Mallachow, Lore - Leipziger Frauenporträts
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Rubrik
- Literatur
- Politik
geboren/ gestorben
4. Oktober 1894 (Leipzig) - 27. September 1973 (Leipzig)
Zitat
"...vielen Frauen (fehlte) der Mut zum Hervortreten an... (die) Öffentlichkeit... Da galt es, das Vertrauen zur eigenen Leistung zu aktivieren... durch das Beispiel von fortschrittlichen Frauen früherer Gesellschaftsordnungen... Gerade in Leipzig hat es eine beträchtliche Anzahl solcher Frauen gegeben."
(Lore Mallachow, 1965)
Kurzporträt
Lore Mallachow, geborene Langhammer, stellte nach 1945 als bekennende Sozialistin und Schriftstellerin vor allem bedeutende historische Frauenpersönlichkeiten erzählerisch dar und brachte so ihren Leserinnen Christiane Vulpius, Bettina von Arnim, Clara Schumann, Louise Otto-Peters, Clara Zetkin und andere nahe.
Herkunftsfamilie
- Vater: Robert Langhammer (10.12.1854, Reichenbach/ Vogtland - 1895, Freiberg/Sachsen) Kaufmann, Tapetenfabrikant, Leipzig-Plagwitz
- Mutter: Susanne Emma Langhammer, geborene Holke (28.12.1858, Leipzig - ?), Literatur- und Musiklehrerin, Tochter des Rauchwarenhändlers Hermann Friedrich Ernst Holke und dessen Ehefrau Henriette Friederike Caroline, geborene Lözius
- Geschwister: keine
Biografie
Eleonore (Lore) Langhammer wuchs in einem bürgerlichen Milieu auf. Nach dem frühen Tod ihres Vaters sicherte die Mutter allein den Lebensunterhalt für sich und die einjährige Tochter. Sie zog nach Weida/ Thüringen und arbeitete als Literatur- und Musiklehrerin. Mehr als 50 Jahre später thematisierte Lore Mallachow mehrfach, "wie schwer es noch um die Jahrhundertwende war, sich als alleinstehende Frau beruflich zu behaupten" und dass sie in dieser Zeit neben ersten künstlerischen "auch die ersten sozialen Eindrücke" empfing. Nach Abschluss der mittleren Reife an einer Höheren Mädchenschule absolvierte Lore eine neu eingeführte Ausbildung als "Technische Assistentin" und wirkte in diesem Beruf 1913 bis 1921. Ihr war es neben dem praktischen Broterwerb immer wichtig, sich literarisch zu bilden und ihre künstlerisch-schriftstellerischen Neigungen zu pflegen. Für Abitur und Germanistikstudium fehlten ihr jedoch die finanziellen Mittel. Immerhin hörte sie zeitweise neben ihrer Arbeit Vorlesungen an der 1911 von Henriette Goldschmidt in Leipzig gegründeten Hochschule für Frauen.
Das Kaliwerk Schlettau, die Städtische Gasanstalt in Halle/Saale und die Landwirtschaftliche Versuchsstation in Leipzig waren Arbeitsstellen, wo sie das entbehrungsreiche Leben werktätiger Frauen kennenlernte. 1918 beteiligte sie sich in Halle/Saale an Diskussionen und Frauendemonstrationen für den Achtstundentag sowie für gleiche Entlohnung von Frau und Mann. Sie gehörte 1919 zur ersten Generation von Frauen, die sich an politischen Wahlen beteiligen durften. Über ihr Berufsfeld "Technische Assistentin" veröffentlichte sie Fachartikel. Politisch blieb sie noch unorganisiert, obwohl ihre Mutter sie zum Lesen der von Clara Zetkin redigierten proletarischen Frauenzeitung "Die Gleichheit" angeregt hatte.
Nach der Heirat 1921 mit dem Juristen und Steuerexperten Dr. Rudolf Mallachow (07.03.1890 Posen - 12.11.1955 Hannover) zog sie mit ihm in dessen Einsatzorte im damaligen preußischen Teil Schlesiens, wo Sohn Manfred am 22.10.1922 in Gleiwitz und Tochter Sigune am 02.03.1928 in Oppeln (07.10.2015 in Leipzig) geboren wurden. 1927 wirkte sie im Vorstand des Oppelner Musikvereins mit. Einschneidend änderte sich die Lebenssituation der Familie in der NS-Zeit. Wegen jüdischer Vorfahren erhielt ihr Mann, mittlerweile Regierungsrat beim Landesfinanzamt Leipzig, Berufsverbot und konnte nur zeitweise als privater Steuerberater etwas verdienen, während sie selbst keine berufliche Tätigkeit ausüben durfte. Das "heimliche" Schreiben ohne Chance auf Publikation wurde für sie zur Überlebenshilfe. Beim großen Bombenangriff auf Leipzig am 03./04.12.1943 brannte ihre Wohnung aus; der zur Luftwaffe eingezogene Sohn fiel im Juni 1944.
Mit diesem Erfahrungshintergrund engagierte sich Lore Mallachow 1945 für einen antifaschistischen Neuanfang, wurde Mitglied der SPD und in Leipzig Mitbegründerin des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD). Sie konnte nun auch als Schriftstellerin und Publizistin arbeiten, nachdem Gedichte von ihr - ein Romanmanuskript war beim Bombenangriff verbrannt - Zuspruch beim Leipziger Kulturamt fanden. Sie wurde Mitglied der "Gewerkschaft 17 für Kunst und Kultur", einem Vorläufer der Leipziger Organisation des Schriftstellerverbandes. Mit ihren Frauenporträts aus der deutschen Kultur-, Wissenschafts- und politischen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts (unter anderem Neuberin, Gottschedin, Bettina von Arnim, Annette von Droste-Hülshoff, Louise Otto-Peters, Clara Schumann, Amalie Dietrich, Clara Zetkin) wollte Lore Mallachow Frauen motivieren, die eigene Leistungsfähigkeit zu erkennen und zu nutzen. Die von ihr vorgestellten Lebensgeschichten hatten Vorbildfunktion, vermittelten kulturelle Bildung und sorgten für Lebensmut in der Nachkriegszeit. Die 1948 erschienene Erzählung über Annette von Droste-Hülshoff "Der Tod der Dichterin" bildete den Auftakt. Der Christiane-Vulpius-Roman "Du bist mir nah" (1957) wurde ihr größter literarischer Erfolg.
Ihre freiberufliche Arbeit umfasste auch Lehrtätigkeit an der Henriette-Goldschmidt-Schule und in Weiterbildungsveranstaltungen für Buchhändler/-innen und Bibliothekar/-innen.
Die Breite ihrer literarischen Arbeiten reichte von Hörszenen für den Rundfunk, über Romane, Erzählungen, Kantatentexte, Artikel in Fachzeitschriften, Jahrbüchern, viele Zeitungsartikeln bis zur Herausgeberinnentätigkeit. 1950 schrieb sie einen Beitrag im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zum 55. Todestag von Louise Otto-Peters, 1963 eine Miszelle zu deren literarischem Werk. 1973 erschien trotz langjähriger politischer Querelen, da die Verantwortlichen darin ein zu positives Preußenbild vermuteten, ihr Buch über die Gebrüder Grimm.
Lore Mallachow war 1961 bis 1965 Leipziger Stadtverordnete, im Vorstand des Schriftstellerverbandes Bezirk Leipzig, Mitglied der "Ständigen Kommission Kultur" und des "Aktiv Buch- und Bibliothekswesen" sowie Leiterin eines Zirkels "Schreibender Arbeiterinnen" des VEB Leipziger Wollkämmerei. Als Auftragswerk der Stadt Leipzig schuf sie mit einem Komponistenkollektiv des Pädagogischen Institutes ein Clara-Zetkin-Poem. Sie förderte die Veröffentlichung von Werken Bettina von Arnims in DDR-Verlagen sowie das "Bettina von Arnim-Heim" Wiepersdorf als "Erholungs- und Arbeitsstätte für Kulturschaffende" und wurde mit staatlichen Preisen geehrt: 1969 Vaterländischer Verdienstorden in Bronze, 1959/1963 Clara-Zetkin-Medaille, 1967 Staatspreis für künstlerisches Volksschaffen I. Klasse, 1970 Schillerpreis. Eine enge Freundschaft verband sie mit dem sowjetischen Schriftsteller Konstantin Fedin.
Die seit 1952 geschiedene Lore Mallachow wurde während ihrer schweren Krankheit von Tochter Sigune gepflegt, die nach ihrem Tod 1973 auch für die Bewahrung ihres Werks sorgte.
Werke
Werke
- Clara Zetkin. Ein musikalisches Poem. Der Stadt Leipzig zur 800-Jahr-Feier gewidmet.
Text: Lore Mallachow, Musik: Kollektiv der Musikerzieher des Pädagogischen Institutes Leipzig - Gerhard Walther, Bernhard Lenk, Margit Raschke, Werner Raschke, Irmgard Paul (Uraufführung zum 55. Internationalen Frauentag am 8.03.1965 in der Kongreßhalle Leipzig). - Der Staudamm. Kantate, Text: Lore Mallachow, 1967.
- Des Volkes Kraft. Kantate zum 20. Jahrestag der DDR (Text: Lore Mallachow), 1969.
Bücher
- Bettina, Berlin 1952 (Reihe Berlinische Miniaturen), [über Bettina von Arnim].
- Clara Zetkin. Ihr Leben in Bildern, Leipzig 1960.
- Du bist mir nah. Roman, Halle/ Saale 1957 (über 100 000 Exemplare in mindestens 7 Auflagen bis 1963) [über Christiane Vulpius].
- Im Morgenlicht, Halle/ Saale 1958 [12 bedeutende Frauengestalten des 18. und 19. Jahrhunderts].
- Der Vorhang öffnet sich: Eine Erzählung über Albert Lortzing, Berlin 1962 (6 Auflagen bis 1972).
- Es war einmal. Aus dem Leben der Gebrüder Grimm, Berlin 1973 (4 Auflagen bis 1985).
Herausgeberin/ Koautorin
- Annette von Droste-Hülshoff: Auswahl aus ihrem Werk und aus dem Lebensbild von Levin Schücking, ausgewählt und eingeleitet von Lore Mallachow, Leipzig 1953 (3 Auflagen bis 1956).
- Bettina: ein Lesebuch für unsere Zeit. Bettina von Arnim, herausgegeben von Gerda Berger, Lore Mallachow und Gertrud Meyer-Hepner, Weimar 1953 (später Verlagsort Berlin, bis 1967 6 Auflagen).
- Bettina-von-Arnim-Heim, ehemals Schloß Wiepersdorf: Arbeits- und Erholungsstätte für Kultur- und andere Geistesschaffende von Lore Mallachow und Joachim Fait, Berlin 1968.
- Die Frau. Kleine Enzyklopädie, herausgegeben von Irene Uhlmann unter Mitarbeit von Lore Mallachow, Leipzig 1961 (bis 1974 10 Auflagen).
Beiträge in Anthologien, Zeitschriften- und Zeitungsartikel (Auswahl)
- Der Tod der Dichterin: Zur Erinnerung an den Todestag Annettes von Droste-Hülshoff am 24. Mai 1848, in: Deutsche Rundschau 1948, Nummer 5, Seite 148-159.
- Bettina von Arnim, Dichterin - Verlegerin - fortschrittliche Frau, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Leipzig, 1950, Nummer 15, Seite 163-164.
- Von den "Vernünftigen 'Tadlerinnen" zur "Frau von heute". Frauenzeitschriften spiegelten die gesellschaftlichen Wandlungen, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Leipzig, 1951, Seite 108
- "Wie die Natur im März, so ist die jetzige Zeit..." [über Louise Otto-Peters], in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Leipzig, 1953, Nummer 10, Seite 175
- Die Neuberin, in: Von Jahr zu Jahr. Das Jahrbuch für die Frau 1955, Leipzig 1954, Seite 68-70.
- Der Leipziger Buchhändler Robert Blum gründete 1840 das erste Schillerkomitee. Die vormärzlichen Schillerfeiern in Leipzig, ein Stück bester buchhändlerischer Tradition, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Leipzig 1955, Nummer 17, Seite 313
- Man schrieb das Jahr 1806, in: Von Jahr zu Jahr. Das Jahrbuch für die Frau 1957, Leipzig 1956, Seite 76-78 [Episode über Christiane Vulpius und Goethe].
- Vorkämpferin für die Rechte der Frau. Louise Otto-Peters zum 65. Todestag am 13. März, in: Leipziger Volkszeitung (LVZ) 1960, Nummer 73, 13.3.1960, Seite 13.
- Weshalb das Schiff nicht abfahren konnte, in: Wochenpost Nummer 47, vom 19.11.1960, Seite 7 [Liebesgeschichte, angeregt durch Reisebeobachtung in Leningrad].
- Biographische Erläuterungen zu dem literarischen Werk von Louise Otto-Peters, in: Weimarer Beiträge, Zeitschrift für Literaturgeschichte, Jahrgang 1963, Seite 150-155.
- Liebe Bücherfreunde! in: Urania-Universum. Technik, Kultur, Sport, Unterhaltung, Leipzig, Jena, Berlin 1964, Seite 237-239.
- Wir wollen wachsam sein..., in: Treffpunkt Leipzig, herausgegeben vom Deutschen Kulturbund und der Presse- und Kongreßstelle beim Rat der Stadt Leipzig, Heft 6, 1965, Seite 5
Adressen in Leipzig
- 1894-1896 Elisabeth-Allee 25, 2. Etage, (heute: Erich-Zeigner-Allee), danach Umzug nach Thüringen
- 1929-1934 Brandstraße 39, Parterre
- 1935-1943 Fichtestraße 40, danach zeitweise wohnungslos nach Bombenangriff
- 1947-1973 Kurt-Eisner-Straße 28, Parterre (laut Adressbuch 1947/48 nachgewiesen, möglicherweise schon eher)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Kunstpreis der Stadt Leipzig 1962
- regelmäßige Würdigung in der Leipziger Presse zu runden Geburtstagen
- Herbst 1994: Ausstellung anlässlich des 100. Geburtstages in den Städtischen Bibliotheken Leipzig, kuratiert von Ulrich Kiehl
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Leipziger Städtische Bibliotheken, Literaturarchiv, Nachlass Lore Mallachow.
- Quandt, Karl-Udo: Kunstpreisträger der Stadt Leipzig 1962. Auf dem Gebiet der Literatur: Lore Mallachow, in: Treffpunkt Leipzig, herausgegeben vom Deutschen Kulturbund und der Presse und Kongreßstelle beim Rat der Stadt Leipzig, Heft 14/ 1962, Seite 4
- Kiehl, Ulrich: Die Literatur im Bezirk Leipzig 1945-1990. Eine Bibliographie der Bücher und Zeitschriften, Wiesbaden 2002 (Bibliographien: Buch Bibliothek Literatur, Band 4), Seite 391-394.
- Richter, Helmut: Der Optimismus eines tiefen Lebens. Zum 75. Geburtstag von Lore Mallachow, in: LVZ, 1969, Beilage vom 27.9.1969, Seite 4.
- Wir erinnern: Lore Mallachow, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Leipzig 1974 Nummer 27 vom 2.07.1974, Seite 493.
- Mallachow, Rudolf: Fest-Schrift und Vortragsfolge zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Musik-Vereins Oppeln 1877-1927, Oppeln 1927.
Autor: Dr. Heiner Thurm, 2019