Oelzner, Ulrike - Leipziger Frauenporträts
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
30. November 1939 (Steinach/Thüringen) - 8. Dezember 2012 (Lichtenfels)
Zitat
"Gleich einem Geheimnis wahrt das Glas sowohl Struktur als auch Gestaltwerdung. Allein dem unmittelbar Tätigen offenbart es sich. Seine gegenstandslose Transparenz, optische Dichte und dynamische Brillanz sind faszinierend verführerisch."
(Ulrike und Thomas Oelzner. In: Medium Glas. Ulrike und Thomas Oelzner. Ausstellung Staatlicher Kunsthandel der DDR, Galerie Theaterpassage, März/April 1982)
Kurzporträt
Ulrike Oelzner, diplomierte Formgestalterin, wandte sich ab 1972 gemeinsam mit Ehemann Thomas Oelzner der Glasgestaltung zu. Beide erwarben sich mit ihren skulpturalen Glasplastiken kosmischer Imaginationen internationales Renommee in der von den USA seit den 1960er Jahren ausgehenden Studioglasbewegung.
Herkunftsfamilie
- Vater: Helmut Luthardt, Verleger und Kaufmann (1905-1939, gestorben in Prag an den Folgen eines Flugzeugabsturzes
- Mutter: Margarethe Luthardt, geborene Ullrich (1911-2005), Handelskauffrau, Lehrerin
- Schwiegervater: Rudolf Oelzner, Bildhauer, Leipzig (1906-1985)
- Ehemann: Thomas Oelzner, Bildhauer, Glaskünstler, ART Fotografie (geboren 1939 in Leipzig)
- eine Tochter
Biografie
Ulrike Oelzner begann ihre künstlerische Laufbahn nach einer Goldschmiedelehre im VEB Edelschmiede Zwickau 1957 zunächst als Goldschmiedin. Sie bevorzugte für ihre Arbeiten die Technik des Schleudergusses. Damit gelang es ihr, den Schmuckstücken eine einmalige, nicht wiederholbare individuelle plastische Gestalt zu geben und sie zu unverwechselbaren Unikaten zu erheben.
Nach dem Studium (1960-1965) an der damaligen Hochschule für Industrielle Formgestaltung Halle - Burg Giebichenstein (Fachrichtungen Schmuck, Metall bei Professor Karl Müller, Email bei Professor Irmtraud Ohme und Skulptur bei Professor Gerhard Lichtenfeld) begründete die diplomierte Formgestalterin gemeinsam mit ihrem Studienkollegen und Ehemann Thomas Oelzner 1965 in Leipzig ein Atelier für Gestaltung. Neben Emailmalereien machten die jungen Künstler besonders mit plastischen Arbeiten für den öffentlichen Raum in damals neuartigen Materialkombinationen wie Beton und Metall auf sich aufmerksam.
Ihr eigentliches Wirkungsfeld fand Ulrike Oelzner gemeinsam mit Thomas Oelzner in der künstlerischen Glasgestaltung. 1972 begann die regelmäßige Arbeit in Thüringer und Lausitzer Glashütten. Die Einarbeitung in die chemischen Prozesse und technischen Abläufe beim Umgang mit der heißen Glasmasse am Ofen bildeten die Basis für die souveräne Beherrschung des Materials. Teamarbeit war für das Künstlerpaar der Schlüssel für den Erfolg.
Die Arbeit mit dem heißen Glas verlangte nicht nur die Kenntnis der dabei ablaufenden chemischen und technischen Prozesse, sondern auch die Fähigkeit, sich dem Rhythmus der industriellen Gegebenheiten in den Hütten anzupassen. Plastiken und Gefäße bildeten die Schwerpunkte der gemeinsamen künstlerischen Arbeit von Ulrike und Thomas Oelzner. Die frei am Ofen geformten Gefäße erlangen durch grafische Strukturen und differenzierte farbige Unterfänge malerische Stimmungswerte.
Ihre großformatigen Glasskulpturen berühren kosmische Dimensionen. Unter bewusster Ausnutzung der einzig dem Glas gegebenen Eigenschaften reflektieren sie die von den Naturwissenschaften zwar längst erschlossenen, unserer alltäglichen Wahrnehmung jedoch nach wie vor weitgehend verborgenen elementaren Abläufe des Werdens, Seins und Vergehens.
Im Bewusstsein der Grenzen des menschlichen Wissens findet die künstlerische Gestaltung des Unsagbaren statt. Die sphärenartig vielfach geschichteten, oft stark farbigen transluziden Glasobjekte faszinieren durch ihr inneres Leuchten. Aus der formalen Reduktion gewinnen die Werke ihre minimalistische Prägnanz. Mit nur dem Künstler eigenen Mitteln verweisen sie unterschwellig auf die Verletzbarkeit unseres Planeten.
Mit ihren Werken leisteten Ulrike und Thomas Oelzner einen unverwechselbaren Beitrag zur internationalen Studioglasbewegung der 1970er und 1980er Jahre. Von der stetig wachsenden internationalen Anerkennung ihrer Arbeiten zeugen die zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen und Einzelausstellungen an vielen Museen und Galerien in der damaligen DDR - von Leipzig über Erfurt, Magdeburg oder Berlin, aber auch im Ausland, so in Prag und Bratislava, in Sofia, Warschau oder Moskau ebenso wie in Lyon, im Musée du Verre von Charleroi, im Nationalmuseum Damaskus, im Glasmuseum Frauenau, im Museum Bellerive in Zürich, in der Galerie J. & L. Lobmeyr in Baden bei Wien, im Stadtmuseum Göttingen, in Kassel oder Frankfurt am Main.
Arbeitsaufenthalte als Artists in Residence im Glasstudio Franzensbad der Firma J. & L. Lobmeyr in Baden bei Wien (1977, 1978, 1979) sprechen ebenso von der internationalen Wertschätzung für die beiden unverwechselbaren Glasgestalter wie auch die Einladungen zum Glasworkshop der internationalen Konferenz des World Craft Council in Wien (1980) oder zum internationalen Glassymposium in Frauenau (1982, 1985, 1988, 1991).
1977 und 1985 beteiligte sich das Künstlerpaar am "Coburger Glaspreis für moderne Glasgestaltung in Europa", der die Elite der zeitgenössischen Glasgestaltung zusammenführte. Für internationale Aufmerksamkeit sorgten ihre Werke ebenfalls auf der damals Aufsehen erregenden Überblicksausstellung "Glaskunst 81" in Kassel.
Ihr Wissen und ihr Können bei der Beherrschung der heißen Glasmasse vor dem Ofen vermittelten Ulrike und Thomas Oelzner unter anderem auch bei der Organisation und Teilnahme am ersten Glasgestaltersymposium der DDR in Lauscha 1980 (ebenso 1983).
Studienreisen führten das Künstlerpaar unter anderem nach Murano und in den Glasfundus der Eremitage im heutigen St. Petersburg.
Die Arbeit im eigenen Glasstudio für kalte Veredelungstechniken (seit 1981) erlaubte es, die künstlerischen Spielräume zu erweitern.
Ihre Werke befinden sich in namhaften öffentlichen Sammlungen Europas und in den USA. In der Stadt ihres Wirkens wurden Ulrike und Thomas Oelzner 1981 mit dem Kunstpreis der Stadt Leipzig geehrt.
Seit 1991 lebte und arbeitete das Künstlerpaar in Schmannewitz bei Leipzig. 2008 fand Ulrike Oelzner gemeinsam mit ihrem Ehemann in Franken eine neue Heimat. Hier entdeckten sie die Fotografie als neues künstlerisches Wirkungsfeld für sich. Bis zu ihrem Tod beteiligte sich Ulrike Oelzner an Ausstellungen des Coburger Kunstvereins. Der lebendige Kontakt zur Öffentlichkeit blieb ihr stets ein persönliches Anliegen. Mit ihrem strahlenden Lachen, ihrer Sensibilität und Stärke vermochte sie ihre Umwelt zu bezaubern und mitzureißen.
Werke
Schmuck, Glasgefäße und -plastiken in namhaften öffentlichen Sammlungen Europas und den USA vertreten unter anderem:
- Angermuseum Erfurt
- Galerie Lobmeyr, Wien
- Glasmuseum Frauenau
- GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig
- Kloster Unser Lieben Frauen, Magdeburg
- Kunstmuseum Düsseldorf
- Kunstsammlungen der Veste Coburg, Coburg
- Kunstsammlungen Chemnitz
- Leigh Yawkey Woodson Art Museum, Wausau, Wisconsin (USA)
- Museum Bellerive, Zürich
- Museum für Angewandte Kunst Frankfurt am Main
- Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
- Museé du Verre, Lüttich
- Museen der Stadt Aschaffenburg, Schloss Johannisburg
- Staatliche Galerie Moritzburg, Halle
- Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kunstgewerbemuseum
- Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
- Staatliches Museum Schwerin
- Städtisches Museum Göttingen
- Württembergisches Landesmuseum Stuttgart
Adressen in Leipzig
- 1965-1991: Wohnung: Roßplatz 3, Leipzig Zentrum
- 1965: Gründung des "Ateliers für Gestaltung" in Leipzig mit Thomas Oelzner
- 1981: Gründung des gemeinsamen Glasstudios am Rosental, Leipzig
- 1991-2008: Wohnung und Atelier: Schmannewitz bei Leipzig
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- 1981 Kunstpreis der Stadt Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Bulletin de l´Association internationale pour l´histoire du verre, Liege, t. VII (1973-1976).
- Ulrike, Thomas und Rudolf Oelzner. Glas, Plastik. Leipzig, 1977.
- Ulrike und Thomas Oelzner. Glas/ Plastik. März-Mai 1977, Museum des Kunsthandwerks Leipzig. Grassimuseum.
- Glaskunst in der DDR. Leipzig 1977.
- Erster Coburger Glaspreis für moderne Glasgestaltung in Europa. 1977.
- Ulrike und Thomas Oelzner. Unterwegs zu fernen Welten. Plastik und Malerei in Glas. Ausstellung bei J. & L. Lobmeyr, Baden bei Wien, 1978.
- George, Magdalena. Glas und Glasgestalt bei Ulrike & Thomas Oelzner. In: Bildende Kunst. Berlin 1/79.
- Glas aus Wien - J. & L. Lobmayr. Vom Biedermeier bis zur Gegenwart (Katalog). Zürich; Museum Bellerive, Frankfurt am Main, Museum für Kunsthandwerk; Göttingen, Städtisches Museum. 1979/80.
- Neues Glas. 1980, Nummer 1.
- Plastik und Malerei in Glas. Ulrike & Thomas Oelzner. (Katalog) Göttingen, Städtisches Museum, Göttingen 1980.
- Bauer, Margrit. Die Oelzners. In: Neues Glas 2/81.
- Glaskunst 81. (Katalog). Kassel, 1981.
- Baumann, Claus. Rudolf Oelzner, Ulrike und Thomas Oelzner, Plastik, Glas, Bronze, Terrakotta, Silber, Zement. Magdeburg, Kloster Unser Lieben Frauen, (Katalog). Magdeburg 1982.
- Hüneke, Andreas. Durchschaubarkeit und Immaterialität. In: Bildende Kunst, Berlin 8/82.
- New Glass Rewiew. Corning, 4/83.
- Kämpfer, Fritz/ Bayer, Klaus G., Kunsthandwerk im Wandel. Berlin 1984.
- Kunst in Leipzig. Malerei, Grafik, Plastik 1949-1984. Museum der bildenden Künste Leipzig, (Katalog). Leipzig 1984.
- Universallexikon. Leipzig 1984.
- Zweiter Coburger Glaspreis für moderne Glasgestaltung in Europa. 1985.
- Hoyer, Eva Maria. Vielsagende Gebilde aus Glas aus einer Leipziger Werkstatt. Zum Schaffen von Ulrike und Thomas Oelzner. In: Leipziger Volkszeitung von 13.08.1986.
- Ulrike und Thomas Oelzner. Arbeiten in Glas. Sonderausstellung vom 01.09. bis 31.12.1989. Museum des Kunsthandwerks Leipzig Grassimuseum (Katalog), 1989.
- Sculptures contemporaines en cristal et en verre d'Europe (1987 - 1989). Liége, 1989
- Ulrike und Thomas Oelzner. Glas. Text: Fritz Kämpfer, Eisenach, Städtisches Museum Göttingen. Göttingen, (Katalog), 1993.
- Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 8, Seite 595 (Abbildung), Leipzig - Mannheim 1997.
- Museum der bildenden Künste Leipzig, Katalog der Bildwerke, Leipzig 1999, Seite 252 und folgende.
Autorin: Dr. Eva Maria Hoyer, 2010