Kroch, Ella (geborene Baruch) - Leipziger Frauenporträts
Ella Kroch © Steffen Held Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Religion
- Stiftungswesen
- Verfolgte/ Opfer des NS
geboren/ gestorben
16. Juli 1896 (Karlsruhe) - März/ April 1942 (Tötungsanstalt Bernburg)
Zitat
"Dass es Ihnen gelingen möge, meine Vaterstadt Leipzig, in der ich Jahrzehnte gewirkt habe, und mit der ich mich trotz allem bis zu meinem Tode eng verbunden fühle, wieder aufzubauen. Dadurch aber, dass meine Frau den Nazis zum Opfer gefallen ist, bin ich um die Freude meines Lebens beraubt worden und kann den Schmerz auch nicht überwinden, obwohl ich weiß, dass ich mein Schicksal mit Millionen Menschen teilen muss."
(Hans Kroch im August 1946 an den Leipziger Oberbürgermeister Erich Zeigner)
Kurzporträt
Ella Kroch gehörte zum jüdischen Großbürgertum in Leipzig. Nach dem Abschluss eines Medizinstudiums und in der Ehe mit dem Bankier Hans Kroch beschränkte sie sich auf ein Wirken im familiären und gesellschaftlichen Umfeld. Sie und ihr Mann unterstützten großzügig die soziale Fürsorge sowie religiöse und kulturelle Einrichtungen in der Jüdischen Gemeinde.
Herkunftsfamilie
- Vater: Israel (Kwiatkowsky) Baruch (1863-1932)
- Mutter: Babette, geborene Würzburger (1859-1925)
- Geschwister:
- Chana Chaje Johanna (1888-?)
- Seligmann (1890-1942)
- Kurt (1891-?)
- Nanette (1893-1894)
- Moritz (1895-1942)
Biografie
Ella Baruch wurde am 16. Juli 1896 in Karlsruhe geboren und wuchs mit ihren älteren Geschwistern in einem jüdisch-orthodoxen Elternhaus auf. Der Vater, Israel Baruch Kwiatkowsky, war 1887 aus Osteuropa nach Karlsruhe gekommen, um in der Jüdischen Gemeinde das Amt des Kantors und Religionslehrers zu übernehmen. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft amtierte noch Samuel Würzburger, der als kenntnisreicher Kantor und Religionslehrer über ein hohes Ansehen im jüdischen und im gesellschaftlichen Leben der Stadt verfügte. Kwiatkowsky heiratete noch im Jahr seines Zuzugs Würzburgers Tochter Babette. Würzburger, der 1902 starb, prägte die geistige Entwicklung seiner Enkelin Ella wesentlich mit. 1893 hatte das Ehepaar Kwiatkowsky den Familiennamen in Baruch geändert.
Die Eltern ermöglichten ihren Kindern eine höhere Schulbildung. Ella Baruch erwarb das Abitur an einem Realgymnasium und begann - für ein Mädchen dieser Zeit außergewöhnlich - ein Chemiestudium im Wintersemester 1914/1915 an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Im Sommersemester 1916 wechselte sie an die Universität Heidelberg und zum Wintersemester 1916/1917 kam sie nach Leipzig und schrieb sich an der Universität für das Studium der Humanmedizin ein.
In Leipzig lebte ihre Schwester Johanna, die mit dem Kaufmann Jakob Badt verheiratet war. Über ihren Schwager wurde Ella Baruch mit dem Bankier Hans Meier Kroch bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war der 30-Jährige Juniorchef der 1877 von seinem Vater Martin Samuel Kroch gegründeten Privatbank Kroch. Am 16. Mai 1919 schlossen Hans Kroch und Ella Baruch die standesamtliche Ehe. Zwei Tage später fand in der Talmud-Thora-Synagoge in der Keilstraße (der heutigen Gemeindesynagoge) die jüdische Trauung statt.
Ella Kroch setzte das Medizinstudium fort. 1920 wurde die Tochter Ruth geboren. Sie starb im Alter von dreizehn Jahren an einer in dieser Zeit nicht heilbaren Krankheit. 1923 kam der Sohn Ernst auf die Welt. 1925, 1927 und 1929 gebar Ella Kroch die Töchter Ilse, Edith und Hedda Hermine.
Im Sommer 1922 schloss Ella Kroch ihr Studium ab. Eine berufliche Tätigkeit als Ärztin hatte sie aber nicht geplant. Sie übernahm die Aufgabe der Hausfrau und führte für die Familie einen koscheren Haushalt. 1920 bezog das Ehepaar ein Wohnhaus in der Sebastian-Bach-Straße 53. Nach dreizehn Jahren, im Frühjahr 1933, erfolgte ein Umzug in das ebenfalls Hans Kroch gehörende Grundstück Bismarckstraße 22 (heute Ferdinand-Lassalle-Straße). Im Haus wohnte auch Ella Krochs ledige Schwägerin Luise Kroch.
Im Frühjahr 1920 war Ella Krochs Bruder Seligmann Baruch nach Leipzig gekommen, um sein Studium der Zahnmedizin abzuschließen. Als Zahnarzt ließ er sich dann Ende 1921 mit eigener Praxis in Leipzig nieder. Das Ehepaar Kroch liebte Musik und besuchte regelmäßig Opernpremieren. Oft waren auch Künstler in ihrer Villa in der Sebastian-Bach-Straße zu Gast.
Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1926 übernahm Hans Kroch die gesamte geschäftliche Verantwortung. Er wurde alleiniger Inhaber und persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Kroch jun. KG a. A. Inden Jahren 1926-1928 ließ er am Augustusplatz das erste Hochhaus Leipzigs, das auch Firmensitz wurde, errichten. In den Jahren 1929/1930 erfolgte der Bau einer Mietshäuser-Siedlung im Stadtteil Gohlis. Für Gebäude und Wohngebiet wurden die Bezeichnungen Kroch-Haus und Kroch-Siedlung gebräuchlich.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten begann der wirtschaftliche und soziale Druck auf das Bankhaus und die Familie Kroch. Bis zum November-Pogrom 1938 hielt das Unternehmen stand und die Familie blieb in Leipzig. Das Ehepaar Kroch engagierte sich noch stärker in der Jüdischen Gemeinde, spendete großzügig für die Unterstützung bedürftiger Gemeindemitglieder und förderte mehrere jüdische soziale Einrichtungen. Ella Kroch war Mitglied im Israelitischen Kindergarten und im Israelitischen Frauenverein. Sie und ihr Ehemann schlossen sich unmittelbar nach der Gründung 1933 dem Kulturbund Deutscher Juden, der Selbsthilfeorganisation für vom Berufsverbot betroffene jüdische Künstler an.
Am 28. Oktober 1938 wurden in Leipzig etwa 1.600 jüdische Kinder, Frauen und Männer polnischer Staatsangehörigkeit in der sogenannten Polenaktion verhaftet, unter Zurücklassung ihres Hab und Gutes mit Sonderzügen vom Hauptbahnhof an die polnische Grenze gebracht und in den Grenzstreifen getrieben.
Etwa 1.300 Juden konnten in das Polnische Generalkonsulat, Wächterstraße 32, flüchten. Die Jüdische Gemeinde organisierte auf dem Hauptbahnhof einen Hilfsdienst. Das Bankhaus Kroch stellte 10.000 Reichsmark, gestückelt in 5 Markstücke, zur Verfügung. Das Geld wurde an die von der Polizei zu den Zügen gebrachten Juden verteilt. Ella Kroch organisierte die Hilfsaktion im Polnischen Generalkonsulat. Lebensmittel und Decken wurden heran geschafft und verteilt; und im Garten wurden Zelte aufgestellt.
Als am 10. November 1938 auch in Leipzig Synagogen von SA-Männern niedergebrannt, hunderte Geschäftshäuser und Läden jüdischer Inhaber zerstört und geplündert wurden und eine Verhaftungsaktion der Gestapo begann, verhafteten Gestapo-Beamte auch Hans Kroch. Am folgenden Tag brachte ihn die Gestapo mit weiteren 150 Pogrom-Verhafteten aus Leipzig in das Konzentrationslager Buchenwald. Am 2. Dezember 1938 kam er zurück in das Leipziger Polizeigefängnis. Nachdem Hans Kroch eine Verzichtserklärung über sein Unternehmen unterschrieben hatte, wurde er am 7. Januar 1939 aus der Haft entlassen. Während ihr Mann in Buchenwald inhaftiert war, mussten Ella und Luise Kroch ihr Wohnhaus räumen. Sie kamen im Haus des Schwagers bzw. Bruders Curt Kroch, Mozartstraße 17, unter.
Im August 1939 floh Hans Kroch nach Amsterdam. Ella Kroch blieb zurück. Wahrscheinlich war ihr der Reisepass entzogen worden und die Gestapo benutzte sie als Druckmittel. Nachdem am 9. November 1939 Luise Kroch und Lilli Kroch, die Ehefrau von Curt Kroch, verhaftet und in der Untersuchungshaftanstalt II in der Beethovenstraße 2 b inhaftiert worden waren, versuchte Ella Kroch im Februar 1940 ohne Reisepass über die deutsch-niederländische Grenze zu ihrem Mann zu gelangen. Sie wurde verhaftet und am 21. März 1940 nach Leipzig in das Polizeigefängnis gebracht. Am 10. Mai 1940 kam sie in das Konzentrationslager Ravensbrück. Wahrscheinlich im März oder April 1942 wurde Ella Kroch in der Tötungsanstalt Bernburg, die sich in einem abgetrennten Teil der Landes-Heil- und Pflegeanstalt befand, ermordet. Die Lager- Kommandantur des Konzentrationslagers gab als Todesdatum den 12. Mai 1942 und als Todesort Ravensbrück an. Die Staatspolizeistelle Leipzig informierte die Jüdische Gemeinde und teilte mit, dass die Urne in Ravensbrück beigesetzt worden sei.
Als Hans Kroch über die Jüdische Gemeinde vom Tod seiner Frau erfuhr, verließ er Amsterdam und begab sich nach Buenos Aires. Schließlich ließ er sich in Palästina nieder. Er starb 1970 in Jerusalem.
Adressen in Leipzig
- 1916: Auenstraße 24 (heute: Hinrichsenstraße)
- 1921: Sebastian-Bach-Straße 53
- 1933: Bismarckstraße 22 (heute: Ferdinand-Lassalle-Straße)
- 1938: Mozartstraße 17
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Stolperstein zur Erinnerung an Ella Kroch in der Sebastian-Bach-Straße 53 seit 24. Mai 2007
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- http://gedenkbuch.informedia.de/.../
- Kashti-Kroch, Judith: Der Spuk geht vorüber: Autobiographie 1924-1942, Leipzig 1993.
- Bertram, Ellen: Menschen ohne Grabstein. Gedenkbuch für die Leipziger jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 2. erweiterte Auflage, Leipzig 2011, Seite 223.
Autor: Steffen Held, August 2015