Poredda, Brigitte - Leipziger Frauenporträts
Brigitte Poredda © Rita Jorek Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
4. April 1936 (Bad Tennstedt) - 1. Februar 2015 (Leipzig)
Zitat
"Ich will mich nicht auf eine Porträt-Variante festlegen, sondern versuchen sie zu erweitern. Durch das Einbringen von Geschichte beispielsweise."
(Leipziger Volkszeitung vom 16.01.1981, Seite 7)
Kurzporträt
Brigitte Poreddas Bilder, ob in DDR-Zeiten oder später geschaffen, fanden auch außerhalb Leipzigs Anerkennung; sie bieten neue Sichten auf die alten Legenden und Gegenwärtiges. Ihre Porträts legen Persönlichkeitsstrukturen und Schicksale frei, was sich in Gesichtern und Händen, aber auch in der Architektur der Körper manifestiert.
Herkunftsfamilie
Adoptivvater Max Kessler und Mutter Niele führten eine Gastwirtschaft in Bad Salzungen.
Biografie
Ein Gasthaus in Bad Salzungen bot Freiheit und Anregungen zu Studien von Mensch und Natur, trotz Kriegs- und Nachkriegswirren, die auch Brigitte Poreddas Kindheit überschatteten. Ihr erstes Wandbild hing in der Wirtsstube: eine Skatrunde. Sechs Männer, ausgeprägte Charaktere, sitzen gestikulierend um den runden Tisch, Glimmstängel im Mund, den Bierseidel hebend der eine, den Kopf aufstützend ein anderer, das alles in raffinierter Draufsicht - Meisterleistung einer Sechzehnjährigen.
Von diesem, nur noch als Foto existierendem Bild, geht eine Linie zu dem, was Brigitte Poreddas malerisches ɶuvre umfasst. Umwege blieben unvermeidlich. Nach der Holzbildhauerausbildung arbeitete sie gebrauchsgrafisch, denn für die Absolventin einer Fachschule war es zu DDR-Zeiten schwierig, als Künstlerin akzeptiert zu werden. Heirat und zwei Kinder verlangten Brotarbeit und sichere Einkünfte, vor allem nach der Scheidung. Unterdessen in Leipzig lebend, fand Brigitte Poredda bei Isolde Hamm, durch Theater und Opernhaus Unterstützung. Sie entwarf Plakate und Prospekte und mit dem Löwen Lips ein Leipziger Werbe-Maskottchen.
Ihre Kinder wurden größer, und sie widmete sich wieder intensiver der Malerei, ermutigt durch Wolfgang Peuker, Annette Krisper, Frank Ruddigkeit. Neben privaten Porträts entstanden einige von Arbeiterinnen, Arbeitern, die - da eigenwillig differenziert in Auffassung und Vortrag - nicht unbedingt vom Auftraggeber akzeptiert wurden. Es gab genug Schwierigkeiten und Ängste. Manche Gespenster, die sich aufdrängten, zeichnete sie sich nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, in monströser Kubin-Art von der Seele. Das Doppelbildnis "Partner" (1987) - ein Selbstbildnis der Verängstigten, von dem Aufpasser in die Ecke gedrängt - bezeugt die Malaise in einer unfreien Gesellschaft. Doppelporträts ermöglichten Nähe, aber auch Auseinandersetzungen zwischen Personen zu visualisieren. In drastischer Weise gelang das bereits 1980 mit zwei streitenden Arbeiterinnen der Leipziger Wollkämmerei, Antiheldinnen, die für Zündstoff in Diskussionen sorgten.
Ab Ende der 1970er-Jahre wurden Bilder der Außenseiterin von Juries akzeptiert. Die 10. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig zeigte die melancholische Liegende und das würdevolle Selbstporträt. Der Umzug nach Wintersdorf bei Altenburg brachte neue Erfahrungen und auch Modelle. Schließlich bot das Auftragswesen in dieser Beziehung genau das, was mancher Künstler braucht: Modelle wie zum Beispiel den Bürgermeister dieses Ortes, dessen Bildnis auf der nächsten Bezirkskunstausstellung 1985, der 11. und letzten, zu sehen war.
Auf der IX. Kunstausstellung der DDR 1982/83 fiel dem Rezensenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Brigitte Poreddas Porträt vom "Organisator R." als ein charakteristisches Bildnis auf, ein Werk, das DDR-Medien nicht beachteten; denn das "sogenannte Positive erscheint in angeknackster, gebrochener, in diesem Falle freilich desto stärker überzeugender Gestalt." (FAZ vom 04.11.1982). Zu gleicher Zeit entstand als Auftragswerk das "Arbeiterehepaar G.", eine konfliktgeladene Konstellation von Mann und Frau, ein nacktes Paar, das sich dem Bild von Wolfgang Peukers "Wände" - damals viel diskutiert - als ebenbürtig erweist. Erst 1998 fand Brigitte Poreddas Version durch die Ausstellung "Augenzeuge -Auftragskunst" auf der Festung Königsstein gebührende Aufmerksamkeit.
Nach 1989 setzte sie Schriftstellerinnen und Schriftstellern mit ihren Porträts, Doppelporträts und Werkadaptionen ein Denkmal: Sarah Kirsch und Annette von Droste-Hülshoff, Ilona und Elfriede Jelinek, Helga M. Novak und ein polnischer Dorfbewohner, Elsa Asenijeff und ihre Biographin. Die Bildnisse von Wolfgang Hilbig und Pina Bausch (einen Tag nach der Tänzerin Tod in einer GEDOK-Ausstellung im Haus des Buches gezeigt) sind ebenso bemerkenswert, wie ihre Interpretationen zu literarischen Werken. Dazu gehören die "Blechtrommel" von Günter Grass oder "Die Eisheiligen" von Helga M. Novak. Mit "Das blaue Kleid" schuf sie ein Sinnbild für den Widerspruchsgeist, der Leben und Werk der Dichterin prägte. Das Museum in Erkner, Handlungsort des Romans, kaufte es an. Das Porträt des Herrn Schumann erhielt einen Ehrenplatz im Verein der Grauen Löwen in Leipzig.
Außerdem gibt es die surrealen und mythischen Bilder. "Lilith am Toten Meer" erweckt diese fast vergessene Gestalt, erste widerspenstige Frau Adams, die auf Poreddas Gemälde so schön mit rotem Haar, zusammengeduckt zwischen Himmel und Erde erscheint. Ihre Judith, die den Holofernes köpft, ist eher die
Magd und nicht die Edelfrau, resolut und doch erschrocken über die Tat.
Diese Malerin mochte die Dichterinnen und Schriftstellerinnen, die ihr von Menschen und ihren Schicksalen erzählten, in denen sie sich wiederfand, wie in den Werken von Helga M. Novak, die mit ihrem Gedicht "Keltische Fliehburg bei Römhild" eine geschichtsträchtige Landschaft herbeirief, wie sie diese selbst aus der Kindheit kannte. Beide verband die Lebensmaxime: "Der Fantasie steht alles offen".
Werke
- Judith, 1976, Öl/Hartfaser, 55 x 115 Zentimeter
- Hochzeitsbild, 1977, Öl/Holz;
- Porträt einer Arbeiterin, 1978, Öl/Hartfaser, 50,8 x 36 Zentimeter, Museum der bildenden Künste Leipzig
- Selbstporträt, 1978, Öl/Leinwand, 106 x 47 Zentimeter
- Liegende 1978, Öl, 52,5 x 94 Zentimeter
- Bildnis des Vaters, 1978, Öl/ Holz
- Arbeiterinnen der Leipziger Wollkämmerei, 1980, Öl/Holz, 45 x 81 Zentimeter
- Bühnenbildnerin U.P., 1981, Öl/Hartfaser, 107 x 77 Zentimeter, Staatliche Kunstsammlung Dresden, Kunstfonds
- Organisator R., 1981, Öl/Hartfaser, 100 x 60 Zentimeter
- Arbeiterehepaar G. (Familie Georgi), 1981/82, Staatliche Kunstsammlung Dresden, Kunstfonds
- Partner, 1987, Öl/Leinwand, 124 x 71,5 Zentimeter, Kunstsammlung der Sparkasse Leipzig
- Alter Mann, 1985/95, Öl/Hartfaser, 98 x 67 Zentimeter
- Heiliger Sebastian, 1989, Öl/Hartfaser, 81 x 61 Zentimeter
- Versteinerung (Meteorit), 1995, Acryl/Papier, 78 x 60 Zentimeter
- Cleo und Tamrin, 1998, Öl/ Holz
- Wolfgang Hilbig, 1998, Öl/Holz, 56 x 53 Zentimeter
- Das Kleid der Eisheiligen, 2005, Öl/Leinwand, 110 x 50 Zentimeter
- Lilith am Toten Meer, 2006, Öl/Leinwand, 110 x 50 Zentimeter
- Ilona und Elfriede Jelinek, 2006, Öl/Leinwand
- Fadenspiel (Elsa Asenijeff und R.J.), 2007, Öl/Leinwand, 60 x 80 Zentimeter
- Pina Bausch - Danzón, 2009, Öl/Leinwand, 110 x 50 Zentimeter
- Mit Blechtrommel, 2010, Öl/Leinwand, 50 x 50 Zentimeter
- Annette und Sarah, 2010, Öl/Leinwand, 55 x 55 Zentimeter
Adressen in Leipzig
- 1979 (?): Fockestraße 2 (seit 1978 auch in Wintersdorf) (?)
- (1990-1996): Prinz-Eugen-Straße 42 (?)
- 2000-2001: Schenkendorfstraße 32
- 2001-200(?): Auguste-Schmidt-Straße 10
- 200(?)-2007: Melanchthonstraße 1
- 2007(?)-2014: Friedrich-Ebert-Straße 75
- 2014-2015: Schenkendorfstraße 17a
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- [Katalog] 10. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. Malerei, Grafik, Plastik im Museum der bildenden Künste. (Herausgeber) Rat des Bezirkes Leipzig, VEB E. A. Seemann Verlag. Leipzig 1979, Seiten 113, 115.
- [Katalog] IX. Kunstausstellung der DDR . Herausgeber: Ministerium für Kultur der DDR, Verband Bildender Künstler der DDR. Dresden 1982. Seite 250.
- [Katalog] 11. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. Malerei, Grafik, Plastik im Museum der bildenden Künste. (Herausgeber) Rat des Bezirkes Leipzig 1985, Seite 167.
- Brigitte Poredda. Malerei und Grafik. Kulturbund der DDR. Kunsthaus Grimma (Herausgeber) 1986.
- Kleine Formate. Leipziger Malerinnen. Galerieblätter Nr. 32. Kulturbund der DDR (Herausgeber) Leipzig 1983.
- GEDOK Leipzig/Sachsen e. V. Herausgeber: Heidy Glöckner, Rita Jorek, Birgit Bahlke. Leipzig 1995, Seiten 53/54.
- Katalog der Gemälde. Museum der bildenden Künste. Herausgeber: Herwig Guratzsch. Leipzig 1995, Seite 147.
- Behaust-unbehaust (Kalender für 2002). Herausgeber: GEDOK Leipzig/Sachsen e. V. 2001.
- "ein jedes soll seine Farbe tragen" - Helga M. Novak zum 70. Geburtstag. Herausgeber: GEDOK Leipzig/Sachsen e. V. 2005.
- Künstlerinnen für Elsa Asenijeff (1867-1941). Kartenedition. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen e. V., 2007.
- Körperspiele. Jahresausstellung der GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen 2009. Herausgeberin: Rita Jorek mit Unterstützung der Isolde-Hamm-Stiftung. Leipzig 2009, Seite 22.
- Schwingungen. Jahresausstellung der GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen 2010. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen mit Unterstützung der Isolde-Hamm-Stiftung. Leipzig 2010.
- 10 + 10 Positionen. Künstlerinnen aus Halle (Saale), Leipzig und Karlsruhe. Herausgeber: GEDOK Karlsruhe 2010, Seite 18/19.
- Verdichtet - was war - was ist - was wird sein. 20 Jahre GEDOK. Teil I. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen; Brigitte Blattmann, Constanze Zorn. Leipzig 2011, Seiten 22, 31.
- Verdichtet - was war - was ist - was wird sein. 20 Jahre GEDOK. Teil II. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen; Brigitte Blattmann, Dagmar Zehnel. Leipzig 2011, Seiten 46, 64.
- Frauen im LICHT - Kunst im LICHT von Frauen. Eva Strittmatters Texte im Prisma von Kunst. Kartenedition. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig Sachsen e. V. Träger der Isolde-Hamm-Stiftung 2012.
- Diva & Heldin. Frauenbilder in Ost und West. Herausgeber: Simone Tippach Schneider, Manfred Schweiker. Star Media GmbH: Berlin 2012, Seiten 44/45.
- Das Pandora-Prinzip. Kartenedition. Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig Sachsen e. V. Träger der Isolde-Hamm-Stiftung 2013.
- Rita Jorek: "Im gläsernen Turm der Macht". Zur Situation von Künstlerinnen heute. In: Kunst und Künstlerinnen im Umfeld von Louise Otto-Peters. LOUISEum 33. Sammlungen und Veröffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Leipzig. Herausgeberinnen: Johanna Ludwig, Gerlinde Kämmerer und Susanne Schötz. Leipzig 2013, Seiten 122-131.
- Die bessere Hälfte. Malerinnen aus Leipzig. Herausgeber: Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Redaktion und Text: Barbara John. Leipzig 2015, Seiten 35, 46.
Autorin: Rita Jorek