Lammert, Luise Charlotte - Leipziger Frauenporträts
Dr. Luise Lammert. Abschiedsfeier im Geophysikalischen Institut der Universität Leipzig am 20. Dezember 1935 (Ausschnitt) © Archiv M. Börngen Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Wissenschaft
geboren/ gestorben
21. September 1887 (Leipzig) - 7. Juni 1946 (Chemnitz)
Zitat
"Dr. Luise Lammert [...] is a woman of delightful personality, brown-haired and brown eyed, with a ready and infectious laugh, and a keen interest in everything."
(Brisbane Courier, 08.12.1928)
Kurzporträt
Luise Lammert zählt zu den ersten akademisch ausgebildeten Meteorologinnen Deutschlands. Fast zwei Jahrzehnte trug sie als Assistentin am einstigen Geophysikalischen Institut der Universität Leipzig zur internationalen Bedeutung dieser Lehr- und Forschungseinrichtung bei.
Herkunftsfamilie
- Vater: Gymnasialprofessor Dr. Ludwig Theodor Edmund Lammert (1847-1921)
Biografie
Luise Lammert wurde am 21. September 1887 in Leipzig als Tochter eines Gymnasialprofessors geboren. Ergänzend zur Schulbildung belegte sie Kurse des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF). Nachdem sie Ostern 1910 die Reifeprüfung an der Petrischule (damals Realgymnasium) bestanden hatte, studierte sie - was für Frauen erst seit wenigen Jahren möglich war - Mathematik, Physik und Chemie in Leipzig und München.
Noch während ihres Studiums, 1916, trat Luise Lammert in das drei Jahre zuvor gegründete, mit dem Norweger Vilhelm Bjerknes (1862-1951) erstrangig besetzte und sich zunächst der Physik der Atmosphäre widmende Geophysikalische Institut der Universität Leipzig ein. Da im Verlaufe des Ersten Weltkrieges immer mehr deutsche Institutsmitarbeiter eingezogen wurden, dürfte ihre Mitwirkung sehr willkommen gewesen sein.
Bereits 1917 erschien unter ihrem Namen ein Beitrag in der Serie "Synoptische Darstellung atmosphärischer Zustände".
Nach Kriegsende - das Geophysikalische Institut stand jetzt (nach Bjerknes' Empfehlung) unter Leitung von Robert Wenger (1886-1922) - bewarb sich Luise Lammert im April 1919 mit der Abhandlung "Der mittlere Zustand der Atmosphäre bei Südföhn" um die philosophische Doktorwürde. Beide Gutachter, Wenger und Otto Wiener (1862-1927), Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Leipzig, beantragten die Bestnote. Über den Gegenstand ihrer Dissertation sprach sie im Oktober 1920 auf der Leipziger Tagung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft. Damit hatte in dieser bereits 37 Jahre bestehenden Gesellschaft erstmals eine Frau einen Vortrag gehalten.
Als Wenger im Jahr 1922 überraschend starb, bekam sie vom Ministerium den Auftrag zur Abhaltung der Vorlesungen und Übungen für die Zeit bis zur Übernahme des Lehrstuhls durch Ludwig Fr. Weickmann (1882-1961) ein Jahr später. Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen Laufbahn war zweifellos ihre von März 1928 bis Juni 1929 währende Forschungsreise nach Australien. Zu deren Durchführung wurde ihr von der International Federation of University Women ein Stipendium verliehen. Diese (im April 2015 in Graduate Women International umbenannte) Organisation war 1919 von der englischen Literaturwissenschaftlerin und ersten Professorin an einer englischen Universität Caroline Spurgeon (1869-1942) und anderen gegründet worden mit dem Ziel, die Bildung von Frauen zu fördern und Akademikerinnen zu vernetzen. Lammerts Stipendium war dank einer großzügigen Spende der australischen Zoologin Georgina Sweet (1875-1946) möglich geworden.
Luise Lammert hatte sich die Aufgabe gestellt, die Bjerknes'sche Frontentheorie auf australische Verhältnisse anzuwenden, was wegen der andersartigen Land-Meer-Verteilung auf der Südhalbkugel eine anspruchsvolle Aufgabe darstellte. Außerdem wollte sie auf dieser Reise Strahlungsmessungen in verschiedenen Teilen von Australien sowie in Ostindien und auf den Seereisen ausführen. Von der australischen Presse wurde die Expedition von Luise Lammert, die "English fluently and correctly" (Brisbane Courier, 08.12.1928) sprach, mit großem Interesse verfolgt.
Erstaunlicherweise dokumentierte Luise Lammert die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer langen Reise erst relativ spät in lediglich zwei kleineren Publikationen: "Strahlungsmessungen und Frontologische Untersuchungen in Australien" (1931) sowie "Frontologische Untersuchungen in Australien" (1932). Vermutlich waren ihre Kräfte durch den Auftrag, an der Spitze einer Gruppe von Institutsmitarbeitern ein Sach- und Namensregister zu den Bänden 26-45 der "Meteorologischen Zeitschrift" anzufertigen, gebunden.
Zum 50. Geburtstag des Institutsdirektors und Lehrstuhlinhabers Weickmann (1932) überreichten ihm die Mitglieder des Geophysikalischen Instituts eine (maschinengeschriebene) Festschrift. Sie enthält neben 14 wissenschaftlichen Beiträgen eine von Luise Lammert verfasste Beschreibung und Geschichte des Geophysikalischen Instituts. Da sie die Einzige war, die fast den gesamten Werdegang des Instituts miterlebt hatte, ist ihre Darstellung heute eine Quelle von hohem Wert.
Mit Beginn des Nationalsozialismus wurde älteren Assistenten eine Kündigung nahegelegt. Luise Lammert arbeitete daraufhin von 1935 bis 1939 als Leiterin der Kurortklimatischen Kreisstelle Nordschwarzwald in Baden-Baden. Danach trat sie in das Reichsamt für Wetterdienst in Berlin ein. Diese Tätigkeit währte jedoch nur kurz; infolge einer Krankheit lebte sie nach einer Mitteilung ihrer Schwester ab 1940 in Chemnitz, wo sie am 7. Juni 1946 verstarb.
Werke
- Zustand der Atmosphäre über Europa am 7., 8. und 9. Juni 1911. Teil A. Karten und graphische Darstellungen; Teil B: Erläuterungen und Tabellen. Veröffentlichung Geophysikalisches Institut, Serie 1, Band 2, Heft 2, 26 Seiten. Leipzig 1917.
- Der mittlere Zustand der Atmosphäre bei Südföhn. Mit 7 Tafeln Veröffentlichung Geophysikalisches Institut, Serie 2, Band 2, Heft 7, Seiten 261-323. Leipzig 1920.
- Robert Wenger. Meteorologische Zeitung, Band 39, Seiten 114-116. Braunschweig 1922.
- Superposition von Sinusschwingungen. = 1. Kapitel in L. Weickmann: Wellen im Luftmeer. Abhandlung Sächsische Akadademie der Wissenschaften Band 39, Heft 2, Seiten 6-11. Leipzig 1924.
- Der abnorm warme Winter 1924/25. Meteorologische Zeitung, Band 43, Seite 480. Braunschweig 1926
- Sach- und Namenregister zu den Bänden XXVI-XLV, 1909-1928 der Meteorologischen Zeitschrift (mit mehreren Mitarbeitern). 304 Seiten Leipzig 1930.
- Strahlungsmessungen und Frontologische Untersuchungen in Australien. Meteorologische Zeitung, Band 48, Seiten 495-497. Braunschweig 1931 (Auszug aus Vortrag auf der Wiener Tagung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, September 1931).
- Frontologische Untersuchungen in Australien. Beitrag Physik freien Atmosphäre, Band 19, Seite 203-219. Leipzig 1932.
Adressen in Leipzig
- 1888, 1892: Weststraße 74 (heute: Friedrich-Ebert-Straße), 1. Etage
- 1896: Hallesche Straße 5, 2.Etage
- 1906: Funkenburgstraße 9, 3. Etage
- 1910: Fechnerstraße 14, 1. Etage
- 1912: Pölitzstraße 10, 3. Etage
- 1920, 1922: Fritzschestraße 12 (heute: Schorlemmerstraße), 1. Etage
- 1932: Pölitzstraße 15, 2. Etage
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Lammertweg im Leipziger Ortsteil Lausen-Grünau (seit 2012)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- UAL (Universitätsarchiv Leipzig), Philologische Fakultät, Promotion 2371
Autor: Dr. Michael Börngen, 2015