Moesta, Anna - Leipziger Frauenporträts
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Rubrik
- Medizin
geboren/ gestorben
11. Januar 1867 in Neidendorf (Ostpreußen) - 17. April 1945 in Leipzig
Zitat
"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut." (nach Johann Wolfgang Goethe)
Kurzporträt
Anna Moesta war die erste in Leipzig praktizierende Ärztin mit einer deutschen Approbation und hier 33 Jahre lang in drei politischen Systemen als Frauen- und Kinderärztin tätig.
Herkunftsfamilie
Vater: Georg Friedrich Moesta (1839 - 1907);
Mutter: Christiane Emilie Moesta, geborene Reinbrecht (1842 - 1929);
Geschwister: Georg Paul Moesta (1879 - 1945); Kurt Heinrich Moesta (1883 - 1951).
Biografie
Maria Anna Ottilie Moesta wurde am 11. Januar 1867 als Tochter des Lehrers und Schuldirektors Georg Friedrich Moesta und seiner Frau Christiane im ostpreußischen Neidendorf geboren. Am 7. März 1867 empfing sie die evangelisch-lutherische Taufe.
Im Mai 1883, Anna Moesta war 16 Jahre alt, zog die Familie von Gollnow in Pommern, wo ihr Vater Rektor der Reallehranstalt, der höheren Töchter- und der Vorschule war, nach Dresden. Im selben Jahr wurde ihr Bruder Kurt Heinrich geboren. 1884 eröffnete Georg Friedrich Moesta in Dresden eine Privatschule, die auf das Freiwilligen-, Fähnrich-, Primaner- und Abiturexamen vorbereitete. In Dresden legte Anna Moesta, unterrichtet und vorbereitet von ihrem Vater, das Abitur ab.
1892 immatrikulierte sie sich an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Ein Studium an deutschen Universitäten blieb Frauen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts verwehrt. Das Medizinstudium schloss sie im Herbst 1897 mit dem Staatsexamen ab, und sie erhielt die schweizerische Approbation. Im April 1898 wurde sie an der Züricher Universität mit dem Prädikat "rite" promoviert. In ihrer Dissertationsschrift beschrieb sie krankhafte Aussackungen der Speiseröhre unter dem Titel "Über ein Pulsionsdivertikel des Oesophagus". Die Doktorarbeit wurde von dem Pathologen Hugo Ribbert betreut, der seit 1892 Ordinarius und Direktor des pathologischen Instituts an der Universität Zürich war.
Nach der Doktorprüfung zog Anna Moesta im Mai 1898 nach Barmen, da sie von der Ortskrankenkasse als Kassenärztin angestellt wurde. Als erste Frauenärztin war sie mit einem festen Jahresgehalt ausschließlich für die weiblichen Kassenmitglieder tätig. Zu diesem Zeitpunkt schwelte ein Konflikt zwischen der Ortskrankenkasse und den Kassenärzten; im Juli 1898 begann ein Ärztestreik. Auf Druck des lokalen Ärztevereins kündigte die Ortskrankenkasse den Anstellungsvertrag mit Anna Moesta. Zur Rechtfertigung wurde eine nicht vorhandene deutsche Approbation genannt, obwohl Frauen bis 1899 keine Möglichkeit hatten, diese zu erlangen. Die im Ausland erlangte Approbation wurde als fachlicher Makel stilisiert und so das Ansehen als Ärztin beschädigt. Moesta glaubte noch an ein Einlenken und ließ sich als Frauenärztin mit einer Privatpraxis nieder. Als sich ihre berufliche Situation nicht besserte, entschied sie sich, eine deutsche Approbation zu erwerben. Sie wählte die Philipps Universität Marburg, wo seit 1900 ihr Doktorvater Hugo Ribbert lehrte. Im Januar 1902 absolvierte sie noch einmal Physikum und Staatsexamen.
Anna Moesta ließ sich in Leipzig als Frauenärztin mit einer Privatpraxis nieder. Als sie im Mai 1902 nach Leipzig kam, praktizierte mit Dr. Braina Grünberg, einer in Russland geborenen Jüdin, hier nur eine Frauenärztin. - Dr. Anna Kuhnow, Leipzigs erste niedergelassene approbierte Ärztin ab 1890, die als Frauenärztin praktizierte, war im Jahr 1900 nach Berlin umgezogen, um an der Klinik weiblicher Ärzte für Frauen zu arbeiten. - Braina Grünberg hatte ebenfalls an der Universität Zürich studiert und verfügte über eine schweizerische Approbation. Sie verzog 1906 von Leipzig. Danach praktizierte Moesta für eine längere Zeit als einzige Frauenärztin. (Die erste Frau, die an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig das Staatsexamen ablegte und die sächsische Approbation erhielt, war Elisabeth Föllinger im Jahre 1903. Sie praktizierte anschließend in Karlsruhe.)
Dr. Anna Moesta bemühte sich in Leipzig nicht um eine Tätigkeit als Kassenärztin der Ortskrankenkasse. Als aber 1904 ein Ärztestreik ausbrach und die lokalen Ärztevereine zum Nichtbehandeln der in der Ortskrankenkasse Versicherten aufrief, stellte sie ihre Praxis für die Kassenmitglieder zur Verfügung. Im Leipziger Adressbuch von 1905 ist sie als "praktische Ärztin für Geburtshilfe, Frauen und Kinder" aufgeführt. 1907 wurde Moesta auf Antrag des Leipziger Vereins der Post- und Telegraphenbeamtinnen zur Tätigkeit bei der Postkrankenkasse zugelassen. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges bis zum Frühjahr 1920 arbeitete Moesta als angestellte Ärztin für weibliche Studierende an der Universität Leipzig.
Als im November 1904 in Leipzig ein Bund für Mutterschutz gegründet wurde, schloss sich Moesta ihm an. Auch nach der Neugründung im Februar 1905 in Berlin wurde Moesta wieder Mitglied.
Sie blieb unverheiratet und kinderlos. Moesta besaß eine umfangreiche Bibliothek. Als Buchliebhaberin ließ sie sich von dem Leipziger Grafiker und Hochschullehrer Bruno Héroux ein Ex Libris gestalten. Héroux war auch als anatomischer Zeichner hervorgetreten.
Als Ärztin praktizierte Moesta bis 1935, zuletzt in ihrer Wohnung in der Harkortstraße 15. 1937 zog sie in eine Wohnung in der Ferdinand-Rhode-Straße 20. Dort starb Anna Moesta am 17. April 1945. An diesem Tag rückten US-Militäreinheiten in Leipzig ein.
Werke
- Über ein Pulsionsdivertikel des Oesophagus, Medizinische Dissertation, Universität Zürich, 1897.
Adressen in Leipzig
- 1902 – 1910: Frankfurter Straße 1;
- 1910 – 1935: Harkortstraße 15;
- 1935 – 1937: Arndtstraße 6;
- 1937 – 1945: Ferdinand-Rhode-Straße 20.
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Adressbücher von Leipzig 1902 - 1943.
- Stadtarchiv Dresden, Bestand 2.3.20-0736 Schulamt, Privatschule: Moesta.
- Staatsarchiv Leipzig, Polizeiliche Meldekartei (PP-M 2446); Zweit-Sterbebuch.
- Ziegeler, Beate: Weibliche Ärzte und Krankenkassen. Anfänge ärztlicher Berufstätigkeit von Frauen in Berlin 1893-1945, Weinheim 1993.
- Richter, Pia: Frauen in der Wissenschaft. Die ersten Habilitandinnen an der Leipziger Medizinischen Fakultät (1925-1970), Leipzig 2005.
- https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00205 (Abruf 12/2018).
Autor: Steffen Held, 2018