von Eberstein, Clara Hedwig - Leipziger Frauenporträts
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Rubrik
- Stiftungswesen
geboren/ gestorben
2. November 1817 (Schönefeld bei Leipzig) - 10. Oktober 1900 (Schönefeld bei Leipzig)
Zitat
"[...] ingleichen die alte schöne Lindenallee und - worauf mein Wunsch besonders gerichtet ist - das Stück Feld westlich der Allee so lange als möglich unbebaut - zum Rittergut und dem Stifte für alle Zeiten erhalten bleiben" (1881)
(Clara Hedwig von Ebersteins Testament)
Kurzporträt
Clara Hedwig von Eberstein, weitgereiste Rittergutsbesitzerin, schenkte Leipziger Museen und der Schönefelder Kirche wertvolle Kunstgegenstände und verfügte 1881, dass ein Areal im Norden Leipzigs unbebaut erhalten blieb (heute Mariannenpark).
Herkunftsfamilie
- Vater: Franz Botho Freiherr von Eberstein (1787-1841), ehemaliger Hauptmann in britischen Diensten, Rittergutsbesitzer in Schönefeld bei Leipzig
- Mutter: Marianne Wilhelmine Rosine Elisabeth Freifrau von Eberstein, geborene Schneider (1792-1849), Tochter des Leipziger Pelzhändlers, Kaufmanns und Bankiers Johann Ulrich Schneider (1747-1815)
- Geschwister:
- Marianne Ulrika Franziska von Eberstein (1816-1837)
- Thoßmann Botho von Eberstein (1819-1819)
- Guido Adalbert von Eberstein (1821-1822)
Biografie
Als zweite Tochter des Rittergutsbesitzers Franz Botho von Eberstein und seiner Frau Marianne wurde Clara Hedwig Baroness (beziehungsweise Freiin) von Eberstein am 2. November 1817 im Dorf Schönefeld nördlich von Leipzig geboren. Die Mutter brachte als Tochter des Leipziger Pelzhändlers, Kaufmanns und Bankiers Johann Ulrich Schneider das seit 1794 im Familienbesitz befindliche Rittergut nebst weiteren Vermögenswerten mit in die Ehe.
Dorf und Herrschaft Schönefeld erlitten am 18. Oktober 1813 in der Völkerschlacht große Verwüstungen. Marianne von Eberstein sorgte wesentlich dafür, dass als erste nichtprivate Gebäude die örtliche Schule 1814 und die Kirche 1820 wiederaufgebaut wurden. Hedwig von Ebersteins Geschwister starben zeitig. Sie wurde als Kind jahrelang wegen einer Rückgratverkrümmung auf einem Streckbett festgeschnallt. Zeitlebens litt sie trotzdem unter wiederkehrenden Schmerzen. Sie blieb unverheiratet. Der Vater starb 1841, die Mutter 1849, so dass Hedwig von Eberstein Rittergut und Kirchenpatronat allein erbte.
Der Bau der Ferneisenbahnlinie Dresden - Leipzig ab 1835 tangierte auch Flächen des Rittergutes. Industrialisierung und rasches Bevölkerungswachstum erfassten Leipzig und Umgebung. Mit gutem Geschäftssinn und christlich geprägtem sozialen Verantwortungsbewusstsein stellte sich Hedwig von Eberstein diesem Prozess aktiv. Grundstücksverkäufe beziehungsweise -verpachtungen wurden nicht übertrieben, der landwirtschaftliche, rentable Betrieb des Rittergutes sollte gewährleistet bleiben. Örtliche Handwerker und Händler bekamen vorzugsweise Aufträge. Verkaufserlöse und andere Einnahmen flossen einerseits ab den 1850er Jahren in ihre intensive Reisetätigkeit. Mit dem Leipziger Pastor E. R. Baierlein und dessen Frau fuhr sie zum Beispiel nach Kalkutta, war aber auch unter dem Schutz von Missionsgesellschaften in Europa, im Nahen Osten, in Nordafrika sowie in Brasilien unterwegs. Andererseits stiftete sie "ihrem" Schönefeld beträchtliche Gelder für eine "Kinderbewahranstalt", für die bessere Ausstattung der Schule, die Aufbesserung der Gehälter von Pfarrer und Diakon sowie für ein Altenheim (Hedwigstift) im Dorf, das aber von den Ortsansässigen nicht angenommen wurde, weil das Haus als "verhext" galt. 1870 widmete sie der Schönefelder Gedächtniskirche zum 50. Jubiläum des Wiederaufbaus einen wertvollen, in Jerusalem gefertigten Tauftisch aus Olivenholz mit silbernem Becken. Sie legte selbst geografische Sammlungen an und spendete beträchtlich zum Nutzen der Großstadt Leipzig, unter anderem für den Leipziger "Verein für Freunde der Erdkunde".
1871 bis 1876 ließ Hedwig von Eberstein das Schloss Schönefeld bauen und zog selbst ein. Spektakulär war dann 1888 der Bau einer Grabstätte in Pyramidenform für sich und "im Tode vorangegangene" Familienangehörige wenige Meter südlich der Schönefelder Gedächtniskirche. Kirchenpatronin zu sein und ein nachempfundenes "ägyptisches Grabmal" zu haben - für die weitgereiste Hedwig von Eberstein ging das zusammen, zumal der Entwurf des Bauwerks aus Ziegeln mit Natursteinverkleidung von Constantin Lipsius stammte und von Bernhard Leuthier ausgeführt wurde. Nach ihrem Tode am 10. Oktober 1900 wurde Hedwig weisungsgemäß in der Pyramide bestattet.
Bereits 1881 hatte sie testamentarisch verfügt, dass nach ihrem Ableben eine nach ihrer Mutter benannte Stiftung errichtet werde. Nach Emil Weidmann, Schriftleiter von "Der Leipziger", handelte es sich um ein "eigenartiges Liebeswerk", das finanziell sehr gut ausgestattet war (nicht zuletzt, weil nach einem Streit keine anderen Ebersteins erben sollten). Der eigentliche Stiftungszweck, die Versorgung von je acht bis zehn Töchtern "höherer Civil-Staatsbeamter und Militärs" aus dem Ertrag des Stiftungskapitals (805.000 Mark plus umfangreicher Grundbesitz) war Hedwig von Ebersteins erste Priorität. Bei Lebzeiten ihrer Väter "an bessere Verhältnisse gewöhnt" sollten diese nicht eine "dienende Stellung" einnehmen müssen. Die Stiftsdamen durften nicht unvermögend sein (der Vater musste als Beamter mindestens 4.500 Mark Jahreseinkommen erhalten haben), über 30 Jahre zählen und als unbescholten gelten. Standesgemäße Verpflegung, Unterkunft, Bildungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten sowie "Nadelgeld" für Kleidung von jährlich 600 Mark wurden gezahlt. Adlige und Bürgerliche sollten etwa in gleicher Zahl Aufnahme finden. Eine wohltätige Stiftung wurde geschaffen, aber eben begrenzt auf den Erhalt des sozialen Status und des Lebensstandards einiger weniger alleinstehender Damen.
Hedwig von Eberstein legte jedoch vorausschauend für die Stiftung fest: "Ich (habe) besonders die Verwertung der Bauplätze in der Neustadt und sonstige zu vorteilhaftem Verkaufe geeignete Arealstücke im Auge [...] Ich will dem Verkaufe von einzelnen Grundstücken keinerlei Beschränkungen auferlegen, verordne aber, dass von dem bei meinem Tode vorhandenen Areal wenigsten 250 Acker [...] zur ökonomischen [landwirtschaftlichen] Nutzung, sowie die erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Gärten, der herrschaftliche Park, desgleichen die alte schöne Lindenallee und - worauf mein Wunsch besonders auch gerichtet ist - das Stück Feld westlich von der Allee so lange als möglich unbebaut zum Rittergute und dem Stifte für alle Zeiten erhalten bleiben." So kam Leipzig zu dem 1903 vom Schönefelder Gemeinderat beschlossenen und ab 1913 gestalteten öffentlichen Erholungspark. Mit der Eingemeindung Schönefelds nach Leipzig 1915 wurde die Stadt Leipzig Erbpächterin. 1931 erfolgte die Namensgebung "Mariannenpark" - noch heute eine gartengeschichtlich interessante Anlage des frühen 20. Jahrhunderts und eine wichtige "grüne Lunge" im Nordosten Leipzigs.
Bedeutsame Schenkungen aus dem Besitz Hedwig von Ebersteins erfolgten zugunsten Leipziger Einrichtungen: 142 wertvolle Objekte gingen zum Beispiel 1906 an das Kunstgewerbemuseum von mykenischer Keramik über Ägyptika bis zum Biedermeierzimmer. Im Leipziger Grassi Museum für angewandte Kunst sind Teile dieser Kunstschätze noch heute zu betrachten, andere wurden getauscht oder an das Stadtgeschichtliche Museum abgegeben.
Werke
- Begräbnispyramide an der Gedächtniskirche Schönefeld (Entwurf: Constantin Lipsius; Ausführung: Bernhard Leuthier)
Adressen in Leipzig
- Von der Geburt bis zum Tode: Rittergut Schönefeld bei Leipzig an der Kirchstraße (heute Zeumerstraße)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Hedwigstraße im Osten Leipzigs (noch zu ihren Lebzeiten Ende des 19. Jahrhunderts nach ihr benannt)
- Grablege der Patronatsherrschaft (Familie Schneider/ von Eberstein) in Form einer ägyptischen Pyramide neben der Gedächtniskirche Leipzig-Schönefeld
- Wertvolle Stücke aus dem Nachlass gingen als Vermächtnis zunächst an das damalige Museum für Völkerkunde, das Kunstgewerbemuseum und das Stadtgeschichtsmuseum. Vom berühmten "Biedermeierzimmer" (1906 im Kunstgewerbemuseum, ab 1914 im Stadtgeschichtlichen Museum, im II. Weltkrieg Auslagerung) kamen nach 1945 nur ein Spieltisch, zwei Stühle und einige Fußkissen zurück ins Stadtgeschichtliche Museum.
- Nach Auflösung des Mariannenstiftes und einer kurzen Zeit als sowjetischer Kommandantur wurden nach 1948 soziale Einrichtungen der Stadt Leipzig im Schloß Schönefeld untergebracht (Feierabendheim, ab 1972 Pflegestationen für behinderte Kinder).
- Seit 1994 befindet sich im Schloß Schönefeld eine Förderschule für schwerst- und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche (in freier Trägerschaft).
- Informationsstände beziehugnsweise Tafeln der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Leipzig-Nordost, Gedächtniskirche Leipzig-Schönefeld informieren in der Regel jährlich zum "Tag des offenen Denkmals" (September) an der Grabpyramide zum kulturgeschichtlichen Ensemble von Kirche, Schloss und freiherrlicher Grablege in Schönefeld.
- Die Absicht, 2013 eine Schule in Leipzig-Volkmarsdorf nach Hedwig von Eberstein zu benennen, wurde nicht realisiert.
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Album der Rittergüter und Schlösser des Königreiches Sachsen: Herausgegeben von G. A. Poenicke, I. Section. Leipziger Kreis, Leipzig [1860], Seiten 143-144.
- Eduard Raimund Baierlein: Nach und aus Indien. Reise- und Kulturbilder, Leipzig 1873 (Beschreibung der gemeinsam mit H. von Eberstein 1862/63 unternommenen Missionsreise).
- Louis Ferdinand Eberstein: Die im Jahre 1893 lebenden Mitglieder der Familie Eberstein auf der Rhön und ihre direkten Vorfahren bis zur Zeit des Übergangs des Eberstein'schen Geschlechts aus der fränkischen Stammheimath nach Thüringen, Berlin 1893.
- Taueranzeige für Clara Hedwig von Eberstein im Auftrag des Testamentsvollstreckers Dr. Frenkel und ungezeichnete redaktionelle Notiz zum Wirken von Clara Hedwig von Ebersteins, in: Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Nummer 519, vom 11. Oktober 1900.
- E[mil]. W[eidmann].: Die Mariannenstiftung zu Schönefeld: Ein eigenartiges Liebeswerk. In: Der Leipziger, Nummer 6, 1919, Seiten 131-132.
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Bibliothek), Melitta Winkler: Schloß Schönefeld und die letzte Eberstein (Mariannenstift), Handschriftlicher Erinnerungsbericht, Leipzig 1941, 8 Blatt (Sign. I- P 235).
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bauplan von der projectierten Colonie Eberstein bei Leipzig, Inventar-Nr.: T-B 35 a.
- Chronik des Schlosses Schönefeld. Zusammengestellt vom Gemeinnützigen Verein Schloß Schönefeld e. V., fischer druck Leipzig, ohne Jahresangabe (Manuskriptdruck, ohne Seitenangaben). Die gemeinsamen Internetseiten des "Verein(s) Schloss Schönefeld e. V." und der Lernen plus gGmbH sowie der Wohnen plus gGmbH waren wegen Überarbeitung - Stand Herbst 2017 - nicht zugänglich).
- Bert Sander: Wie aus einem Herrenhaus eine Förderschule wurde. Über Schloß Schönefeld e.V., in: Leipziger Blätter, herausgegeben von der Kulturstiftung Leipzig, Nummer 67, Leipzig, Herbst 2015, Seiten 80-82.
- Ruhestätte der Familien I. U. Schneider und von Eberstein, Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Leipzig Nordost, Gedächtniskirche Leipzig-Schönefeld, Leipzig 2016 [Flyer].
- 125 Jahre Museum für Kunsthandwerk Leipzig. Grassimuseum. Teil 2/1 Die Museumschronik von den Anfängen bis zum Jahr 1929, aufbereitet von Olaf Thormann unter Mitarbeit von Ute Camphausen, Eva Maria Hoyer, Eberhard Patzig, Uta Petter und andere, Leipzig 2003, Seiten 78-80, 82 (Abbildung eines wertvollen Becherglases aus dem Vermächtnis H. von Ebersteins), Seite 84, (Beschreibung eines Tauschs von einem Ausstellungsstück des Kunstgewerbemuseums mit dem Leipziger Geschichtsverein), Seite 100 (weitere Tauschaktionen mit dem Kunsthändler G. Werner, Leipzig und dem Stadtgeschichtlichen Museum).
- Günther Gießler: 16. Schule in Volkmarsdorf auf den Spuren einer Baronesse, in: Leipziger Volkszeitung vom 28.11.2013.
Autor: Dr. Heiner Thurm, 2017