Meiner, Annemarie Dr. - Leipziger Frauenporträts
- © Ursula Assmus, um 1970. Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, Historisches Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Signatur: HA/BV 1: Meiner. Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Literatur
- Wissenschaft
- Bildung/ Pädagogik
geboren/ gestorben
27. Juli 1895 (Leipzig) - 26. Juni 1985 (München)
Zitat
"In Leipzig, der Metropole des Buchhandels geboren, ... wuchs sie frühzeitig in die Welt des Buches hinein." (Adalbert Brauer zu ihrem 80. Geburtstag)
Kurzporträt
Annemarie Meiner war die erste Frau, in Deutschland, die auf dem Gebiet der Buch- und Verlagsgeschichte wissenschaftlich arbeitete. Darüber hinaus war sie Verlegerin und in der Buchhändler-Ausbildung tätig.
Herkunftsfamilie
- Vater: Arthur Meiner (1865-1952), Verleger, Sohn des Kaufmanns Emil Meiner und Bruder des Verlegers Felix Meiner (1883-1965)
- Mutter: Hertha Meiner, geborene Meißner (1875-1964), Tochter des Kaufmanns Max Meißner;
- Geschwister: Wolfgang Meiner (1897-1977), Verleger; Helmut Meiner (1901-1980) Landwirt bei Bad Hersfeld
Biografie
Annemarie Meiner wurde 1895 als erstes Kind des Leipziger Verlegers Arthur Meiner geboren, der fünf Jahre zuvor den Verlag Johann Ambrosius Barth erworben hatte. Meiner entwickelte sich in jenen Jahren zu einer herausragenden Verlegerpersönlichkeit. Sein Verlag gehörte mit 30 Nobelpreisträgern unter den Autoren zu den führenden auf dem Gebiet der Medizin und der Naturwissenschaften. Meiner war auch Vorsteher des Börsenvereins deutscher Buchhändler und Mitbegründer der Deutschen Bücherei. Das alles blieb nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung seiner Tochter. Leider zeigte der Vater wenig Verständnis für ihre wissenschaftlichen Ambitionen. Nach dem Abitur 1915 musste sie zunächst im großbürgerlichen Haushalt der Familie tätig sein, um sich auf die zugedachte Rolle als Ehefrau vorzubereiten. "Ihr Vater mißtraute der Begabung der Tochter für diesen Beruf. Sie hat sich den Weg erkämpft ...", schrieb Arnold Fratzscher, der vor 1945 als Verlagslektor in Leipzig lebte und die Meiners kannte. Erst im Wintersemester 1916/17 durfte sich Annemarie Meiner an der Leipziger Universität einschreiben. Sie wählte Geschichte, Geographie und Germanistik und wurde 1922 mit einer hochgelobten Arbeit über das deutsche Signet bei Walter Goetz in Leipzig promoviert. Ihre wissenschaftlich-methodische Arbeit bildete die Grundlage der deutschen Signet-Forschung. An der Universität Leipzig lernte sie den Verlagsbuchhändler Carl Rudolph Voigt (1897-1964) kennen, den sie am 3. April 1922 heiratete. 1926 wurde die kinderlose Ehe geschieden. Bereits 1925 war sie nach München gezogen, wo sie bis zu ihrem Lebensende wohnen blieb. 1931 nahm sie ihren Mädchennamen wieder an.
In Leipzig hielt sie sich weiterhin häufig auf, wovon ihre zahlreichen Arbeiten über die lokale Verlagsszene zeugen. Anton Kippenberg vom Insel-Verlag war für sie ein verständnisvoller väterlicher Freund. Mehr als 250 Veröffentlichungen zu buchwissenschaftlichen Themen zeugen von ihrem Fleiß. "Es ist aber nicht so sehr die Menge des Geleisteten, die unsere Bewunderung erregt, sondern weitaus mehr das hohe Niveau auch der kleinsten Arbeit", schrieb Fratzscher. Aufgrund dieser wissenschaftlichen Interessen wurde sie Mitbegründerin der Historischen Kommission des deutschen Buchhandels.
Ihrer Zeit weit voraus war sie mit vier Veröffentlichungen über Frauen im Buchgewerbe und in der Bibliophilie. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit bemühte sie sich um die Weiterbildung der Buchhändler. Nach 1945 bildete sie den buchhändlerischen Nachwuchs mit aus und saß in Prüfungskommissionen. Ähnlich wie ihr Vater engagierte sie sich in Ehrenämtern des Buchhandels. Sie redigierte fünf Jahre lang die Beilage "Der junge Buchhandel" des Frankfurter Börsenblattes.
In der Tradition des Vaters stand sie auch, als sie 1949 in München den MGN-Verlag für Medizin, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften gründete, der jedoch bald wieder erlosch. Stattdessen etablierte sie noch im gleichen Jahr einen namensgleichen Parallelverlag des Leipziger Unternehmens J. A. Barth in München. Ihre Verlagsbücher waren oft Übernahmen aus Leipzig. Wie ihre Geschwister war Annemarie Meiner seit 1927 Kommanditistin des Leipziger Stammhauses. Ihr Bruder Wolfgang, vom Vater als Nachfolger vorgesehen, war nach einer Mitarbeit im Leipziger Unternehmen später Angestellter und Gesellschafter im Verlag seiner Schwester in München geworden.
Auch nach 1945 kam Annemarie Meiner häufig nach Leipzig. Sie war weiterhin am ostdeutschen Barth-Verlag beteiligt, für den der Vater 1946 wieder eine Lizenz erhalten hatte. Medizinische Literatur wurde dringend gebraucht. Da ihr Bruder Wolfgang ausgeschieden war, gründete der Vater mit ihr und ihrem Bruder Helmut eine neue Kommanditgesellschaft. Aus Leipzig berichtete sie für westliche Zeitschriften über die wiederbelebten Buchmessen. Nach dem Tod ihrer Eltern erteilte sie den Leipziger Geschäftsführern des Barth-Verlages, zunächst Fritz Schubert, später Klaus Wiecke, ihre Vollmacht.
Im Alter von 75 Jahren verkaufte sie 1970 den Münchner Verlag, dessen Rechte an Springer und Hanser übergingen. Annemarie Meiner erhielt für ihre wissenschaftliche Tätigkeit und ihre unermüdliche Arbeit als Förderin des buchhändlerischen Nachwuchses das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Adalbert Brauer schrieb, dass sie mit ihrem Wirken beste Leipziger Tradition verkörpert habe. Sie starb 1985 im Alter von 89 Jahren. Da sie die letzte Gesellschafterin gewesen war, wurde der Leipziger Barth-Verlag zum 01.01.1988 verstaatlicht und an die ostdeutsche Verlagsgruppe Medizin angeschlossen. Nach der Wende wurde er 1991 an Hüthig, 1999 an Georg Thieme verkauft.
Werke
- Die Geschichte des deutschen Signets in Zusammenhang mit der Kulturgeschichte.
Zugleich Univ. Phil. Diss.: Das deutsche Signet. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte. Leipzig 1922. - Johann Ambrosius Barth 1780-1930. Leipzig 1930 (zusammen mit Arthur Meiner).
- Bibliophile Frauen der Vergangenheit. In: Deutsche Erde. 5 (1934), Seite 21-31.
- Die Frau im Druckgewerbe. In: Gutenberg-Jahrbuch. Band 8 (1933), Seite 333-343.
- Jüngerinnen Gutenbergs. In: Neue Deutsche Frauenzeitschrift. 15, Nummer 10 vom 15.10. 1940, Seite 73-75.
- Die Frau im Buchgewerbe. In: Das werck der bücher. Festschrift für Horst Kliemann. Freiburg im Breisgau 1956, Seite 189-200.
Weitere Veröffentlichungen zu J. A. Barth, Brockhaus, Reclam, zum Insel Verlag und weiteren sind in den beiden genannten Bibliographien ihrer Werke im Literaturverzeichnis aufgeführt.
Adressen in Leipzig
- 1895: Bahnhofstraße 9 (Georgiring)/ Felixstraße 4
- 1896-1899: Felixstraße 4
- 1900-1922: Salomonstraße 1
- 1922-1925: Leipzig-Leutzsch, Bahnhofstraße 40 (später Rathenaustraße), Gartenhaus
- Ab 1925: München
- zwischendurch bei den Eltern in Leipzig, Schwägrichenstraße 9
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Bast, Rainer A.: Die Buchhändlerfamilie Meiner. Köln 1997.
- Brauer, Adalbert: Dr. Annemarie Meiner zum 80. Geburtstag. In: Leipziger Neueste Nachrichten (Frankfurt am Main). Jahrgang 22, Nummer 6/7 vom Juni/Juli 1975.
- Fratzscher, Arnold: Annemarie Meiner zum 27. Juli 1970. In: Börsenblatt (Frankfurt), 26, Nummer 59 vom 24.7.1970, Seite 1611-1613 mit Porträt.
- Links, Christoph: Das Schicksal der DDR-Verlage. Berlin 2009.
- Meyer, Kurt: Annemarie Meiner zum 27. Juli 1965. In: Der junge Buchhandel. Jahrgang 18 (1965), Sonder-Nummer 7a, Seite 117-184 mit Bibliographie.
- Ramseger, Georg: In München feiert man Annemarie Meiner. Eine Fete höherer Heiterkeit. In: Börsenblatt Frankfurt 31, Nummer 73 vom 12.9. 1975, Seite 1203.
- Schwarz, Herta: Bibliographie Annemarie Meiner. Ein Versuch. In: Börsenblatt des deutschen Buchhandels. (Frankfurt) Band 21 (1965), Seite 118-122.
- Staub, Hermann: Dr. Annemarie Meiner 1895-1985. Die große alte Dame des deutschen Buchhandels. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. (Frankfurter Ausgabe), Band 162 (1995), Heft 59, Seite 7.
- Ziegler, Edda: Buchfrauen. Göttingen 2014, Seite 142 und folgende
- Teilnachlass Annemarie Meiner im Historischen Archiv des Börsenvereins, jetzt in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig (Deutsches Buch- und Schriftmuseum).
- Unterlagen, Manuskripte, Typoskripte zu eigenen buchhandelsgeschichtlichen und buchwissenschaftlichen Publikationen und Vorträgen.
- Materialien zu ihrer Lehrtätigkeit und zu ihrem ehrenamtlichen Engagement im Börsenverein.
- Korrespondenzen, und andere mit Heinrich F. S. Bachmair, Adalbert Brauer, Hans Brockhaus, Siegfried Buchenau, Curt und Marianne Fleischhack, Martin Giesecke, Paul Heitz, Georg Kurt Schauer.
- Weitere Briefe von Annemarie Meiner befinden sich im Deutschen Literatur-Archiv Marbach.
Autorin: Sabine Knopf, 2019