Köhler-Richter, Emmy - Leipziger Frauenporträts
Emmy Köhler-Richter © Rolf Richter Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
- Tanz/ Theater
geboren/ gestorben
9. Februar 1918 (Gera) - 11. September 2013 (Leipzig)
Zitat
"Bei Mary Wigman habe ich den Ausdruckstanz erlernt, und bei Tatjana Gsovsky das klassische Repertoire."
Kurzporträt
Emmy Köhler-Richter gehörte zu den namhaften Chefchoreograf/-innen Deutschlands. Allein in den zwei Jahrzehnten ihres Wirkens als Ballettdirektorin des Leipziger Opernhauses schuf sie weit über 20 Choreografien. Dank ihrer Nachwuchsförderung entwickelte sich ein Dutzend junger Tänzerinnen und Tänzer zu ersten Solisten an den Ballettcompagnien der Berliner Staatsoper und der Komischen Oper sowie des Leipziger Corps de ballet.
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Walther Köhler (1893-1961)
- Mutter: Henriette Emma Köhler, geborene Lips (1882-1970)
- Schwester: Erna Ruth Ortwein, geborene Köhler (1922-2003)
Biografie
Am 9. Februar 1918 in Gera geboren wuchs Emmy Köhler in Passau und Leipzig auf. Schon von klein auf liebte sie das Tanzen und die junge Tänzerin hatte das Glück, bei zwei berühmten Lehrmeisterinnen zu studieren. "Bei Mary Wigman [1886-1973] habe ich den Ausdruckstanz erlernt, und bei Tatjana Gsovsky [1902-1974] das klassische Repertoire. Beide waren sehr faszinierende und disziplinierte Persönlichkeiten. Damals habe ich nicht geahnt, dass ich einmal ihre Nachfolgerin an der Leipziger Oper sein werde", sagte die Chefchoreografin.
Ab 1958 (damals noch in der Interimsspielstätte "Drei Linden" der Leipziger Oper) hat sie zwei Jahrzehnte die Geschicke des Leipziger Corps de ballet am Karl-Marx-Platz geleitet. Ihre Interpretation von Tschaikowskis "Dornröschen", eine der Eröffnungspremieren des neuen Opernhauses, eröffnete neue Balletthorizonte. In ihrer "Schwanensee"-Deutung schwebten nicht Geister oder Märchenwesen über die Szene, sondern agierten Menschen aus Fleisch und Blut.
Welche ihrer Arbeiten schätzten sie und das Publikum am meisten? "Meine beste war Egks 'Abraxas', nicht nur weil der Komponist von meiner Choreografie begeistert war und auch mehrere Aufführungen dirigierte, sondern weil alles stimmte, die mitreißende Musik, wunderbare Tänzerinnen und Tänzer, die Ausstattung, die lustvolle Geschichte!", schwärmte die Ex-Ballettdirektorin, die dieses Ballett auch in Brno und Havanna auf die Bühne brachte.
DDR-Bürokraten verhinderten, dass sie einer Einladung von Maurice Bèjart, die er während des Gastspiels des Balletts des XX. Jahrhunderts 1965 im Opernhaus ausgesprochen hatte, nach Brüssel folgten konnte. "Dabei wäre ich doch wiedergekommen, denn ich hätte doch meinen Mann nicht allein gelassen", sagte sie wehmütig. Die Karriere von Johannes Richter (1916-1993), einem begnadeten Tänzer und zudem Maler, mit dem sie seit 1939 verheiratet war, hatte der Krieg zerstört. Ende der 30er Jahre an die Lindenoper Berlin engagiert, musste er an die Front und arbeitete nach Entlassung aus der Gefangenschaft an der Seite seiner Frau als Tänzer und Choreograf in Basel, Köln, Weimar und Leipzig. Nie enden wollenden Schmerz empfanden beide über den Verlust ihres Sohnes Thomas , der im Alter von acht Jahren gestorben war.
Die Richters hatten nach Engagements in Basel und Köln einen Vertrag, an die Universität in Indianapolis (USA) zu kommen, um Theorie und Praxis des Balletts zu lehren. Es war Kalter Krieg, plötzlich durften sie nicht in die USA einreisen und die Universität trat schließlich vom Vertrag zurück. Beide waren froh, dass der Generalintendant Karl Kayser ihnen anbot, ans Nationaltheater Weimar zu kommen und folgten ihm später nach Leipzig. Ein Glücksfall - auch wenn der nunmehrige Leipziger Generalintendant zum Leidwesen seiner Ballettdirektorin nur Handlungsballette von ihr forderte.
Unvergessen bleibt ihre Ausbildung und Förderung des Nachwuchses. Die Karrieren von Gisela Wehle, Brigitta Simon, Marina Otto, Monika Lubitz, Norbert Thiel , Siegfried Wende und Hans-Georg Uhlmann sind ohne Emmy Köhler-Richters Fähigkeit, junge Leute zu motivieren, zu fördern und zu fordern, kaum denkbar. Original-Ton: "Allein schon deshalb hat es sich gelohnt, die nicht immer leichte Aufgabe einer Ballettdirektorin auf mich genommen zu haben." Als ein Rückenleiden sie an manchen Bewegungen hinderte, vermittelte ihre Trainingsmeisterin Waltraud Morawietz den Tänzer/-innen die Gedanken und Vorstellungen der Chefin.
Emmy Köhler-Richter war eine liebenswerte, selbstbewusste und ideenreiche Frau, die bis ins hohe Alter geistig und körperlich fit war und mit ihrer Kunst über Jahrzehnte unzähligen Menschen Freude bereitet hat. Sie wurde mit dem Kunstpreis der DDR (1964), mit dem Nationalpreis (1969) der DDR und dem Goethepreis der DDR ausgezeichnet.
Ihre letzte Ruhe fand sie ihrem Wunsch entsprechend auf einer Wiese des Leipziger Südfriedhofes. Dort ist auch ihr Mann bestattet.
Adressen in Leipzig
- 09/1958 - 15.09.2006: Philipp-Reis-Straße 13
- 15.09.2006 - 11.09.2013: Seniorenpark, Sebastian-Bach-Straße 51
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Kunstpreis der Stadt Leipzig
- Ehrenmitglied der Oper Leipzig ab 1993
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Irma Hildebrandt, Getanztes Leben. Die Choreographin Emmy Köhler-Richter, in: Provokationen zum Tee. 18 Leipziger Frauenporträts. München 1998.
- 50 Jahre Leipziger Opernhaus, Theater der Zeit, Leipzig 2010.
- "Tanz" - Europäische Zeitschrift für Tanz, Ballett und Performance. Tanzarchiv Leipzig e. V.
Autor: Rolf Richter, 2014