufmann-Heinze, 1998 © Winfried Melzer Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
- Bildung/ Pädagogik
geboren/ gestorben
9. März 1948 (Colbitz) - 8. November 1998 (Leipzig)
Zitat
"Statement / Was ich schon immer sagen wollte! / ja... ja... ja... und so weiter / Weiterbildung bringt uns weiter, weiter, weiter / wohin... dahin... Formulare / laruforme / mormulare / Lebensversicherung / Feuerversicherung / Unfallversicherung."
(Kunst-Kiste, 1995)
Kurzporträt
Beginnend mit Illustrationen entdeckte Rosemarie Kaufmann-Heinze die grafischen Techniken Holzschnitt, Radierung, Lithografie und Zeichnung als ihre wichtigsten Ausdrucksmittel. Künstlerbuch, Installation und Performance dienten ihr dazu, Neues zu finden und Grenzen zu überschreiten
Herkunftsfamilie
- Mutter: Ursula Hinzke, geborene Kaufmann (1914-2003), Köchin
Biografie
Nach der Ausbildung zur Tiefdruckretuscheurin (1966-1969) studierte Rosemarie Kaufmann an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden Theatermalerei und Plastik, arbeitete jeweils zwei Jahre als Bühnenmalerin am Meininger Theater, als pädagogische Mitarbeiterin im Schloss Wilhelmsburg, Schmalkalden und als graphische Gestalterin bei PIKO Elektrik, Schmalkalden. Von 1978 bis 1984 studierte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig. In diese Zeit fielen die Heirat mit Bernd Heinze und die Geburt ihrer zwei Söhne. Seit 1984 arbeitete sie freischaffend für Verlage und Galerien, wurde Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR (seit 1990 Bund Bildender Künstler Leipzig).
Einen Lehrauftrag an der Musikschule Leipzig für Bildende Kunst (Oberstufe) übernahm sie 1988. Mit eigenständig eigenwilligen Illustrationen zu literarischen Werken hatte sie begonnen. Nach der Wende lotete sie neue Möglichkeiten aus: gründete 1990 die SESAM-Presse, um Künstlerbücher und Pressedrucke herauszugeben, wurde zur Mitbegründerin der 1. Alternativen Buchmesse (1990, Leipzig: Heinrich-Budde-Haus) und der 1. Internationalen Ausstellung für Künstlerbücher und Handpressendrucke, verbunden mit einem Workshop (1991, Leipzig: Galerie Augenblick). Sie nahm am 1. Grafik-Symposion in Hohenossig teil, etablierte 1993 die Künstlerinnengruppe der Pressedruckerinnen und veranstaltete mit ihnen sogleich einen Workshop, auf dem das Künstlerbuch "Hommage à Johannes Bobrowski" in 10 Exemplaren mit 15 Originalgrafiken von sieben Künstlerinnen entstand sowie ein Video über die gemeinsame Arbeit mit Auskünften der Teilnehmerinnen und über die von ihnen angewandten grafischen Techniken. Unermüdlich arbeitete sie mit Anderen und für die Gesellschaft, brachte Ideenreichtum und Sensibilität ein. So wurde sie 1993 beratendes Mitglied des Fachausschusses Kultur in Dresden, überführte die Pressedruckerinnen in die GEDOK Leipzig/ Sachsen, war 1993-1995 Vorsitzende dieses Künstlerinnenvereins, danach Fachbeirätin für Grafik und gab die Grafikmappe "Hommage à Else Lasker-Schüler" heraus, an der sich 14 Künstlerinnen beteiligten.
Sie stellte ihre Arbeiten - freie Grafik, Illustrationen, Künstlerbücher - in Leipzig, Meißen, Essen (Schloss Borbeck), Altenburg, Berlin, zur Frankfurter Buchmesse 1990, in Wien, Wilhelmshaven, Potsdam aus und entwickelte seit 1994 Performances und Installationen. Im Februar 1998 fand im Haus des Buches Leipzig ihre Personalausstellung statt, die danach etwas verkleinert im Lohengrin-Haus der Richard-Wagner-Stätten Pirna-Graupa zu sehen war.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Rosemarie Kaufmann-Heinze steht das Einordnen ihres Selbst in diese Welt, in der sie sich behaupten musste. Das Sich-Zurückziehen, Zurückbesinnen auf sich und das Befreien aus Fesseln, die alle Freiheit nehmen, in keinem Werk hat sie das sinnfälliger formuliert als in Grafiken und in Installationen zum Thema "Kokon", denn: das "beschäftigt mich in der Grafik seit 1990. Ich will unbewusst Schichten des Unterbewusstseins erreichen. Eine ungewohnte Sichtweise schaffen." (In: Projektkatalog 1998, Seite 12).
Von Lyriker/-innen wie Johannes Bobrowski oder Else Lasker-Schüler erfuhr sie die Sinn gebende Bedeutung des Wortes, so dass "Boot", "Tanz", "Kokon", "Tod" immer wieder neue Bilder aufriefen. Vermag sich in Versen ein ganzer Kosmos auszubreiten, so fand die Künstlerin durch sie die treffende Gestalt, Figuren, Arrangements oder das Zeichen als äußerste Zuspitzung. Das ist der Kreis in der Fläche oder im Raum der Kokon als Hülle, die das Werdende schützt, die schlüssige Formel einer Metamorphose, für das Entstehen des Einen aus dem Anderen, der Form aus der Formlosigkeit, ein Gleichnis für den künstlerischen Prozess wie für das Leben selbst.
Darin liegen Konzentration auf das Wesentliche und Grenzerweiterung, Grenzüberschreitung. Das hat Rosemarie Kaufmann-Heinze austariert, wenn sie Zeichen setzte mit expressiven Lithografien und Holzschnitten oder mit den abstrahierenden warmen Farbgrafiken. Die in strenger Geometrie symmetrisch gebaute Hommage für Hermann Glöckner von 1988 bereitet die Serie eindrucksvoller Kreuzwegdarstellungen vor, die zurückgenommen, auf wenige Positionen konzentriert, das ganze Leid in sich tragen. Ihre Bildwelt nährt sich sowohl aus christlichen als auch aus heidnischen Quellen: beispielsweise die Tanzdarstellungen, die zu "Hieroglyphen aus Leibern von Frauen" (Katrin Arrieta) verschmelzen. Mit der spröden Technik des Holzschnittes kreierte sie die reduzierte eckige Form eines androgynen Wesens, das sich einzeln oder vervielfältigt in Tanzfiguren verwandelt. Durch Aneinanderreihen im Tanzschritt verkeilter Gestalten versinnbildlicht sich der Zustand der in "Ekstase" Geratenen. Solche Holzschnitte wie auch die Radierungen - schwarzweiß oder farbig - entstanden mit dem Anspruch, Bewegung zur Musik und das Musikalische der Bewegung Bild werden zu lassen, vergleichbar den Kreationen von Gudrun Pontius (1944-1999). Schichten des Unterbewussten wollte Rosemarie Kaufmann-Heinze freilegen und die Sinne der Betrachter dafür empfänglich machen. Das ging mit Selbstbefragung und Selbsterkenntnis einher. Voller Ideen und Unternehmerinnengeist wagte sie Neues und überschritt Grenzen, getragen von ihrer Liebe zur Literatur, zum Buch.
Werke
- 4 Farbradierungen zu "Aquis submersus" von Theodor Storm, 1985
- 15 Holzschnitte zu "Geschichten aus der Tonne" von Theodor Storm. Leipzig: Verlag Philipp Reclam jun. 1985
- 11 Holzschnitte zu "Stara Jansova" von Juri Brězan. Bautzen: Domowina Verlag 1986
- 14 Aquatinta-Radierungen zu "Die Lüge hat bunte Flügel" von Petra Werner 1987
- 11 Farbradierungen zu "Judith Trachtenberg" von K. E. Franzos. Berlin: Verlag der Nation 1987
- 9 Kaltnadelradierungen zu "Brevier für Verliebte" von Gisela Steineckert 1987
- Hommage à Hermann Glöckner, Farbradierung, 1988
- Der Tanz, Holzschnitt, 1989
- Der Tanz, Farbzinkografie, 1991
- Eruption, Radierung 1991
- Alpha bis Omega, Kaltnadelradierung, 1991
- Halden bei Leipzig, Holzschnitt, 1991
- Kanal zur Domholzschenke, Holzschnitt, 1991
- Windspiele, Farbradierung, 1992
- Reisfeld, Vernis-mou, 1992
- Ekstase, Lithografie, 1992
- Kreis, Lithografie, 1992
- Die große Tumba, Lithografie, 1992
- Tanz, Lithografie, 1992/1993
- Regentanz, Farbholzschnitt, 1993
- Regenzauber, Vierfarbholzschnitt, verlorene Form, 1993
- Aufstrebender, Lithografie, 1993
- Erfahrung, Radierung, 1993
- Zurück, Holzschnitt, 1995
- Quelle, Holzschnitt, 1995
- "Rauchzeichen", Performance, Palais Rastede 1994, Leipzig MDR Galerie, Altenburg Rathaus 1995
- Grafikmappe für Else Lasker-Schüler. Hrsg: Rosemarie Kaufmann-Heinze, GEDOK Leipzig/ Sachsen e. V. 1996
- Hades, Aquatinta-Radierung für Grafikmappe zu Else Lasker-Schüler, 1996
- Augenboot, Farbradierung, 1996
- Kokon, Farbradierung, 1996
- Installation "Kokon", Kunst-Park-Festival Großenhain, Video, 1997
Adressen in Leipzig
- 1981-1998: Funkenburgstraße 17
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Buchillustrationen junger Künstler (Katalog), Berlin: Galerie am Prater.
- Anneliese Hübscher (Faltblatt zur Personalausstellung). Georg-Maurer-Bibliothek. Kleine Galerie des Kulturbundes 1985.
- Anzeichen. Junge Künstler im Bezirk Leipzig (Katalog). Altenburg 1986, Seite 31.
- 11. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. Angewandte Kunst (Katalog). Herausgeber: Rat des Bezirkes Leipzig, Verband Bildender Künstler der DDR (Leipzig) 1986, Seite 157.
- Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 1945-1989 (Katalog). Herausgeber: Prof. Arno Rink, Dr. Dieter Gleisberg. Leipzig: VEB E. A. Seemann Verlag 1989, (Band 1) Seite 128/129, 238.
- Hommage à Hermann Glöckner (Katalog). Herausgeber: Galerie am Sachsenplatz. 1989. Seite 30.
- 3. Leipziger Bildermesse (Katalog). 1990, Abbildung.
- Hommage à Lissitzky (Dokumentation). Herausgeber: Verband bildender Künstler der DDR. 1990, Seite 28.
- Bücherflut und Leserebbe. Tageblatt. Frankfurt: 06.09.1990.
- Leipziger Grafikerin liebt Storm. Borbecker Nachrichten, 13.09.1991.
- 1. Ausstellung des Bundes Bildender Künstler e. V. (Katalog). Leipzig: Passage-Verlag 1992, Seite 28 (Abbildung), 82.
- Trumpfkarte Buchkunst. Leipziger Volkszeitung, 24.04.1992.
- Ausstellungen und Workshops für handgemachte Kunst. Leipziger Volkszeitung, 02.09.1992.
- Alltag abstreifen und in die Arbeit tauchen. Hallo. München: Seite 10, 06.03.1993.
- B. Schwarz: Kunst kommt von Können: Wilhelmshavener Zeitung, 21.10.1993.
- Anneliese Hübscher über Rosemarie Heinze. In: Faltblatt zu Hommage á Johannes Bobrowski und Faltblatt Rosemarie Heinze (Abbildung). Herausgeber: Sächsische Pressedruckerinnen 1993.
- Hommage á Johannes Bobrowski. "Wo Liebe nicht ist, spricht das Wort". Künstlerinnenbuch mit 15 Originalgraphiken. Hrsg.: Rosemarie Heinze 1993.
- Katrin Arrieta: Rosemarie Kaufmann-Heinze. Text für die Ausstellung "Hommage á Johannes Bobrowski"; Grafik. Künstlerbücher. Potsdam: Galerie Samtleben 1994.
- Jürgen Weichhardt: Der Augenreiz der Druckgrafiken und ihre Techniken. Nordwest Zeitung, 22.11.1994.
- Getrennt-Vereint. (Katalog. Hrsg.) GEDOK Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfreunde e. V. Leipzig 1994, Seiten 36/37 Abbildung.
- Rosemarie Kaufmann-Heinze: Performances; Statement. In: Kunst-Kiste. Handbuch der künstlerischen Handschriften und Biographien. Edition Pikanta. (Herausgeber): Brigida Böttcher. Unpaginiert. 1995.
- Künstlerinnen Katalog Leipzig und Land Sachsen. (Herausgeber) Frauenkultur e.V. und Kulturamt Leipzig 1995, Seite 26.
- GEDOK Leipzig/Sachsen e. V. (Mitgliederkatalog) 1996, Seite 7, 48/49 Abbildung.
- Rita Jorek: Vom Menschen zum Kosmos - vom Kosmos zum Menschen. Graphik für Else Lasker-Schüler. In: Republik der Künste. Avantgarde und Tradition - 70 Jahre GEDOK (Katalog. Herausgeber): GEDOK Schleswig-Holstein, Roswitha Siewert. Lübeck 1996, Seite 112 Abbildung, 114.
- Rita Jorek: Kunstwerke im Park. In: Licht, Schatten, Zwischenräume. Projektkatalog. Herausgeber: Kunstverein Großenhain e. V. 1998, Seiten 4/5, 12/13 Abbildung.
- Rita Jorek: Hin zum Zeichen. In: Rosemarie Kaufmann-Heinze (Werkkatalog). Leipzig 1998
- Dietmar Eisold (Herausgeber): Lexikon Künstler der DDR. Berlin: Verlag Neues Leben 2010, Seiten 334/335.
- 20 Jahre GEDOK im Haus des Buches Leipzig (Katalog zur Ausstellung). Herausgeber: GEDOK Gruppe Leipzig/ Sachsen e. V. 2016.
- Kristiane Frank: Kaufmann-Heinze, Rosemarie. In: Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online. 2011-2016.
Autorin: Rita Jorek, 2016