Oppelt, Marianne - Leipziger Frauenporträts
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Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Kunst
geboren/ gestorben
24. November 1898 (Chemnitz) - 31. Dezember 1995 (Leipzig)
Zitat
"Ich habe zum Jammern keinen Grund."
(Marianne Oppelt, Interview von Christiane Agricola anlässlich des 95. Geburtstags der Künstlerin, in: Leipziger Volkszeitung vom 25.11.1993)
Kurzporträt
Marianne Oppelt - Textilentwerferin, Lehrerin, Malerin, Zeichnerin und Grafikerin - zählte zu den Frauen, die als Teilhaberin der Moderne am Beginn des vergangenen Jahrhunderts als Künstlerin in die Berufstätigkeit aufbrachen und dabei exemplarisch Kunst, Kunsthandwerk und Industrie gleichberechtigt miteinander zu verbinden wussten.
Herkunftsfamilie
- Vater: Besitzer einer Fabrik für Naturfarben in Chemnitz, Obstweinkelterei (gestorben 1917), Vorname sowie Lebensdaten nicht bekannt
- Mutter: lebte als Witwe in Chemnitz; Geburtsname und Vorname sowie Lebensdaten nicht bekannt
Biografie
Marianne Oppelt verlebte eine behütete Kindheit in Chemnitz. Ihr Vater führte in der Textilmetropole eine Fabrik für Naturfarben. Die künstlerische Ausbildung der Tochter lag der Familie sehr am Herzen. Bereits nach Abschluss der Mittleren Reife nahm Marianne Oppelt 1915 Privatunterricht bei der Chemnitzer Malerin Rose Friedrich, die ihr nicht nur Grundlagen künstlerischer Gestaltung vermittelte, sondern auch eine übergreifende Bildung und eine gute Portion Selbstbewusstsein für die eigenständige künstlerische Entwicklung mit auf den Weg gab. Als der Vater 1917 verstarb, hinterließ er der 19-jährigen Marianne die damals beachtliche Summe von 3.000 Mark für ein Studium an der Akademie für Kunstgewerbe in Dresden. Sie belegte bei den Professoren Max Feldbauer und Paul Rößler Malerei. Entscheidende Impulse erhielt sie von Margarete Junge, die als erste Professorin an der Dresdner Akademie für Kunstgewerbe überhaupt Mode und künstlerische Handarbeiten lehrte. Als Entwerferin für Kunstgewerbe und Möbel hatte Junge einen wesentlichen Anteil an der Reformbewegung des deutschen Kunstgewerbes zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie lebte ihre Rolle als Künstlerin und als Lehrerin in einer von Männern dominierten Welt auch ihren Schülerinnen vor.
Die Jahrhunderte alte weibliche Domäne der Textilgestaltung - vor allem Weberei, Stickerei und Mode - erleichterte es Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Künstlerinnen in der Berufswelt Fuß zu fassen und Anerkennung zu finden. So war es folgerichtig, dass Marianne Oppelt sofort nach dem Studium 1921 für ein Jahr eine praktische Tätigkeit als Musterzeichnerin und Koloristin in der Textilfabrik Camman & Co. in Chemnitz aufnahm, einer Firma, die sich durch die Produktion moderner Stoffe mit expressiven Art Déco-Mustern einen Namen machte. Mit dem 1925 fertig gestellten neuen Firmengebäude, dem sogenannten "Camman-Hochhaus", leistete das Unternehmen einen markanten Beitrag zur avantgardistischen Industriearchitektur Deutschlands.
1923 legte Marianne Oppelt in Dresden die Prüfung als Zeichenlehrerin ab und erweiterte damit den Radius ihrer beruflichen Tätigkeit. Die vom Geist der Moderne geprägten Entwürfe der jungen Marianne Oppelt blieben nicht unbemerkt. Bereits 1922 wurde sie an die Kunsthandwerkstätten der Höheren Schule für Frauenberufe zu Leipzig als Fachlehrerin für Textilentwurf verpflichtet. Max Schwimmer hob in der Leipziger Volkszeitung vom 13. Mai 1930 die überraschende "technische Sauberkeit und Exaktheit" der in einer Ausstellung im Grassimuseum vorgestellten Arbeiten der Textilfachklasse unter Marianne Oppelt (Abteilung für Weben und Sticken) und Kurt Kölling (Abteilung für Stoffdruck) hervor.
Mit der Überführung der Kunsthandwerkstätten in die am 1. April 1931 neu formierte Kunstgewerbeschule der Stadt Leipzig übernahm Marianne Oppelt dort die Leitung der Werkstatt Weben und Sticken (zunächst in einem Privatdienstvertrag, seit 1937 in Festanstellung). Bei ihren Studenten wie auch innerhalb ihres Kollegenkreises erwarb sie sich als hochgeschätzte Lehrerin und Koryphäe der modernen Textilkunst uneingeschränkte Anerkennung.
Neben ihrer umfangreichen Lehrtätigkeit entstand stets auch eine Vielzahl freier künstlerischer Arbeiten. Ihre Pflanzenstudien, Portraits und Landschaften zeichnen sich durch einen scharfen Blick für die Charakteristika eines Sujets, kraftvolle Linienführung und souveräne Beherrschung der Farbpalette aus.
Unter ihren selbstentworfenen textilen und kunstgewerblichen Arbeiten stechen zwei 1927/29 entstandene, von geometrisch-konstruktiver Abstraktion geprägte großformatige Wandbehänge in Kelimtechnik hervor (heute im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig). Das Grassimuseum bot ihr seit den späten 1920er-Jahren immer wieder Gelegenheit, ihre Arbeiten im Rahmen der Weihnachtsausstellungen des Kunstgewerbevereins oder auf den Großen Leipziger Kunstausstellungen zu präsentieren. 1932 war Marianne Oppelt erstmalig an der Großen Ausstellung der GEDOK im Museum der bildenden Künste Leipzig beteiligt. Als Mitglied der GEDOK, einer Vereinigung, die sich besonders für die öffentliche Anerkennung von Künstlerinnen und für das Bekanntmachen ihrer Werke einsetzte, war sie auch in späteren Jahren mehrfach auf deren Ausstellungen vertreten. 1943 beteiligte sich die Leipziger Kunstgewerbeschule, inzwischen umbenannt in Meisterschule für das gestaltende Handwerk, mit den von Kurt Kölling, Curt Metze und Marianne Oppelt geleiteten Abteilungen Dekorative Malerei sowie Textil und Stoffdruck an einer großangelegten Ausstellung der Städtischen Textil- und Kunstgewerbesammlungen Chemnitz. Wenige Monate darauf brannte die Leipziger Kunstgewerbeschule in der Bombennacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 vollständig aus und wurde nach einer Interimszeit in der Kohlgartenstraße 1944 geschlossen.
Für Marianne Oppelt bedeutete dies zum November 1945 die Entlassung aus dem Schuldienst. Zunächst arbeitete sie freischaffend als Malerin und Grafikerin. 1950 wurde sie Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR. Im Bereich der Textilkunst entstanden 1946/47 unter anderem zwei leider nur noch fotografisch im Nachlass (SLUB) dokumentierte, von asiatischen Motiven inspirierte Applikationen. Ohne ihre freie künstlerische Arbeit je aufzugeben, begann Marianne Oppelt 1947 ihre Tätigkeit für den Universalverlag Leipzig, dem späteren Verlag für die Frau. In über 25 Jahren freier Mitarbeit entwickelte sie unter anderem das damals weithin bekannte Layout der Zeitschrift "Handarbeit" und war sich keineswegs zu schade, ihre Kreativität für zahllose Entwürfe von Strickmodellen und Handarbeiten einzusetzen.
Mit ihren bildkünstlerischen Arbeiten war sie bis an das Ende ihres Lebens immer wieder in Einzel- oder Gruppenausstellungen präsent. Zwischen 1967 und 1970 zeichnete sie mit leichter, treffsicherer Hand in den Konzerten des Leipziger Gewandhauses. Die neue Wertung des textilen Gestaltens und die Wahrnehmung des Wechselspiels von freier und angewandter Kunst trug in jüngster Zeit wesentlich zur verstärkten Anerkennung der künstlerischen Arbeit von Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei.
Marianne Oppelt verstarb 1995 in Leipzig.
Werke
- Textilien, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen und Druckgrafik in Museen und Privatbesitz
- zwei großformatige Kelims, 1927/29, im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig (Inventar-Nummer 84.7 und 84.8)
- weitere Werke im Museum der bildenden Künste Leipzig und in der Galerie Junge Kunst, Frankfurt/ Oder
- schriftlicher und künstlerischer Nachlass seit 1990 in der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) Dresden
Adressen in Leipzig
- Simsonstraße 2, (heute 04107) Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Leipzig. Eine Monatsschrift 6 (1929/30) 12.
- Schwimmer, Max: Kunsthandwerkliche Schülerarbeiten, Leipziger Volkszeitung, 13. Mai 1930.
- Werk und Kunst 2 (1931) 1.
- Alexander Koch's Handarbeiten aller Art 35 (1934/35).
- Neue Linie (1935) 11.
- Hübscher, Anneliese: Marianne Oppelt, Faltblatt zur Ausstellung Kleine Galerie Süd, 12.5. - 12.6.1987.
- Dreißiger, Christa-Maria: Dokumente der Leipziger Künstlerin Marianne Oppelt in der SLB; in: SLB KURIER 1992/2.
- Agricola, Christiane: Ich habe keinen Grund zum Jammern, Leipziger Volkszeitung vom 25.11.1993.
- Camphausen, Ute; Thormann, Olaf (Herausgeber): Ausstellung Die Leipziger Kunstgewerbeschule, Dokumentation; Museum für Kunsthandwerk Leipzig 20.12.1996 - 16.03.1997 - Leipzig, Faber & Faber, 1996.
- Jorek, Rita: Ruhe, Festigkeit und Würde in Plastik, Applikation, Gemälde[n]. Werke von Alfred Thiele, Marianne Oppelt und Karl-Arthur Müller in Leipziger Galerien.
Leipziger Volkszeitung vom 17.02.1983. - Katalog der 11. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig 1985. Hrsg.: Rat des Bezirkes und Verband Bildender Künstler der DDR Leipzig, Seite 166.
- Jorek, Rita: Die Stillen im Lande. Walter Gluch, Anneliese Hinze, Edith Müller, Heinz Olbrich, Marianne Oppelt, Kurt Reinicke. Herausgeber.: Bund Bildender Künstler Leipzig e. V.
1994, unpaginiert. - Agricola, Christiane: "Die Stillen im Lande" - zu den großen Ausstellungen immer am Rande "mitgezeigt" - sind jetzt im agra-Club Markkleeberg zu sehen. Leipziger Rundschau vom 26.01.1994.
Unveröffentlichte Quellen: - Nachlass Marianne Oppelt. SLUB Dresden (Mscr. Dresd. App. 2548).
- Dreißiger, Christa-Maria: Werkverzeichnis, Dresden 1988. SLUB Dresden (Mscr. Dresd. App. 2548 (4/2/).
Autorin: Dr. Eva Maria Hoyer, 2018