Mara, Elisabeth (geborene Schmeling) - Leipziger Frauenporträts
Madam Mara als Armida © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
geboren/ gestorben
23. Februar 1749 (Kassel) - 20. Januar 1833 (Reval, heute Tallinn)
Zitat
"Kauf- und Handelsleute, Studenten, Ladendiener, Schreiber, Duncen, Rauchhändler und Federhüter umschwärmen sie wie die Bienen."
(Aus einem Brief von Carl Matthäi, 1765-1768 Student in Leipzig)
Kurzporträt
Elisabeth Mara war die erste deutsche Opernsängerin von Weltrang, dazu klug und belesen. Sie hatte einen Stimmumfang von fast drei Oktaven und ging in die Geschichte ein als die "erste und größte deutsche Künstlerin, welche, nach italienischem Muster geschult, siegreich aus dem Wettkampf mit ihren schwarzaugigen Rivalinnen hervorging." (Arnold Niggli)
Herkunftsfamilie
- Vater: Johann Schmeling (Sohn des Schneiders Hans Kaspar Schmeling), Stadtmusiker in Kassel
- Mutter: Ottilia Ellerbaum (Tochter eines Kasseler Leinewebers, gestorben 1764)
- neun Geschwister
Biografie
Der Vater hatte früh die Musikalität Elisabeths erkannt und bildete sie zum "Wunderkind" auf der Violine aus. Im Jahr 1755 ging er mit der Sechsjährigen auf Konzertreise: Frankfurt am Main, dann rheinabwärts, später Flandern, Holland, ab 1759 England. Zehn Jahre dauerte diese Reise, während der die junge, überall bewunderte und gefeierte Virtuosin die Violine niederlegte und ihre glockenhelle Stimme ausbildete; kurzzeitig hatte sie Unterricht bei Pietro Paradisi, doch blieb sie vorwiegend Autodidaktin. Gleichzeitig lernte sie bei dem Portugiesen Rodrigo das Gitarrespiel, um sich selbst begleiten zu können. Die Stimmbildung bei Paradisi war die einzige Schule, ansonsten verhalfen ihr außerordentliche Disziplin und unablässiger Eifer zu ihrer bewunderten Kunst. Die Nachricht vom Tod der Mutter, die mit neun Kindern in Kassel zurückgelassen, in erbärmlichen Verhältnissen gelebt hatte, erreichte sie 1864 und veranlasste sie zur Rückkehr.
Als im Jahr 1767 die 18-jährige Sängerin auf Empfehlung Johann Adam Hillers für das Leipziger "Große Concert" engagiert wurde, war das der erste feste Vertrag für die junge Sopranistin. Sie wurde von der Direktion als Erste Konzertsängerin sofort mit einem Jahresgehalt von 600 Reichstalern ausgestattet und die Summe nach kurzer Zeit auf das Doppelte erhöht. Zu dieser Zeit sang Corona Schröter schon die dritte Saison für jährlich 400 Reichstaler in Leipzig. (Zum Vergleich: Christian Fürchtegott Gellert war 1751 mit einem Jahresgehalt von 100 Reichstalern als außerordentlicher Professor an die Leipziger Universität berufen worden.)
Zeitgenossen rühmten die glanzvolle Stimme der Schmeling als einzigartig; mit strahlender Klarheit soll sie mühelos das dreigestrichene F erreicht haben. Im Wettstreit mit der Schröter um die Gunst des Publikums war sie die Siegerin. Es hatten sich in Leipzig zwei Kunstparteien gebildet, die mit Versen, Witzen und Klatschgeschichten die eine beziehungsweise die andere Sängerin bedachten. Ohne diese beiden Sängerinnen wäre Hiller wohl nicht in der Lage gewesen, große Opern und Oratorien des von ihm bewunderten Hasse in Originalbesetzung zur Aufführung zu bringen. Beide Frauen sangen gemeinsam bei konzertanten Aufführungen von beispielsweise "Romolo ed Ersilia" und "L'asilo d'amore". In der Karwoche 1767 und noch einmal im Dezember des gleichen Jahres fand die aufsehenerregende Aufführung von Hasses "Santa Elena al calvario" statt, in der Corona Schröter die Helena und Elisabeth Schmeling die Eustasia sangen. Ganz Leipzig war begeistert. Von den Leipziger Studenten wurden beide enthusiastisch gefeiert. Goethe, von 1765 bis 1768 Student in Leipzig und lebenslanger Verehrer von Corona Schröter wie auch von Elisabeth Schmeling, berichtete noch im Alter davon, wie er der Schmeling "als ein erregbares Studentchen wütend applaudirt" habe. Das Land ihrer Träume jedoch war Italien. Am 4. März 1771 gab sie ihr triumphales Abschiedskonzert in Leipzig. Ende März 1771 verließ Elisabeth Schmeling mit ihrem Vater Leipzig in Richtung Italien, aber vorher gab sie ein Gastspiel am Hof Friedrichs des Großen, was alle ihre Pläne änderte. Der Preußenkönig überzeugte sie davon, dass sie es keinesfalls nötig hätte, ihre Stimme in Italien zu bilden. Er bot ihr 3.000 Taler Jahresgehalt, wenn sie als seine Primadonna an seiner Oper bliebe - obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt sicher war, dass das Wiehern seiner Pferde ihm lieber sei als der Gesang einer Deutschen.
Neun Jahre blieb sie die unumstrittene Primadonna am Preußischen Hofe. 1780 floh sie regelrecht gemeinsam mit ihrem Ehemann Mara aus Preußen, wo der König sie festgehalten hatte. Danach sang sie in Paris, Turin, Venedig und immer wieder in London. In allen Konzertsälen, auf allen Opernbühnen wurde sie gefeiert. 1778 kam sie nochmals nach Leipzig und gab gefeierte Extrakonzerte. Auch 1803 konnten die Leipziger in zwei Extrakonzerten abermals ihre Stimme hören. Und wieder lag ihr, der schon 54-Jährigen, das Leipziger Publikum zu Füßen.
In Frankreich erhielt sie von Marie Antoinette den Titel "Première Chanteuse de la Reine". 1784 ließen sich die Maras in London nieder, wo die Primadonna bei den Händel-Festspielen 1784/85 triumphierte und ihren Namen als größte Händel-Sängerin Englands begründete. 1802 verließ sie London und ging nach Moskau, wo sie 1812 beim großen Brand der Stadt ihr Vermögen und alle Habe verlor. Verarmt zog sie nach Reval (das heutige Tallinn, die Hauptstadt von Estland). Ihre beiden letzten Konzerte sang sie 1819/20 in London und in ihrer Heimatstadt Kassel. Obwohl ihre Zeit vorüber war, erwiesen sich die Koloraturen der 71-Jährigen noch als vollkommen; der in ganz Europa berühmte "Mara-Triller" war noch makellos. Sie zog sich 1822 endgültig nach Reval zurück, wo sie am 8. Januar 1833 starb.
So viel Erfüllung ihr auf der Bühne auch beschieden war, mit Männern hatte Elisabeth Schmeling wenig Glück. Nachdem sie vielen Anträgen widerstanden hatte, wohl wissend, dass eine bürgerliche Ehe sie von der Bühne verbannen würde, heiratete sie 1773 den Cellisten und Komponisten Johann Baptist Mara, einen - wie sich herausstellte - Spieler, jähzornigen Trunkenbold und rücksichtslosen Nutznießer ihrer Erfolge. Obwohl die Ehe schwierig war, er nicht nur ihr Geld verjubelte und sie oft in schwierige Situationen brachte, sondern auch die Schuld am Zerwürfnis mit ihrem Vater trug, hielt sie lange zu ihm. In ihren Erinnerungen ist sie darauf bedacht, ihn nicht zu verunglimpfen. Mit ihm lebte sie von 1774 bis 1780 in Berlin-Charlottenburg. Zwei furchtbare Kindbettzeiten nach Totgeburten in dieser Zeit erwähnt sie in ihren Erinnerungen nicht. 1795 trennte sie sich endlich von ihm, ihn allerdings weiterhin finanziell unterstützend. Mara ging nach Holland, wo er sich endgültig dem Trunk ergab und völlig verarmt 1808 als 64-Jähriger starb.
Mitte der 1790er-Jahre schien der 45-jährigen Sängerin ein neues Glück beschieden zu sein. Sie hatte den Flötisten C. H. Florio kennen gelernt, mit dem sie 1786 in London in einer Serie von zwölf Subskriptionskonzerten im Pantheon auftrat. Seit 1794 schien die Verbindung mit dem mehr als 20 Jahre jüngeren Musiker bestanden zu haben. Florios Duett "All I wish in her obtaining" (1794), in dem die Mara sang, ist die früheste Komposition, die ihre beiden Namen zusammenbringt. Sie sang auch noch andere Werke von Florio. Die ausgedehnte Konzertreise durch Europa ab 1802, zuerst nach Paris, dann durch Deutschland, unternahmen sie gemeinsam. Gemeinsam traten sie 1803 in Leipzig auf, wo die Sängerin auch Musik von Florio zu Gehör brachte, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Im Spätsommer 1803 ließen sich beide gemeinsam in Russland nieder; 1815 trennten sie sich. Florio blieb in Sankt Petersburg.
Werke
Von Gertrud Elisabeth Mara scheinen Kompositionen zu existieren. "Say can you deny me" heißt ein 1994 in den USA erschienener Katalog der Werke von Komponistinnen des 16. bis 18. Jahrhunderts, die in Bibliotheken und privaten - der Öffentlichkeit meist nicht zugänglichen - Sammlungen Europas und Nordamerikas erhalten geblieben sind. Der Katalogtitel ist der Textanfang eines Liedes von Gertrud Elisabeth Mara.
Adressen in Leipzig
Konnten bisher noch nicht ermittelt werden; Hiller schrieb in seinen Erinnerungen, er habe sie in sein Haus aufgenommen (Petersstraße 57), wo sie vier Jahre lebte, was Elisabeth Schmeling allerdings in ihren Erinnerungen dementierte.
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- zwei Briefe und Porträts im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Elisabeth Mara. In: Brockhaus Conversations-Lexikon, Band 3. Amsterdam 1809, Seiten 59-62.
- Joseph Kürschner: Mara, Gertrud Elisabeth. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 20. Leipzig 1884, Seiten 286-289.
- Hans-Peter Müller: Schaut her, ich bin's... Erinnerungen berühmter Sänger. Berlin 1985, Seiten 13-34.
- Rosa Kaulitz-Niedeck: Die Mara. Berlin 2012.
- Oskar Anwand: Die Primadonna Friedrichs des Großen. Berlin 2012.
- Horts Breitbart: Vom Wunderkind zur großen Sängerin. In: Mein Heimatland, Dezember 1975. Heimatgeschichtliche Beilage der Hersfelder Zeitung.
- Monika Steegmann, Eva Rieger (Herausgeberinnen): Göttliche Stimmen - Lebensberichte berühmter Sängerinnen. Von Elisabeth Mara bis Maria Callas. Frankfurt am Main 2002.
- Doris Mundus: Erinnerung an Elisabeth Mara. In: Gewandhausmagazin Nummer 42, 2004, Seiten 37-39.
Autorin: Doris Mundus, 2015