Stachorra, Ruth (geborene Zinkler) - Leipziger Frauenporträts
Ruth Stachorra, 1998 © Helmut Stachorra Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Frauenbewegung
- Politik
geboren/ gestorben
10. September 1938 (Chemnitz) - 3. Juli 2014 (Leipzig)
Zitat
"Die Möglichkeiten und Chancen von Frauen werden maßgeblich vom politischen Willen der Mehrheiten des Staates bestimmt."
(In: "fünf Jahre frauenpolitik in Leipzig", 1995, Seite 5)
Kurzporträt
Als erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig leistete Ruth Stachorra Pionierarbeit: Sie verknüpfte Fraueninteressen mit politischem Engagement, setzte den Beschluss des Runden Tisches der Stadt Leipzig zur Einrichtung eines Referates für Gleichstellung der Stadt um und stellte wichtige Weichen für Förderung, Schutz und Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Mädchen.
Herkunftsfamilie
- Vater: Erich Zinkler (1902-1972), Kaufmann
- Mutter: Charlotte Zinkler (1902-1955), Büroangestellte
- Schwester: Ursula (geboren 1936)
Biografie
Ruth Stachorra wuchs in Chemnitz auf. Hier besuchte sie die Schule bis zum Abitur 1956. Im gleichen Jahr zog sie nach Leipzig, um an der Karl-Marx-Universität Mathematik, Physik und Pädagogik zu studieren. Sie heiratete 1965 den Informatiker Helmut Stachorra. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor.
Ruth Stachorra begann ihre berufliche Laufbahn als Lehrerin für Mathematik und Physik und übte die Lehrtätigkeit bis 1967 aus. 1970 wechselte sie als Lektorin für Mathematik, EDV- und Jugendliteratur in den B. G. Teubner Verlag; hier arbeitete sie bis 1977. Danach war sie bis 1990 als Systemprogrammiererin und Fachgebietsleiterin für Projektbetreuung im Institut für Energetik Leipzig tätig. Es gelang ihr, sich in dieser Männerdomäne durchzusetzen und zu behaupten.
Im November 1989 gehörte sie dem Gründungskomitee der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) an, wurde Mitglied, gründete am 30. Januar 1990 in Leipzig die erste Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in den Neuen Bundesländern, wurde Vorsitzende und setzte sich unter anderem erfolgreich für das Streichen des Nachtarbeitsverbotes ein.
Am Runden Tisch der Stadt Leipzig (Februar bis 6. Mai 1990) brachte sie sich ein und setzte den Beschluss "Aufbau eines Referates für Gleichstellung von Frau und Mann in der Stadt Leipzig" um. Sie war die Impulsgeberin für die Gründung des FrauenTechnikZentrums Leipzig am 14. September 1990 und des Fördervereins sozialer Projekte für Frauen und Jugendliche am 3. Dezember 1993. In beiden Vereinen wirkte sie mehrere Jahre aktiv im Vorstand mit.
Am 15. Oktober 1990 bestellte der Stadtrat Ruth Stachorra als erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig und als Leiterin des Referates für Gleichstellungsfragen. Gleichzeitig wurde sie als Mitglied des Kreisvorstandes Leipzig, des Landesausschusses der SDP/SPD, 1991 als Mitglied des Vorstandes des SPD-Unterbezirks Leipzig, des SPD-Landesausschusses sowie 1992 als Mitglied des Landesvorstandes, gewählt. Bis 1994 war sie Referatsleiterin und zeitweilig als Dozentin für Kommunalrecht am Studieninstitut der Stadt Leipzig tätig. In ihrer Amtszeit gelang die Rekonstruktion eines Gebäudes, das dem Verein Frauen für Frauen e. V. 1994 zur Nutzung als Frauenhaus übergeben wurde, sowie die Vorbereitung der Rekonstruktion für ein zweites Frauenhaus, das 1996 in die Trägerschaft des Fördervereins sozialer Projekte für Frauen und Jugendliche e. V. überging. Mit Frauenprojektetreffen, viermal jährlich, und Fraueninformationsbörsen (1991 und 1993) schuf sie eine Plattform für die Leipziger Frauenvereine und unterstützte so die Netzwerkbildung. Themen wie Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Mädchenförderung, Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum kamen in die öffentliche Diskussion. Genauso engagiert setzte sie sich dafür ein, dass die Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung an der damals notwendigen Anpassungsqualifizierung für den Öffentlichen Dienst teilnehmen konnten. Sie war 1993 Mitinitiatorin der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros, die sich mit den Zielstellungen gründete, die Akzeptanz für die Gleichstellungsarbeit in Sachsen zu verbessern und Frauenkompetenzen in die Gesetzgebung mit einzubringen.
Als Abgeordnete des 2. Sächsischen Landtages (von Oktober 1994 bis September 1999) und Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Bauen und Verkehr zählte sie zu den aktiven und unbeugsamen Verfechterinnen für Fraueninteressen. Von 1996 bis zur Einweihung am 7. Dezember 1997 begleitete sie zudem das Projekt "Technologie und Beratungszentrum" in Dreiskau-Muckern. In der schwierigen Phase der Spaltung des Landesfrauenrates Sachsens übernahm sie von 2000 bis 2003 den Vorsitz. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die absolute Mehrheit, 32 Vereine, sich weiterhin zum Dachverband Sächsisches Frauenforum e. V. bekannte.
Seit Anfang der 1980-er Jahre lebte sie mit einer unheilbaren Krankheit. Sich politisch einzumischen und für Fraueninteressen einzutreten, gab sie dennoch nie auf. Bis 2006 arbeitete sie in der ASF Leipzig (Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen) mit. Sie blieb Mitglied im FrauenTechnikZentrum e. V. bis zu dessen Auflösung 2011 und im Förderverein sozialer Projekte für Frauen und Jugendliche e. V. bis zu ihrem Lebensende. Im Deutschen Mieterschutzbund - Mieterverein Leipzig e. V. war sie von 1995 bis 2013 Mitglied und von 2003 bis 2007 im Vorstand. Im SPD-Ortsverein Leipzig Ost/ Nordost wurde sie 2012 zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Ruth Stachorra war eine engagierte, politisch aufgeschlossene und in der Sache streitbare Persönlichkeit, die mit großer Beharrlichkeit ihren frauenpolitischen Standpunkt verteidigte. Politische und Gleichstellungsarbeit waren für sie stets untrennbar. Als erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig brachte sie wichtige Vorhaben und Themen auf den Weg. Sie war als gesellige, kommunikative, nie nachtragende und gutherzige Frau erlebbar. Ihr blühender Garten und die heranwachsenden Enkel gaben ihr die Kraft, mit ihrer Krankheit das 75. Lebensjahr zu erreichen. Sie starb am 3. Juli 2014.
Werke
- Beitrag: 10 Jahre ASF Leipzig, SPD vor Ort 2/2000. Herausgeber: SPD Unterbezirk Leipzig, 2000.
- Gerhard Engelmann interviewt Ruth Stachorra. Kategorie: Menschen & Blogs. Kategorie: Bildung. Acht Videos bei YouTube, 05.12.2013.
- Redebeitrag in der Funktion als Vorsitzende des FrauenTechnikZentrums Leipzig e. V. in Hamburg. In: "Neue Chancen durch Weiterbildung - 15 Jahre.
- FrauenTechnikZentren". Herausgeber: Göselhausverlag des Fördervereins für soziale Projekte für Frauen und Jugendliche e. V. 2001, ISBN 3-9806693-2-7.
- Begrüßungsrede, in: "Internationale Fachkonferenz, erste deutsche Nachfolgekonferenz der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking, 25. und 26.01.1996 im Neuen Rathaus Leipzig". Veranstalter: Förderverein sozialer Projekte für Frauen und Jugendliche e. V. Herausgeber.: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, 1996.
Adressen in Leipzig
- Mockauer Straße 19, 04347 Leipzig
- Friedrich-Wolf-Straße 2, 04347 Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Broschüre "Projekte mit - von - für - Frauen- in und um Leipzig 1991", Herausgeber: Stadt Leipzig, Referat für Gleichstellung von Frau und Mann, 1991.
- Broschüre "Fraueninfobörse im Neuen Rathaus am 5. und 6. November 1993", Herausgeber: Stadt Leipzig, Referat für Gleichstellung von Frau und Mann, 1993.
- Broschüre "fünf Jahre frauenpolitik in Leipzig - Erfahrungen, Ergebnisse, Perspektiven des Gleichstellungsreferats 1995". Herausgeber: Stadt Leipzig, Referat für Gleichstellung von Frau und Mann, 1995.
- Zwischenruf' 02, 2001, Herausgeber: Landesfrauenrat Sachsen - Sächsisches Frauenforum e. V., 1. Auflage 2001.
Autorin: Brigitte Blattmann, 2016