Taro, Gerda (Gerta Pohorylle) - Leipziger Frauenporträts
Gerda Taro in Spanien, Juli 1937 Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Fotografie
- Kunst
geboren/ gestorben
1. August 1910 (Stuttgart) - 26. Juli 1937 (El Escorial, Spanien)
Zitat
"BENUETZE KUNST ALS WAFFE"
(Thema des Ausstellungsraums mit Arbeiten von John Heartfield auf der Internationalen Werkbundausstellung "Film und Foto" 1929 im Kunstgebäude Stuttgart)
Kurzporträt
Gerda Taro, Fotoreporterin, Arbeits- und Lebensgefährtin des Fotografen Robert Capa, dokumentierte auf Seiten der Republikaner stehend mit ihren Arbeiten die Gräueltaten im Spanischen Bürgerkrieg für die Weltöffentlichkeit. Sie gilt als Pionierin der modernen Kriegsfotografie.
Herkunftsfamilie
- Vater: Heinrich (Hersch) Pohorylle, (1876-?), Eiergroßhändler
- Mutter: Gisela (Ghittel), geborene Boral (1877-?)
- Bruder: Oskar Pohorylle (1912-?)
- Bruder: Karl Pohorylle (1914-?)
Sowohl die Eltern als auch die Brüder, ebenso weitere Familienangehörige, wurden von den Nationalsozialisten umgebracht. Ihre genauen Todesdaten sind nicht überliefert.
Biografie
Als 1995 im Nachlass eines mexikanischen Diplomaten ein lang verloren geglaubter Koffer mit 126 Filmrollen der Fotoreporter Robert Capa, Gerda Taro und David Seymour (Chim), aufgenommen im spanischen Bürgerkrieg, wieder auftauchte, erhielt die Forschung zur bis dato kaum beachteten Kriegsreporterin Gerda Taro einen ungeahnten Aufschwung. Lange stand Taro völlig zu Unrecht im Schatten ihres Lebens- und Arbeitspartners Robert Capa. Allein 800 Fotos konnten nun auf Grund von Stempel und Kürzel zweifelsfrei Gerda Taro zugeordnet werden, darunter ganze, einst Capa zugeschriebene Fotoserien. Der hatte die Filmrollen seinerzeit nach Frankreich gebracht, wo sie in einem Koffer 1941/1942 außer Landes geschmuggelt wurden, um sie vor dem Zugriff der Nazis zu schützen.
So abenteuerlich wie die Geschichte des "mexikanischen Koffers" anmutet, so abenteuerlich verlief auch das kurze und dabei so intensive Leben der Gerda Taro, die am 1. August 1910 als Gerta Pohorylle in Stuttgart geboren wurde. Die jüdischen Eltern waren 1909 aus Ostgalizien ins "Schwabenländle" eingewandert, um den Pogromstimmungen in ihrer Heimat zu entgehen. Eine wohlhabende Tante brachte Gerda Stil und Lebensart bei, sorgte für moderne Kleidung und nahm Einfluss auf Bildung und Erziehung der Nichte. Gleichwohl blieben die Nöte der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht ohne Wirkung und das Mädchen machte früh Erfahrungen von Ausgrenzung und Demütigung. Gerda reagierte demonstrativ mit Temperament und Lebensfreude. Über ihre Schulfreundin Meta, die in einem selbstbewussten Frauenhaushalt aufwuchs, fand Gerda Zugang zur "guten Gesellschaft" Stuttgarts. Die Freundinnen hatten viel Sinn für alles "Angesagte", so auch für Kunst und Kultur. Ein Ereignis prägte sich Gerda besonders ein. 1929 wurde in Stuttgart die Internationale Werkbundausstellung "Film und Foto" gezeigt, die einen Einblick in die avantgardistischen Bilderwelt des "Neues Sehens" bot und mit neuartigem Design in Reklame, Gebrauchsfotografie, Zeitschriftlayout und vielem mehr aufwartete. Ein Ausstellungsraum war mit der Losung "BENUETZE KUNST ALS WAFFE" überschrieben, einer Forderung, der Gerda, tief beeindruckt von der Schau, mit ihrem späteren Lebenswerk gerecht wurde.
Im gleichen Jahr zog die Familie nach Leipzig, wo der Vater die Firma Eier-Import Pohorylle & Brüder Born gegründet hatte. Gerda hatte viele Bekanntschaften, turnte im jüdischen Sportverein und unterhielt Kontakte sowohl zum Sozialistischen Schülerbund als auch zur linken Studentenschaft. Wie die jüngeren Brüder war Gerda von sozialistischen Idealen geprägt, beteiligte sich an diversen Flugblattaktionen und wurde für kurze Zeit verhaftet. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 entschloss sie sich frühzeitig zur Emigration und ging mit der Freundin Ruth Cerf im Herbst 1933 nach Paris, wo die jungen Frauen unter dürftigen Verhältnissen lebten. Bei der Agentur "Alliance Photo" erhielt Gerda schließlich eine Anstellung als Bildredakteurin. Hier traf sie auf den ungarischen Emigranten und Fotografen André Friedman (1913-1954). Die beiden verliebten sich ineinander und Friedman führte Gerda in den Umgang mit der Kamera ein. Beide gaben sich, um bekannter zu werden, ein "griffiges" Pseudonym: Robert Capa und Gerda Taro. Das anfängliche künstlerische Ungleichgewicht glich sich bald aus und die "Schülerin" inspirierte zunehmend den "Meister". Am 4. Februar 1936 erhielt Gerda Taro schließlich ihren ersten Presseausweis, ausgestellt von einer Amsterdamer Fotoagentur.
Als am 17. Juli 1936 in Spanien die Militärs putschten, war Taro und Capa schnell klar, dass sie vor Ort den Kampf der republikanischen Truppen für die Verteidigung der jungen spanischen Demokratie dokumentieren wollten. Im August 1936 waren sie bereits in Barcelona. Als Fotoreporter sahen sie sich nicht als unparteiische Beobachter, vielmehr als solidarisch Handelnde und berührt Anteilnehmende, die der Welt authentisches Bildmaterial vom Bürgerkrieg lieferten. Auffallend an Taros Arbeiten war ihr Blick auf die Frauen. Ihre Aufnahmen zeigen bewaffnete Milizionärinnen, die stolz und selbstbewusst die Revolution verteidigen und ein völlig neues Frauenbild verkörperten. Neu war auch, dass Taro und Capa die Autorenschaft für ihre Fotos einforderten. Trotzdem ist es schwierig, eben diese Autorenschaft genau zuzuweisen, denn die Aufnahmen erschienen anfangs unter dem Namen "Capa", später unter "Capa & Taro". Erst in ihren letzten Lebensmonaten arbeitete Gerda unter ihrem eigenen Signet "Foto Taro".
Am 25. Juli 1937 fotografierte Taro bei El Escorial einen Angriff der deutschen "Legion Condor". Sie überlebte den Bombenhagel, wurde aber tragischer Weise von einem republikanischen Panzer überrollt und erlag am 26. Juli ihren schweren Verletzungen.
Werke
- Fotografien, erschienen in den französischen Zeitschriften "Ce Soir" und "Regards"
- Bilder und Reportagen veröffentlicht unter anderem in "The Illustrated London News", "La Revue de Médecine", "Züricher Illustrierte"
- in der amerikanischen Zeitschrift "Life" erschienen postum Fotos von Taro unter dem Titel "The Spanish War Kills Its First Woman Photographer"
- Nachlass von 800 Fotos im mexikanischen Koffer. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Autorenschaft weiterer Aufnahmen Taros fälschlicherweise ihrem Lebenspartner Capa zugeschrieben wurde, so zum Beispiel geschehen in Ernest Hemingways "Photographic Essay", veröffentlicht in "Life" im Januar 1941
Adressen in Leipzig
- August 1929 - Herbst 1933: Springerstraße 32
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Straßenbenennung - Tarostraße
1970 wurde in Leipzig eine Straße nach Gerda Taro benannt. Das dazu gehörende Schild trug die Erläuterung: "Gerda Taro - Jungkommunistin, Mitbegründer der internationalen Brigaden 1937 im Kampf gegen den Faschismus gefallen". Das Schild wurde Anfang der 1990er-Jahre abmontiert. - Gedenkmauer am Leipziger Südfriedhof (nicht mehr vorhanden)
Der so genannte "Ehrenhain antifaschistischer Widerstandskämpfer und verdienter Sozialisten" wurde ebenfalls teilweise nach 1990 entfernt. Ursprünglich wurden an dieser Stelle auch fünf Spanienkämpfer, unter ihnen Gerda Taro, mit ihrem Namenszug verewigt. Taros Name stand neben dem von Georgi Dimitroff, dem Hauptangeklagten im Reichstagsprozess. - Mappe Gerda Taro
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Signatur: V6/63/46
In der DDR und gerade in Leipzig hielt vor allem Dina Gelbke, Jüdin, überzeugte Kommunistin und Widerstandskämpferin sowie Mutter von Georg Kuritzke, einer Jugendliebe Taros, die Erinnerung an die mutige Spanienkämpferin wach, webte aber am Mythos der flammenden Kommunistin Taro durch einige biographische Erfindungen mit. So war Taro nie KPD-Mitglied, eine kolportierte Reise in die Sowjetunion fand nie statt und der Name "Taro" war kein Deck-, sondern ein Künstlername. Dina Gelbke sammelte Material zu Gerda Taro, schrieb ein umfangreiches Manuskript und veröffentlichte mehrere Artikel. Eine von ihr angedachte mehrteilige Fernsehserie, für die Paul Wiens das Drehbuch schreiben sollte, wurde jedoch nicht realisiert. Allerdings muss Dina Gelbke zugestanden werden, dass es ihr am Beispiel der Gerda Taro wichtig war, nicht nur ein "heroisches sozialistisches Lebens(vor)bild" für die Jugend zu zeichnen. Sie sah weiblichen Widerstand in faschistischer Zeit in der Geschichtsschreibung nicht genügend dokumentiert und gewürdigt und wollte somit auch den unbekannt gebliebenen Frauen ein Denkmal setzen. Taros Lebensleistung als erste Kriegsfotografin fand sowohl in der DDR als auch in der BRD erst ab 1985 Beachtung. - Seit 2016 Fotos von Taro aus dem Spanischen Bürgerkrieg als Installation des Festivals f-stop in der Straße des 18. Oktober (Nähe Tarostraße); nach der Zerstörung Anfang August 2016 Neueinweihung Ende September 2016
- Gerda-Taro-Schule – Gymnasium der Stadt Leipzig ab 2018 (Schulneubau in der Telemannstraße)
- 11.09.2022 Gegenwart aus Tradition gestalten. Jüdische Frauenperspektiven in Leipzig. Symposium & Workshops des Netzwerkes Jüdisches Leben Leipzig und von Bet Debora Berlin mit Erinnerungen an Henriette Goldschmidt (1825-1920), Bettina Brenner (1877-1948), Edith Mendelssohn Bartholdy (1882-1969), Louise Ariowitsch (1856-1939), Gertrud Herrmann (1896-1942 deportiert), Gerda Taro (1910-1937), Felicia Hart (1903-1976), Alice Seiffert (1897-1976) (alle aus dem Frauen online-Portal) und andere mehr
- seit 09/2023: „Gerda Taro (1910-1937). Fotopionierin · Naziflüchtling · Shooting Star: Eine Ausstellung in 10 Tafeln von Irme Schaber, im Auftrag der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V., Gestaltung Christian Melms, im Capa-Haus, Jahnallee 61, 04177 Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Irme Schaber, Gerda Taro - Fotoreporterin. Mit Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. Die Biographie, Marburg 2013.
- François Maspero, L'Ombre d'une photographe. Gerda Taro. Seuil, Paris 2006.
- Marie-Loup Sougez, Albert-Louis Deschamps (Herausgeber), Fotógrafo en la Guerra Civil Espanola. Junta de Castilla y Léon, Salamanca 2003.
- The Mexican Suitcase. The rediscovered Spanish Civil War Negatives of Capa, Chim and Taro, edited by Cynthia Young. Ausstellungskatalog, New York/ Göttingen 2010.
- Schaber, Irme (Herausgeberin), Gerda Taro. (In conjunction with the Exhibition Gerda Taro, organized by the International Center of Photography, New York, September 26, 2007 through January 6, 2008), Göttingen 2007.
- Robert Capa, Death in the making. Photographs by Robert Capa and Gerda Taro. Captions by Robert Capa, New York 1938.
http://www.zeit.de/2014/05/gerda-taro-kriegsfotografin (Stand: 04. Juni 2014) - http://www.badische-zeitung.de/ausstellungen/kunstmuseum-stuttgart-zeigt-fotografien-von-gerda-taro--27998075.html (Stand: 04. Juni 2014)
- http://photoscala.de/Artikel/Der-Mexikanische-Koffer-ist-ge%C3%B6ffnet (Stand: 04. Juni 2014)
Autorin: Kerstin Kollecker, 2014 (überarbeitet 2017, aktualisiert 2018)